Campus-Universität - Standortentwicklung Haardter Berg in Siegen

Die Krönung des Berges

Peter Petz
23. September 2015
Vogelpespektive von Norden auf Haardter Berg

Peter Petz: Die Campus-Universität Siegen will sich am Standort Haardter Berg neu organisieren. Wie haben Sie die Wettbewerbsaufgabe interpretiert?
Jörg Wessendorf und Stefan Grieger: Der erste Besuch der Uni auf dem Haardter Berg gab uns viel Aufschluss über den Handlungsbedarf: Der heutige Campus setzt sich aus drei Einzelstandorten zusammen, die nicht weit voneinander entfernt sind. Die großmaßstäblichen Strukturen der Sechziger- und Siebziger Jahre wirken allerdings ein wenig wie gestrandete Raumschiffe mitten in einem kleinteiligen Wohngebiet. Man mäandriert etwas orientierungslos durch Wohnstraßen mit Reihenhäusern und Bungalows, um zwischen den einzelnen Campussen zu wechseln. Ein gemeinschaftliches Bergcampusgefühl kommt nicht auf – das soll sich ändern. Gleichzeitig überkam uns ein Gefühl der Ruhe und Erhabenheit, wenn wir in der Cafeteria unsere Blicke weit ins Tal und in die Siegerländer Bergwelt schweifen ließen. Dieses Alleinstellungsmerkmal gilt es zu stärken. Das Werkstattverfahren sollte eine Entscheidung für die langfristig richtige Strategie sein. Hochschulintern wurden im Vorfeld bereits zwei Strategien kontrovers diskutiert, ein Konzentrationsszenario um den höchstgelegenen Adolph-Reichwein Campus unter Aufgabe der beiden unteren Campusse, sowie eine dezentrale Strategie, die alle Campusse beibehält und den Zusammenhalt zwischen diesen stärkt.

Bestand

Wie organisieren Sie die Funktionen?
Der Entwurf sieht eine selbstbewusste Krönung des Haardter Bergs durch den neuen Bergcampus vor; als äußeres Zeichen des Empfangs und zur Stärkung seiner landschaftlich geprägten inneren Identität. Wir haben uns für einen konzentrierten, kompakten Bergcampus, eine Textur der Vielfalt entschieden. Die südlichen Standorte sollen sukzessive zurückgebaut und in eine behutsam in den Kontext gebettete Gartenstadt konvertiert werden. Die neuen Gebäude gruppieren sich um eine zentrale grüne Mitte im Herzen des Campus, die durch direkte, achsiale Bezüge mit dem äußeren Saum und somit dem angrenzenden Umfeld verzahnt ist. Die neue Freiraumstruktur ist einfach wie effektvoll und schafft eine klare Orientierung. Vier Entrées verzahnen das Freiraumkontinuum mit der Umgebung und sind intensive Begegnungsorte. Die verschiedenen Fakultäten und Fachbereiche präsentieren sich mit freistehenden Häusern an der neuen Mitte.

Welche Hochbaumaßnahmen sind vorgesehen?
Zu 46.000 qm bestehender Nutzfläche sollen langfristig gut 60.000 qm neuer Nutzfläche dazukommen. Einige Fachbereiche erhalten neue Gebäude mit Flächen für Lehre, Forschung und Verwaltung, darüber hinaus auch zentrale Sondergebäude mit öffentlichen Nutzungen. Die Bebauung ist im wesentlichen viergeschossig mit vereinzelten Hochpunkten. Die bestehenden Gebäude sollen zeitnah saniert werden. Dabei wird die teilweise aneinandergekettete bestehende Großstruktur in die neue Struktur eingewoben, indem an marginalen Stellen mittels Fugen neue Freiraumbezüge hergestellt werden. Die Bibliothek wird mit zwei neuen Geschossen gekrönt und kann sich so mit gestärkter Skyline behaupten. Die Gebäude der aufgegeben Standorte sind zurückzubauen oder gegebenfalls einer neuen Nutzung zuzuführen. Das neue Mobilitätskonzept sieht eine weitestgehende Verlegung des ruhenden Verkehrs in neue Hanggaragen vor, auf denen die östlichen Gebäude sockeln.

