Europäisches Hansemuseum in Lübeck

Geschichtsschichten

Thomas Geuder
30. August 2016
Das Europäische Hansemuseum in Lübeck ist europaweit das größte Museum zur Geschichte der Hanse. (Bild: Werner Huthmacher / Jansen)

Projekt: Europäisches Hansemuseum (Lübeck, DE) | Architektur: Andreas Heller Architects & Designers (Hamburg, DE) | Bauherrin: Europäisches Hansemuseum Lübeck gGmbH (Lübeck, DE) | Hersteller: Jansen AG, Schüco Stahlsysteme Jansen (Oberriet, CH), Kompetenz: Janisol HI, Janisol, Jansen-Economy 60, VISS Linea HI | weitere Projekdaten s. unten

Auf Lübecks Altstadtinsel zu bauen bedeutet immer auch ein Eingriff in die mittelalterliche, zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Baustruktur einer Stadt mit stolzer Historie. Umso mehr galt das für die Architekten um Andreas Heller, als sie den Auftrag zum Bau des neuen Europäischen Hansemuseums erhielten. Das für diesen Bau vorgesehene Grundstück befindet sich an der Nordspitze der Altstadt, direkt an einer der Haupteinfallstraßen, in Sichtweite des Hafens. Oberhalb steht zudem das Baudenkmal des Lübecker Burgkloster, dessen Bestehen auf das 13. Jahrhundert zurück geht. Hier am Rande der Altstadt muss ein Neubau auf ein doch recht heterogenes Umfeld reagieren, quasi als Brücke zwischen der Vergangenheit und Gegenwart. Inspiration holten sich die Architekten von den Bauwerken, die an diesen Ort einst standen, wie die Stadtmauer, ein Arsenal oder der Hexenturm, der Bestandteil der Stadtbefestigung war. Der so entstandene Museumsbau erinnert in seiner monolithischen Kubatur an die mittelalterliche Stadtmauer, mit schartigen, unterschiedlich eingefärbten und unregelmäßig vermauerten Steinen, die eigens für dieses Bauvorhaben von den Architekten entworfen wurden. Bei der Mauerung haben sie bewusst auf die sonst übliche Durchmischung der Ziegel verzichtet, wodurch eine Fassadencharakteristik mit eingestreuten, dunkleren Flächen und nach oben hin abnehmenden Schlämmgraden entsteht.
 

Zum Museum gehören ein Museumsneubau, das historische Baudenkmal des Lübecker Burgklosters und öffentlich zugängliche Außenanlagen. (Bild: Werner Huthmacher / Andreas Heller Architects & Designers / Hansemuseum)

An der unteren Straße «An der Untertrave» schmiegt sich der Neubau an den Burghügel. Hier führt die Fassadenlinie den Fußgänger zu einer zentralen, öffentlichen Treppe, die mit großzügiger Geste den historischen Hafen unten mit dem höher gelegenen Burgkloster, den museal aufbereiteten Freianlagen mit Blick über den Hafen und schlussendlich mit der Altstadt verbindet. Auf diesem Weg entsteht ein prägnanter Wechsel aus offenen und gefassten Räumen mit hoher Aufenthaltsqualität auf verschiedenen Niveaus. Gleichzeitig führt die Treppe zum Eingang des Hansemuseums, hinter dem die Ausstellung den Besucher durch die bewegte Geschichte der Hanse führt, beginnend mit einer archäologischen Grabungsstätte, die Auskunft über die früheste Besiedlung Lübecks aus dem Jahre 800 gibt.

Mit einer Mischung aus handwerklich feinster Backsteinmaterialität und eleganter Moderne will die Architektur eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlagen. (Bild: Werner Huthmacher / Andreas Heller Architects & Designers)

Gestalt prägend ist das Zusammenspiel der Materialien: Ziegel, Baubronze und Sichtbeton schaffen laut Architekten eine «erzählende Architektur». Gliederungs- und Schmuckelemente in den Mauerflächen sind Zitate früherer Handwerkskunst. So ist das Gebäude an der Seitenstraße, die zum Burghügel hinauf führt, als typisches giebelständiges Bürgerhaus ausgeformt. Die Giebelfassade hier ist großflächig mit dem Vierpass überzogen, einem der markantesten Motive der Backsteingotik, das als einzelnes Schmuckelement in Lübeck vielerorts zu finden ist. Alle neuen Bauteile beim Europäischen Hansemuseum passen sich der Ästhetik der historischen Umgebung an und machen gleichzeitig deutlich, dass es sich dabei um eine neue Schicht in der Baugeschichte der Gesamtanlage mit Neubau, Burgkloster und Außenanalgen handelt.

