Wiesbadenbrücke-HavenInsel in Wilhelmshaven

Ein Ort zum Wohnen und Erleben

Peter Petz
6. Januar 2016
Blick von Norden (Bild: Möckel + Kiegelmann Architekten)

Peter Petz: Im Wilhelmshavener «Großen Hafen» soll die Wiesbadenbrücke-HavenInsel als ehemalig militärisch genutzte Landzunge mit Wohn- und Gewerbenutzung städtebaulich neu organisiert werden. Welche Ausgangslage haben Sie vorgefunden?
Peer Möckel: Die ehemalige «Kohlenzunge» ist eine im Jahr 1909 künstlich angelegte Halbinsel, die zur Versorgung der Schiffe der kaiserlichen Marine diente. Zusammen mit den im Jahr 1969 hinzugekommenen drei Schwimminseln diente die Wiesbadenbrücke als zentraler Veranstaltungsort der Marine. In den letzten Jahren wurden einzelne Bereiche als Liegeplätze für eine Segelkameradschaft sowie für eine Interessengemeinschaft historischer Schiffe genutzt. Die Landflächen wurden bisher als Festplatz für das jährlich stattfindende «Wochenende an der Jade» genutzt. Mit dem Erwerb der Flächen durch die Wilhelmshavener Spar- und Baugesellschaft eG. sollen die bestehenden Bauten sukzessive abgebrochen werden und ein Nutzungsmix aus Wohn- und Gewerbeflächen realisiert werden. Die Stadt Wilhelmshaven verfolgt das Ziel die Innenstadt und die Wasserbereiche enger miteinander zu verbinden. Im Mittelpunkt dieses Erneuerungsprozesses steht die Entwicklung der Stadtachse Jadeallee als Verbindung zwischen Innenstadt und Jadebusen und als städtebauliches Rückgrat eines neuen Stadtteils. Großmaßstäbliche Neubauten, wie das Hotel Columbia, die 6-geschossigen Punkthäuser am Bontekai und die bestehenden Wohnanlagen am Süddeich sind Teil dieses Umbauprozesses. Der Entwicklung und Nutzung der Haveninsel kommt in diesem Zusammenhang, aufgrund Ihrer weithin sichtbaren exponierten Lage, eine besondere Bedeutung zu.

Bestandfoto Südufer
Bestandsfoto Bontekai, Wiesbadenbrücke

Welche städtebauliche Körnung schlagen Sie vor?
Peer Möckel: Das Wesen der Haveninsel, im Havenbecken von Wilhelmshaven gelegen, und von den Ufern Bontekai und Süddeich umgeben, ist die Wechselwirkung von nah und fern, von klein und groß. Zentraler Entwurfsgedanke ist daher das Arbeiten mit dem Kontrast von Volumen und Freiraum. Drei versetzt angeordnete lineare Gebäudereihen bilden zusammen mit dem Hotel Columbia drei unterschiedlich zonierte Räume, den Empfangsplatz an der Marina, das Strandbad und den Platz an der Inselspitze. Mit diesen neuen Nutzungen erfährt die Insel eine Aufteilung in eine städtische und eine naturnahe Uferseite. Vorgefundene Qualitäten werden gestärkt und entwickelt, das Hotel Columbia gibt den Maßstab für die öffentlichen Freiräume an, kontrastierend dazu werden kleinmaßstäbliche «Mikroblocks» für die privaten Quartiere entwickelt.

Lageplan

Wie erschließen Sie das Areal und welche Freiraumqualitäten schlagen Sie vor?
Peer Möckel: Die Zufahrt zum Wettbewerbsgrundstück erfolgt von der Jadealle über den Kreisverkehr. Nach Fertigstellung des letzten Bauabschnittes wird die heute bestehende Erschließungsstraße in die Inselmitte verlegt und dient der Erschließung der abgesenkten Parkflächen der «Mikroblocks», der Zulieferung der Schwimminseln und der Erreichbarkeit des Platzes an der Inselspitze. Es ist beabsichtigt die umlaufenden Promenadenbereiche grundsätzlich autofrei zu halten und lediglich als Rettungs- und Anlieferungsweg auszubilden. Die gesamte Insel wird für den Bewohner und den Besucher fußläufig und per Rad zu umrunden sein. Die einzelnen «Mikroblocks» verfügen über halbgeschossig abgesenkte Parkflächen, die aus den Seitengassen angefahren werden. Die Split-Level-Anordnung von Gewerbe- und Parkflächen wird zur Nutzung von zusammenhängenden Umgängen und erhöhten, autofreien Platzsituationen genutzt. Die Wechselwirkung von Gewerbe- und Wohnnutzung wird über die Dachterrassen sowie Gebäudeversprünge inszeniert und trägt zur Bildung eines kleinmaßstäblichen, maritimen Milieus bei. Zusätzliches öffentliches Parken findet zwischen den «Mikroblocks», den Promenadenseiten abgewandt, und im Bereich der Marina statt. Die Ausgestaltung der Freiräume erfolgt analog des Entwurfsansatzes, der Ausbildung einer städtischen und einer naturnahen Inselseite. Das Hafenbecken wird mit abgesenkten Holzstegen und Sitzstufen zur Marina ausgebaut. Die vorhandenen Schwimminseln werden einbezogen und können als Bootsanleger dienen. Der Platz an der Inselspitze wird mit Sitzstufen versehen, welche die Blickrichtung zur Kaiser-Wilhelm-Brücke unterstreichen. Auf der naturnah gestalteten Seite entsteht ein öffentlich nutzbarer Bürgerpark, ein großzügiger Holzsteg dient als mögliche Badeinsel.

