Die Farben der Stadt

Thomas Geuder
23. September 2015
Das neue, 54.000 m² große Konzert-, Kongress- und Hotel-Ensemble «Malmö Live» befindet sich auf dem Universitetsholmen in Malmö. (Bild: Adam Mørk)

Projekt: Malmö Live Malmö, S) | Architektur: schmidt hammer lassen architects (Kopenhagen, DK) | Bauherr: Konzerthaus: Stadt Malmö (Malmö, S), Hotel und Kongresszentrum: Skanska Sverige AB (Stockholm, S) | Hersteller: Moeding Keramikfassaden GmbH (Marklkofen, D), Kompetenz:Fassadenbekleidung Sonderanfertigung

 

Malmö ist eine seit Kurzem aufstrebende Stadt im äußersten Südwesten Schwedens. Hier bildet die «Öresundbrücke» eine wichtige Verbindung zu Dänemark und verbindet somit Skandinavien mit dem restlichen Europa. Im westlichen Teil des in der zweiten Hälfe des 18. Jahrhunderts künstlich geschaffenen Hafens fand 2001 Ort die ökologische Bauausstellung Bo01 statt. Seitdem entwickelt sich dieses Gebiet stetig weiter, unter anderem sind Bauten wie der Turning Torso von Santiago Calatrava (2006) entstanden. Nicht weit davon entfernt haben nun schmidt hammer lassen architects aus dem quasi gegenüber von Malmö liegenden Kopenhagen nun ein Gebäudeensemble mit Konzerthalle, Konferenzzentrum sowie Hotel errichtet, das bedeutungstief «Malmö Live» getauft wurde. Städtebaulich befindet es sich an einem neuralgischen Punkt, denn hier trifft nahezu alles zusammen, was eine Stadt bieten baulich kann: Im Osten befindet sich der historische Hauptbahnhof, im Süden die Altstadt, im Wesen die Burganlage aus dem 16. Jahrhundert «Malmöhus Slott» mit Burggraben, und im Norden erstreckt sich das sehr heterogene Feld des ehemaligen Westhafens mit alter und neuer Industrie-, aber auch Wohnbebauung. Dazwischen schlängeln sich die für diese Gegend typischen Wasserkanäle. So war den Architekten von Beginn an klar, dass ihr Entwurf auf diese besondere Situation eingehen muss.

Das Gebäudeensemble besteht aus gegeneinander verdrehten Kuben in unterschiedlichen Größen, deren Höhe und Form von den umliegenden Bauten inspiriert ist. (Bild: Adam Mørk)

Das «Malmö Live» besteht aus mehreren Baukörpern, die in Kubatur wie auch Material auf die umgebenden Bestandsbauten reagieren. Die Konzerthalle ist in Rot, das Kongresszentrum samt Restaurant in einem Gelb-Ton gehalten. Beide besitzen annähernd die gleiche Höhe und lugen mit großen Fassaden zur Altstadt hinüber. Entlang des Wassers lädt hier eine hölzerne Promenade zum Flanieren, Ausspannen oder Musizieren ein. Das Hotel wird gebildet von drei zusammenhängenden Türmen, die sich aus einem flachen Baukörper heraus in der Höhe entwickeln. Durch ihre Höhe von bis zu 85 m bilden sie hier den Mittelpunkt zwischen den verschiedenen Einflüssen aus der Umgebung und positionieren an diesem Ort ein Wahrzeichen und einen Orientierungspunkt in der Stadt, verstärkt noch durch das Weiß der Fassade. Diese Farbgebung ist nicht nur eine Reaktion auf das unmittelbare Umfeld, sondern auch auf das gesamte Stadtbild. Denn im Gegensatz zu Kopenhagen, das von kräftigen Rot-Tönen geprägt ist, dominieren in Malmö zarte Rosa- und Ocker-Farben. Bei der Gestaltung der Fassadenverkleidung haben die Architekten gemeinsam mit dem Hersteller (Moeding, Marklkofen) in Versuchsreihen zahlreiche Tonmischungen ausprobiert und sich so an die finale Lösung herangetastet. Entstanden sind rote, gelbe und weiße Ziegel mit transluzenter Glasur, mit leichten Farbnuancen durch eine geschälte Plattenoberfläche und eine farblich changierende Glasur, die je nach Witterung, Lichtstimmung und Jahreszeit in wechselnd leuchtenden Tönen erscheinen.

