Grundschule Baumschulenweg, Bremen

Selbstverständlich weitergebaut

Peter Petz
17. Februar 2016
Blick auf den Eingangsplatz

Peter Petz: Im Bremer Nord-Osten soll die Ganztages-Grundschule Baumschulenweg mit einem Ersatzneubau und dem Umbau von Bestandsflächen neu organisiert werden. Welche Antworten gibt Ihr Entwurf auf die Frage, die der Wettbewerb stellt?
Alexander Koblitz: Der vorhandene Bestand ist sehr heterogen. Er besteht aus einer eingeschossigen pavillonhaften Kammstruktur aus den 1950-er Jahren, die abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden soll. Einem zwei-geschossigen Riegel mit Satteldach, der ebenfalls aus den 1950er-Jahren stammt und verschiedenen Kleinstarchitekturen aus den 1990er-Jahren, die dem ursprünglichen Bestand als kleine und große Warzen angefügt wurden. Also ein gewachsener Organismus, der allerdings unter formalen Aspekten sehr gewöhnungsbedürftig ist. Die gesamte Anlage liegt mittig und vom Baumschulenweg zurückversetzt in einer sehr grünen und liebevoll gestalteten Freiraumanlage, die der gesamten Schule eine sehr harmonische Atmosphäre verleiht. Dem Schulbau ist noch als kleines aber pikantes städtebauliches Paradox das kleine Einfamilienhaus des Hausmeisters hinzugefügt, welches direkt am Baumschulenweg liegt und auch noch längerfristig unumstößlicher Teil des Schuleingangs bleiben wird. Mit dem Wettbewerbsverfahren sollte also eine Lösung gefunden werden, die das Schulensemble neu ordnet und städtebaulich etwas zeichenhafter am Baumschulenweg neben dem Kuriosum des Hausmeisterhauses positioniert.

Bestand

Wie kamen Sie zum neuen Baukörper? Welche Freiraumqualitäten sehen Sie vor?
Aus der Reibung mit den Bestandsgebäuden sind wir zu unserem Entwurf gekommen. Wir pflegen schon lange im Büro eine Zuneigung zu der noch immer vernachlässigten Architektur der 1950er-Jahre. Und auch bei genauerer Betrachtung des scheinbar etwas profanen Bestandsriegels am Baumschulenweg gibt es eine Reihe von Qualitäten, die wir immer wieder aus dieser Zeit kennen. Sehr zarte Baukörperproportionen, eine feine Rasterfassade aus Betonlisenen und Backsteinkassetten und zwei schöne Treppenhäuser. Die Anbauten aus den 1990-er Jahren bereiten einem da schon weitaus mehr Kopfschmerzen. Mit der Entscheidung die Bestandsstruktur wert zu schätzen und im wirklichen Sinne weiterzubauen ergab sich relativ selbstverständlich der vorliegende Entwurf.

Die Freianlagen der Schule wurden erst jüngst zu einem der zehn schönsten Schulhöfe Deutschlands gekürt. Für uns war es daher naheliegend die Freiflächen, die nicht zuletzt von den Schülern, Eltern und Lehrer selbst gestaltet wurden, so wenig wie möglich zu überformen. Mit dem komprimierten Neubau erhält die Schule einen höheren Freiraumanteil als zuvor. In diesen sind zwei geschützte Themengärten eingestreut.

Lageplan
Piktogramm

Wie organisieren Sie den Neubau und die Schnittstellen zum Altbau?
Im Neubau haben wir die Jahrgangshäuser der Klassen organisiert, im Altbau sind die Fachklassen und die Verwaltung untergebracht und in der Schnittstelle beider Nutzungen befindet sich an alter Stelle im Zusammenspiel mit der Bestandsaula der Haupteingang mit dem Foyer.