Ansicht vom Bontekai

Können Sie uns durch das neu organisierte Areal Wiesbadenbrücke-HavenInsel führen, als ob es schon fertiggestellt wäre?
Susanne Kiegelmann: Die städtische Seite der Haveninsel beginnt am Empfangsplatz an der Marina, östlich der Jadeallee. Hier lädt eine mit öffentlichen Nutzungen versehene Gebäudestruktur zum Flanieren ein. Ein grüner Platz mit Hafenblick, hölzernen Sitzstufen und Stegen zur neuen Marina, bildet den Auftakt zum Spaziergang an der autofreien, steinernen Promenade. Temporäre Nutzungen auf den Pontons, wechselnde Blickbeziehungen zum Bontekai, sowie die aufgelockerte Struktur der «Mikroblocks» mit erdgeschossiger Gewerbenutzung und halbgeschossig angeordneten Durchgängen geben diesem Bereich einen maritimen Charakter und erzeugen ein lebendiges Stadtquartier. Mit dem Platz an der Inselspitze wechselt die Gebäudestruktur und gibt den Blick auf die Kaiser-Wilhelm-Brücke frei. Der baumbestandene, autofreie Platz lädt zu temporären Nutzungen ein. Dimension, Nutzung und Maßstab könnten hier einen öffentlichen Charakter generieren. Die fußläufige Umrundung des Platzes führt zur Südseite der Insel, der naturnahen Seite. Hölzerne Sitzstufen führen ans Wasser herab, ein Steg leitet den Besucher weiter in das Strandbad.
Baumbestanden bildet dieser naturnah gestaltete Bereich eine Aufenthaltszone für den Bewohner, als auch für den Besucher der Haveninsel. Diese naturnahe Seite steht in direkter räumlicher Beziehung zum Hotel Columbia und führt den dort beginnenden grünen Uferbereich auf der Haveninsel fort.

Schnitt

Welches stadträumliche/architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?
Peer Möckel: Wesentlich erscheint uns auf der Haveninsel die vorhandenen Qualitäten der Insel herauszuarbeiten und zu entwickeln. Hier steht natürlich an erster Stelle der außerordentliche Bezug zum Wasser. Wichtig ist uns dabei, trotz des hohen Wohnungsanteils auf der Insel keine Wohnsiedlung zu generieren, sondern ein lebendiges Stadtquartier. Über eine klare Zonierung von öffentlichen, halböffentlichen und privaten Räumen haben wir versucht eine positive Wechselwirkung dieser Räume zueinander zu erzeugen und zusätzlich den Bezug zum Wasser für jeden Nutzer auf unterschiedliche Art erlebbar zu machen. Als Beispiel für den privaten / halböffentlichen Bereich seien die gebäudetiefen, begrünten Dachterrassen erwähnt, die als Kommunikationszonen für den jeweiligen «Mikroblock» dienen können und wie selbstverständlich eine Aussicht auf die öffentliche Promenade und den großen Hafen bieten. Im anderen Fall können temporäre öffentliche Ereignisse auf den Schwimmbrücken oder den Plätzen stattfinden und wie selbstverständlich von der Infrastruktur der erdgeschossigen Gewerbenutzung profitieren. Wir wünschen uns, dass auf diese Art ein lebendiges und außergewöhnliches Stadtquartier entsteht, welches langfristig offen für Interaktion und Veränderung ist. 

Piktogramme

Ist schon ein Rahmenplan in Arbeit?
Peer Möckel: Zur Zeit stehen wir mit dem Auslober, der Wilhelmshavener Spar- und Baugesellschaft eG, in Verhandlungen zur Beauftragung des Rahmenplanes.

Städtebauliche Entwicklung der Wiesbadenbrücke-HavenInsel in Wilhelmshaven
Nichtoffener Wettbewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren

Jury
Karin Kellner, Vors. | Dieter Wohler | Matthias Rösner | Oliver Leinert | Frank Amerkamp | Dirk Lohe | Hartmut Kapels

1. Preis
Architekt: Peer Möckel Architekten, Recklinghausen
Architekt: Susanne Kiegelmann - Architektin, Recklinghausen

ein 3. Preis
Architekt: studioinges, Berlin

ein 3. Preis
Architekt:  Duplex Architekten, Zürich, Düsseldorf, Hamburg
Landschaftsarchitekt: TH Treibhaus Landschaftsarchitektur, Berlin, Hamburg

4. Preis
Architekt: LIMA* architekten, Stuttgart
Landschaftsarchitekt: silands | Gresz + Kaiser Landschaftsarchitekten, Ulm