Der weiße Farbton des Hotels wirkt an klaren Frühlingstagen fast bläulich, die Rot- und Gelb-Töne der Konzerthalle und des Kongresszentrums leuchten an den langen Sommerabenden rosarot. (Bild: Adam Mørk / Moeding Keramikfassaden)

Bei der Gestaltung der Fassade ließen sich die Planer von der These Schopenhauers leiten, Architektur sei «gefrorene Musik». So variiert die Breite der Fensteröffnungen, wodurch ein Muster ähnlich eines Notenblatts entsteht. Die 875 x 140 mm großen Ziegelplatten sind dabei so verlegt, dass keine horizontalen Fugen entstehen. Ihre Form – im Querschnitt eine Art doppeltes Dach – gliedert die Fassade stark in der Vertikalen und es entsteht ein kräftiges Spiel aus Licht und Schatten. Sämtliche Platten wurden im Moeding-Werk im bayerischen Marklkofen gefertigt und zunächst nach Tschechien ins Werk des Bauunternehmers Skanska (gleichzeitig Investor im Projekt) geliefert, wo sie zu kompletten Fassadenelementen zusammengefügt wurden. Diese wurden schließlich nach Malmö transportiert und vorgehängt hinterlüftet eingebaut, was eine rasche Montage vor Ort gewährleistete.

Wichtig war den Architekten, ein in alle Richtungen offenes Gebäudeensemble zu schaffen, das keine Vorder- und Rückseite hat und als Erweiterung des Stadtraumes dient. (Bild: Adam Mørk)

Raumplanerisch versteht sich das Gebäudeensemble als «Stadt in der Stadt». Das großzügige, 20 m hohe Foyer im Norden verbindet alle Gebäudeteile miteinander und soll durch deren freie Positionierung wie der Platz einer mittelalterlichen Stadt mit seinen zahlreichen Winkeln und Ecken wirken. Dies wird noch verstärkt durch das Hineinfließen der Außenmaterialien: An den Wänden des Foyers befinden sich die gleichen keramischen Elemente wie an der Fassade, auch der Bodenbelag ist derselbe wie der des Vorplatzes. Das gesamte Projekt ist nach LEED-Platin-Status zertifiziert, kleine Biotope auf den Dächern sollen Lebensraum für Vögel und Käfer bieten. So will das «Malmö Live» ein Haus für alle sein, das – so haben es sich die Architekten gedacht – gefühlt irgendwie schon immer in Malmö war. tg

Herzstück des Gebäudekomplexes ist der große Saal für das Philharmonieorchester Malmö. Er wurde nach dem akustischen Vorbild des Goldenen Saals im Wiener Musikverein gestaltet. (Bild: Adam Mørk / Moeding Keramikfassaden)
Lageplan mit Grundriss Erdgeschoss (Quelle: schmidt hammer lassen architects)
Schnitt Gebäudeensemble (Quelle: schmidt hammer lassen architects)
Schnitt Konzertgebäude (Quelle: schmidt hammer lassen architects)
Detailquerschnitt Fassadenkeramik (Quelle: Moeding Keramikfassaden)
Von der Ferne zeigt sich durch die horizontal versetzte Anordnung der Ziegelplatten eine flächigere Wirkung. (Bild: Anke Müllerklein / Moeding Keramikfassaden)
Bei der Gestaltung der Hotelzimmer achteten Schmidt Hammer Lassen vor allem auf die Blickbeziehungen zur Umgebung durch nahezu raumhohe Verglasungen. (Bild: Adam Mørk)
Früher wurden auf dem Areal Heringe verkauft, dann lag es lange Zeit brach und diente als Parkplatz. Nun sorgt das multifunktionelle Ensemble für vielfältiges urbanes Leben. (Bild: Adam Mørk)

Projekt
Malmö Live
Malmö, S

Architektur
schmidt hammer lassen architects
Kopenhagen, DK

Hersteller
Moeding Keramikfassaden GmbH
Marklkofen, D

Kompetenz
Fassadenbekleidung Sonderanfertigung

Bauherr
Konzerthaus:
Stadt Malmö
Malmö, S

Hotel und Kongresszentrum:
Skanska Sverige AB
Stockholm, S

Fassaden-Verarbeitung
Skanska Sverige AB
Stockholm, S

Landschaftsarchitektur
SLA
Kopenhagen, DK

Zertifizierung
LEED Platinum

Wettbewerb
2010

Fertigstellung
2015

Fotografie
Adam Mørk
Anke Müllerklein
schmidt hammer lassen architects
Moeding Keramikfassaden

Projektvorschläge
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Richtung Hauptbahnhof präsentiert sich das «Malmö Live» als expressive städtebauliche Skulptur mit dynamischer Fassade. (Bild: Adam Mørk)