Grundschule Leonardo da Vinci, Wolfsburg

Offene Lernlandschaft

Peter Petz
4. November 2015
Konzept Häusertypologie

Peter Petz: Im Wolfsburger Norden soll im Zuge der Neuausrichtung der Schulen soll für der Neubau der er zweizügigen Primarstufe Leonardo da Vinci entstehen. Welche Vorstellung von Lernen und Schule liegt Ihrem Entwurf zugrunde?
Wilhelm Springmeier: Inhaltlich ist bereits in der Aufgabenstellung deutlich geworden, dass der Auslober offen für moderne Lernkonzepte ist. Es war sogar ausdrücklich gewünscht, dass keine «konventionelle» Flurschule entstehen soll, sondern eine bauliche Umsetzung des pädagogischen Konzeptes, hier insbesondere des Teamgedankens und der Jahrgangsfamilien in wechselnden bilingualen Unterrichtsgruppen. Entsprechend ist bei uns schnell die Vorstellung entstanden, für die Schüler jeweils einer Klassenstufe den Archetypus eines Hauses im Kontrast zu einer offenen Lernlandschaft für alle gemeinschaftlich genutzten Funktionen zu entwickeln. Dabei war es die besondere Herausforderung beide Typologien und ein flexibles Maß an Offenheit und Privatshäre innerhalb eines Baukörpers zu generieren. Städtebaulich soll sich das Gebäude in die Gesamtstruktur des Schulzentrums integrieren, die Eingangssituation akzentuieren, aber gleichzeitig die Maßstäblichkeit einer Grundschule abbilden.

Lageplan

Wie kamen Sie zum Baukörper? Welche Freiraumqualitäten sehen Sie vor?
Wie gesagt war es Ziel, auch unter Bezug auf die Dimension der umgebenden Bebauung ein Gebäude zu entwerfen, innerhalb dessen jedoch die verschiedenen Bereiche und Klassengemeinschaften ablesbar sind. In diesem Sinne haben wir alle Klassenhäuser im Obergeschoss um eine Halle arrondiert, während sich das Erdgeschoss als eher freier Gundriss präsentiert. Der Bezug zum Außenraum ist dabei sehr wichtig, jedem Haus ist eine Lernterrasse vorgelagert, von denen zwei auch die Funktion des Rettungswegs übernehmen, sodass wir im Innern mit einer offenen Treppe im Luftraum freier agieren können. Während diese Lernterrassen eher introvertiert in die Kubatur eingeschnitten sind, generieren sich im Erdgeschoss die Freiräume als Unterschnitte mit offenerem Außenbezug. Insgesamt haben wir in Zusammenarbeit mit den Landschaftsarchitekten Wert darauf gelegt, dass dem Gebäude innerhalb des Gesamtkomplexes maßstäbliche und altersgerechte Freiräume zugeordnet sind. 

Blick auf die Grundschule Leonardo da Vinci

Wie organisieren Sie die Schule?
Jeder Jahrgangsfamilie ist ein Klassenhaus mit Terrasse zugeordnet, dass die beiden allgemeinen Unterrichtsräume – die Schule ist zweizügig – einen Differenzierungsraum, eine Lehrerstation, einen Ruheraum und eine kleine Küche aufnimmt. Dabei sind die Häuser wie eine Art Wohnung organisiert, in der die Räumlichkeiten durch flexible Wände entsprechend angepasst werden können. Lediglich die Sanitärräume werden aus Gründen der Flächeneffizienz mit dem benachbarten Jahrgang geteilt. Diese «Inkonsequenz» hat das Preisgericht denn auch entsprechend bemängelt. Im Erdgeschoss befinden sich die nach Funktionen gruppierten Fachunterrichtsräume, der Ganztagsbereich und die separat zugängliche Verwaltung, die sich an das geschossübergreifende Foyer anlagern.

Erdgeschoss
Obergeschoss
Schnitt

Welche Innenraumqualitäten waren Ihnen besonders wichtig?
Gerade für eine Grundschule sind Übersichtlichkeit und eine gute Orientierung besonders wichtig, deshalb haben wir auf überschaubare Einheiten mit unterschiedlichem Farbcode, geschossweise und geschossübergreifende Blickachsen sowie den Sichtbezug zum Außenraum geachtet. So weiß man jederzeit, wo man sich im Gebäude befindet. Innerhalb der Vorgaben des Raumprogramms haben wir versucht, verschiedene Raumqualitäten zu erzeugen. So gibt es eher offene kommunikative Bereiche wie zum Beispiel die Unterrichtsräume, aber auch introvertierte und kontemplative Räume, wie die von oben belichteten Ruhezonen, als eingestellte Möbel. Bei allen unseren Entwürfen legen wir Wert darauf, dass die Erschließungsflächen nicht als reine Flure konzipiert sind, sondern mit Aufenthaltsqualität als Plattform für Begegnung und gemeinsamen Austausch dienen. Eine natürliche Belichtung aller Aufenthaltsräume und Erschließungsflächen ist selbstverständlich. 

Innenraum

Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?
In Abwägung von Unterhalts- und Erstellungskosten haben wir umweltfreundliche , dauerhafte aber gleichzeitig auch haptisch sinnliche Materialien gewählt: Im Inneren natürliche, hell lasierte, beziehungsweise geschliffene Wand- und Fußbodenoberflächen in Verbindung mit heimischen Hölzern und einigen Farbakzenten. Die Fassaden sind entsprechend der räumlichen Dualität im Erd- und Obergeschoss unterschiedlich. Das eher extrovertierte Erdgeschoss ist gläsern, beziehungsweise. lichtdurchlässig gestaltet durch transparente bodentiefe Glaselemente, integriert in eine Profilglasfassade mit transluzenter Wärmedämmung. Im Obergeschoss unterstreicht eine Faserzementbekleidung sowohl für die Fassaden als auch die Dächer den monolithischen Haus-Typus.

Detail

Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Eigentlich war davon auszugehen, dass eine zeitnahe Realisierung der Baumaßnahme erfolgen soll, zumal das jetzige Schulgebäude marode und die weitere Entwicklung der Leonardo-da-Vinci-Schule an einem Standort vorgesehen ist. Die Korrektur der zu erwartenden Steuereinnahmen durch die jüngsten Entwicklungen bei dem größten Arbeitgeber der Stadt Wolfsburg haben jedoch zu einer Haushaltssperre geführt, sodass eine Umsetzung zur Zeit nicht absehbar ist.

Konzept Städtebau

Neubau der Grundschule Leonardo da Vinci, Wolfsburg
Beschränkter Realisierungswettbewerb

Jury
Prof. Frank Hausmann, Vors. | Hannes Beinhoff | Patrick Ostrop | Ingrid Spengler | Monika Thomas | Iris Bothe | Astrid Dageförde | Immacolata Glosemeyer | Hiltrud Jeworrek

1. Preis
Architekt: Springmeier Architekten, Braunschweig
Landschaftsarchitekt: Lohrer.Hochrein Landschaftsarchitekten und Stadtplaner, München
Tragwerksplaner: M+L Tragwerksplanung, Braunschweig

2. Preis
Architekt: Schuster Architekten, Düsseldorf
Energieplaner: Stahl+Weiß, Bauphysik und Energiekonzeption, Freiburg

3. Preis
Architekt: Bayer & Strobel Architekten BDA, Kaiserslautern
Energieplaner: Ingenieurbüro Leiser, Würzburg