Ornament und Moderne

Carsten Sauerbrei
19. Januar 2018
Das neue Kunden- und Verwaltungszentrum der Stadtwerke Wolfsburg AG und LSW ist prägnanter Orientierungspunkt für die nördliche Innenstadt (Foto: Stefan Müller)

Für die 1938, als «Stadt des KdF-Wagens» gegründete Planstadt Wolfsburg waren Architektur und Städtebau von Anbeginn an wichtige Mittel der Identitätsstiftung. Standen zu Beginn die moderne Industriearchitektur des Volkswagenwerks und der monumentale Städtebau des Koller-Plans stellvertretend für die politischen Ideen des Nationalsozialismus, so waren es in der Nachkriegszeit und bis heute dezidiert zeitgenössisch-moderne Architekturen, die Wolfsburg mit Gebäuden wie dem Kulturhaus Alvar Aaltos oder dem Science-Center phæno von Zaha Hadid ein fortschrittliches Erscheinungsbild geben sollten. Das im sensiblen Spannungsfeld zwischen Hauptbahnhof, phæno und dem nördlichen Abschluss der sogenannten Koller-Achse gelegene neue Verwaltungsgebäude der Wolfsburger Stadtwerke besitzt daher eine solch herausragende städtebauliche Bedeutung, dass 2014 ein geschlossener Architekturwettbewerb für dessen Planung durchgeführt wurde.

Der zehngeschossige Turm betont die Ecke des städtischen Blocks und kragt über den öffentlichen Straßenraum hinaus aus. (Foto: Stefan Müller)

Die Leipziger Architekten Ansgar und Benedikt Schulz setzten sich im Wettbewerb unter anderem gegen das zweitplatzierte Atelier 30 und die Drittplatzierten von Barkow Leibinger mit ihrem Entwurf eines insgesamt zehngeschossigen Baukörpers durch, der als neuer Hochpunkt im Nordkopf-Viertel einen Gegenpol zum kulturellen Zentrum im Süden bildet und in die Autostadt nördlich des Mittellandkanals überleitet. Mit dem 36 m hohen, über einer zweigeschossigen Sockelzone auskragenden Turm gelang es den Architekten, einen kraftvollen und klaren Baukörper als eigenständige Ergänzung des ebenfalls sehr markanten phæno zu entwickeln. Die «Dachloggia» im zehnten Obergeschoss des Turms entwarfen sie dabei als Pendant zu dessen offen gestalteter Sockelzone.

Die viergeschossige Basis nimmt die Traufhöhen der angrenzenden Quartiersblöcke auf und überführt diese in einen 36 Meter hohen, über die Ecke des Blocks und den Verkehrsraum auskragenden Turm. (Foto: Stefan Müller)

Das prägnante Erscheinungsbild des klassisch modernen Gestaltungsprinzipien verpflichteten „Nordkopf Towers“ steigerten Ansgar und Benedikt Schulz zusätzlich mit seiner reizvoll reliefartig-ornamental wirkenden Fassade aus schuppenartig angeordneten eloxierten Aluminiumblechschindeln. Deren Format, circa 34 mal 34 Zentimeter, leitet sich unter anderem aus dem Raster der Bestandsgebäude der Stadtwerke aus dem Jahr 1961 ab. Diese werden in einem zweiten Bauabschnitt saniert und durch eine einheitliche Fassadenbekleidung mit dem Neubau zusammengefasst werden. Die präzise Ausführung der Fassade und ihre spiegelnde, glatte Oberfläche lassen dabei passend zu Wolfsburg an industrielle Metallverarbeitung wie im Automobilbau denken.

Die markante, präzise detaillierte Metallfassade prägt das Erscheinungsbild des Neubaus. (Foto: Stefan Müller)