Der zweigeschossige Neubau ist dabei bauliches Abbild der zeitgenössischen Lehrpädagogik mit einer übergeordneten Lern- und Kommunikationszone, die mit den Klassenräumen zu einem großen Cluster zusammengezogen wird. Hierbei ist das Ziel die Cluster als große Nutzungseinheiten unter 400 Quadratmetern zu planen, sodass für die inneren Wände und die große Kommunikationsfläche keine brandschutzrechtlichen Anforderungen bestehen. Dadurch wird ein hohes Maß räumlicher Transparenz und eine sehr freie Möblierung der Kommunikationsbereiche möglich – also das räumliche Gegenteil der jahrzehntelang praktizierten Gangschule mit linear aufgefädelten, gleich großen Klassen. 

Grundriss Erdgeschoss
Längsschnitt
Querschnitt

Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?
Wie immer beim Bauen im Bestand geht es um die grundsätzliche Haltung gegenüber dem Bestehenden. Ist der Bestand das notwendige Übel, dem eine neue, autonome Perle in gebührendem Abstand hinzugefügt wird oder ist er nicht vielleicht ein akzeptabler, gleichwertiger Partner, der eher symbiotisch weitergebaut werden kann. Bei dem Bestand am Baumschulenweg ist die Wertschätzung ein Erkenntnisgewinn durch die Entwurfsfindung. Unsere Entscheidung, den Bestandsbau der 1950er-Jahre weiterzubauen, zeigt sich in der bewegten Dachlandschaft, die sich aus dem Altbau ergibt und in den Neubau weitergezogen wird. Auf diese Weise können wir beide Baukörper nicht nur charmant miteinander verschmelzen, wir erhalten auch räumlich einen ungeheuren Mehrwert für alle Schulräume in den Obergeschossen. Diese erhalten jetzt eine überdurchschnittliche Raumhöhe und Oberlichter im Gegensatz zu den erdgeschossigen Klassenräumen, die einen direkten Zugang zum Garten erhalten.

Ansicht Kopf
Ansicht Straße
Schnittansicht Eingang

Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?
Bei der Materialwahl verfolgen wir seit Jahren im Büro vergleichbare konstruktive Ziele. Wir können uns für sehr robuste und plastische Fassaden erwärmen. Der Ziegel ist dabei zu einem inzwischen sehr liebgewonnen Fassadenmaterial geworden, welches sich bei einer Schule in der Hansestadt Bremen fast schon von selbst aussucht. Alles was uns an Fassaden interessiert, Plastizität, Massivität, Ornament und Langfristigkeit können wir mit dem Ziegelstein umsetzen. Beim Innenausbau ist es immer unser Ziel innerhalb der zunehmend standardisierten und normierten Bauteilwelt so viele raumbildende Holzoberflächen wie möglich zu schaffen. Sei es als Einbaumöbel, Akustikpaneele, Innentüren und Fenster oder Fußböden. Ähnlich wie beim Backstein ermöglichen wertige Holzoberflächen nicht nur eine behagliche Atmosphäre, sie garantieren auch einen weitaus höhere Langlebigkeit, als die Präsenz der üblichen, ernüchternden Gipskartonwelten.

Detail

Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Das Gebäude soll in zwei Bauabschnitten realisiert werden. Zuerst wird der Neubau errichtet, dann wird der Bestand saniert und umgebaut. Gegenwärtig wird der Sommer 2019 als Fertigstellungstermin der gesamten Baumaßnahme anvisiert.

Modell

Grundschule Baumschulenweg, Bremen
Beschränkter Realisierungswettbewerb

Jury
Prof. Dörte Gatermann, Vors. | Prof. Thomas Bieling | Edgar Melzer | Prof. Dr. Iris Reuther | Jost Westphal | Udo Stoessel | Kay Markus Trottnow | Lars Beulke | Volker Andrae | Barbara Schneider

1. Preis
Zuschlag nach Überarbeitung
Architekt: kleyer.koblitz.letzel.freivogel, Berlin, Mitarbeiter: Philip Posth, Stefan Schreck
Landschaftsarchitekt: KUULA Landschaftsarchitekten, Berlin

1. Preis
zur Überarbeitung aufgefordert
Architekt: IBUS Architekten und Ingenieure, Berlin, Bremen