Die vollverblechten Drehtüren (Janisol HI) sind mit Paneelen aus fein geschliffener und gravierter Baubronze behangen. (Bild: Werner Huthmacher / Jansen)

Das ergänzende Gegenstück zum Ziegel bildet die Baubronze, die sich in den Türen, Toren und Fenstern konsequent wiederfindet. Die Bronze wurde in einem speziellen Färbebad patiniert und nach dem Entwurf der Architekten teilweise mit einem Relief graviert, das in stilisierter Form einen lateinischen Urkundentext aus der Ausstellung zitiert. Als Träger und Kern dienen hochwärmedämmende Stahlprofile (Jansen), verbaut von der Firma Fittkau, Metallbau und Kunstschmiede. Für die Herstellung der diversen Bauelemente aus tragenden Stahlprofilen mit einer Oberfläche aus Baubronze nutzte das Team von Stefan Fittkau form- wie auch kraftschlüssige Fügeverfahren. Auf die nach der Fertigungsrichtlinie von Jansen hergestellten vollverblechten Tür- und Torflügel aus dem Stahlprofilsystem Janisol HI wurden Metallkassetten verschraubt. Diese wiederum bestehen aus Trägerplatten aus Aluminium, die mit den gravierten Baubronzetafeln durch Kleben kraftschlüssig verbunden wurden. Bei der Gestaltung der Rahmenkonstruktion für die raumhohen Fensterbänder dagegen wurden die abgelängten Stahlprofile VISS Linea HI in T-Kontur und ein Millimeter starke Baubronze mit 1K-Polyurethanklebstoff miteinander vollflächig verklebt. Andreas Heller Architects & Designers haben so architektonisch wie bauphysikalisch die Tradition des Ortes mit den heutigen Anforderungen stimmig zusammengebracht – und ein Bauwerk errichtet, das der Jury des IF-Design-Awards 2016 in der Kategorie «Architecture – Public» den Hauptpreis wert war.

Vom Foyer aus hat man durch die raumhohe Verglasung einen herrlichen Blick auf die Burgtorbrücke an der Untertrave. (Bild: Werner Huthmacher / Jansen)
Mit seinem monolithischen Charakter erinnert die Gebäudekubatur an die mittelalterliche Stadtmauer, die einst am Fuße des Burghügels verlief. (Bild: Werner Huthmacher / Andreas Heller Architects & Designers)
Isometrie des Lageplans (Quelle: Andreas Heller Architects & Designers)
Grundriss Obergeschoss (Quelle: Andreas Heller Architects & Designers)
Grundriss Erdgeschoss (Quelle: Andreas Heller Architects & Designers)
Konstuktionsschnitte (Quelle: Jansen)
Vollverblechte Öffnungsflügel gliedern die Festverglasung im Foyer, wodurch die Konstruktion insgesamt schmaler wirkt. (Bild: Werner Huthmacher / Jansen)
Damit die Einbringungsöffnung flächenbündig im Mauerwerk zu liegen kommt, wurden die vollverblechten Tür- und Torkonstruktionen aufgedoppelt. Die Bänder sind im Falz verdeckt liegend integriert. (Bild: Werner Huthmacher / Jansen)

Projekt
Europäisches Hansemuseum
Lübeck, DE

Architektur
Andreas Heller Architects & Designers
Hamburg, DE

Hersteller
Jansen AG
Schüco Stahlsysteme Jansen
Oberriet, CH

Kompetenz
Janisol HI, Janisol, Jansen-Economy 60, VISS Linea HI

Bauherrin
Europäisches Hansemuseum Lübeck gGmbH
Lübeck, DE

Metallbauarbeiten
Fittkau Metallbau und Kunstschmiede
Berlin, DE

Projektsteuerung
stg Stefan Gürtzgen
Bremen
, DE

Wissenschaftliche Leitung
Prof. Dr. Rolf Hammel-Kiesow

Landschaftsplanung
Andreas Heller Architects & Designers
mit
WES LandschaftsArchitektur
Hamburg, DE

Tragwerksplanung & Abbruchstatik
Kröger & Steinchen Beratende Ingenieure
Lübeck, DE

Technische Gebäudeausrüstung
Schlüter + Thomsen
Neumünster, DE

Brandschutz
HAHN Consult
Hamburg, DE

Bauphysik Burgkloster
Transsolar
Hamburg, DE

Leuchtendesign & Lichtplanung
Andreas Heller Architects & Designers
mit
Peter Andres
Beratende Ingenieure für Lichtplanung
Hamburg, DE

BGF Neubau
3.842 qm

Kosten (netto)
51,4 Mio. EUR

Fertigstellung
2015

Fotografie
Werner Huthmacher
Jansen AG
Andreas Heller Architects & Designers


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