Funktionen

Wie sollen die Freiflächen bespielt werden?
Mit der Kompaktheit und Zentralität des Berg-Campus gehen kurze Wege und eine Maximierung an Kreuzungs- und Begegnungspunkten einher. Das Raumkonzept und die Verteilung der Funktionen erleichtern Vernetzung und Interdisziplinarität; Kommunikation und Bewegung werden optimal gefördert. Arbeitsplätze sollten strategisch an solchen Knotenpunkten positioniert werden. Die Kompaktheit des Bergcampus steht im Kontrast zum landschaftlichen Park, der ihn umgibt. Vom Wald gesäumt, entwickelt sich das Wiesenmeer des Bergparks zur Bebauung hin in ein modelliertes Rasenrelief mit Flächen für Aufenthalt und informelle sportliche Aktivitäten. Dazwischen mäandriert ein 3 km langer Parcours, der zum Flanieren oder Joggen einlädt – steile Passagen erhöhen den Fitness-Faktor! Im Campus-Inneren greift die neue grüne Mitte das landschaftliche Thema des Parks auf - eine sanft geschwungene Rasentopografie, gerahmt von einem Weg mit Aufweitungen wird zum Treffpunkt und Identifikationsort der gesamten Uni, der von Instituten aller Fakultäten und Gebäuden mit besonderen öffentlichen Nutzungen gesäumt wird. Innerhalb der Textur bieten kleinere platzartige Situationen, Raum für den kurzen Aufenthalt. An den Übergängen zum Park bilden Panoramatreppen beeindruckende Blicke über das Tal der Sieg.

Grüne Mitte
Schnitte

Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?
Die städtebauliche Absicht, von der introvertierten, sehr aus inneren Abläufen heraus gedachten Gebäude-Großstruktur in ein städtisches Freiraumkontinuum mit klar ablesbaren Gebäudeinheiten überzuleiten, soll architektonisch unterstützt werden. Dazu müssen die Architekturen der einzelnen Gebäude nicht zwangsläufig kontrastieren, die Ablesbarkeit einzelner Häuser mit gut formulierten Eingängen und Übergängen soll aber unterstützt werden. Landschaftsarchitektonisch reizvoll ist neben Differenzierung der einzelnen Räume sicherlich der großmaßstäbliche Park, der die universitäre Bebauung zum einen mit der Wohnbebauung versöhnt, zum anderen aber topographisch sehr bewegt feinstufig von einem Rasenrelief über ein Wiesenmeer in die Landschaft des Siegerlandes überführt.

Lageplan
Vorher – Nachher

Ist schon ein Rahmenplan in Arbeit?
Wir organisieren gerade die Abläufe und erstellen ein Angebot, wobei bereits sehr zeitnah ein erster Bauabschnitt des Science-Campus realisiert werden soll womit wir bereits inhaltlich befasst sind.


Campus-Universität - Standortentwicklung Haardter Berg in Siegen
Zweistufige Planungswerkstatt

Jury
Prof. Christa Reicher, Vors. | Frank Flor | Jürgen Minkus | Friedhelm Terfrüchte | Peter Haring Bolivar | Steffen Mues | Ulf Richter | Michael Stojan | Eckhard Weidt

Gewinner
zur Weiterbearbeitung empfohlen
L.Arch.: Atelier Loidl Landschaftsarchitekten, Berlin, Solingen
Arch.: Wessendorf Architektur Städtebau, Berlin

Würdigung
Arch.: Molestina Architekten, Köln
L.Arch.: FSWLA Landschaftsarchitektur, Düsseldorf, Köln