Installation „MultiPly“ auf dem London Design Festival von Waugh Thistleton Architects

Multipliziert

Thomas Geuder
15. Oktober 2018
AHECs diesjähriger Beitrag zum London Design Festival „MultiPly“ ist zusammen mit Waugh Thistleton Architects und Arup entstanden. (Bild: AHEC)

Projekt: Architektur-Installation „MultiPly“ auf dem Sackler Courtyard / Victoria & Albert Museum (London, GB) | Architektur: Waugh Thistleton Architects Ltd. (London, GB) | Ingenieure: Arup Ltd. (London, GB) | Hersteller: AHEC America Hardwood Export Council (Washington, USA) | weiter Projektdaten siehe unten

Der nordamerikanische Verband AHEC (America Hardwood Export Council) ist beim London Design Festival mittlerweile eine Art Stammgast. Regelmäßig sucht man sich international renommierte Architekten und Ingenieure, um mit einer Architektur-Skulptur aus amerikanischem Holz hochkarätige Präsenz zu zeigen. So ist etwa im Jahr 2013 zusammen mit dRMM die „Endless Stair“ entstanden oder auch 2016 mit Alison Brooks Architects „The Smile“ (wir berichteten: Laubholzlächeln). Stets mit an Bord waren die Ingenieure von Arup.

Zum diesjährigen London Design Festival hat AHEC wieder eine begehbare Architektur-Sklptur initiiert: „MultiPly“ wurde gemeinsam mit den Waugh Thistleton Architects (ebenfalls aus London) entwickelt. Bespielt wurde in diesem Jahr der Sackler Courtyard im Victoria & Albert Museum, der erst letztes Jahr komplett umgestaltet wurde (wir berichteten auf World-Architects: V&A Opens Exhibition Road Quarter), woran ebenfalls Arup maßgeblich beteiligt war. „Es ist eine große Ehre für uns als Ingenieure des Sackler Courtyards, auch an der bautechnischen Planung von „Multiply“ beteiligt zu sein“, freut sich Arup-Projektleiterin des Projekts „MultiPly“ Carolina Bartram. Für sie ist das Engagement von AHEC eine gute Gelegenheit, CLT (Cross Laminated Timber, also Brettschichtholz) aus Laubholz immer wieder neu zu entdecken: „CLT aus Laubholz bei Installationen wie „The Timberwave“, „The Smile“, „Endless Stair“ und jetzt auch bei „MultiPly“ einzusetzen, bietet uns eine spielerische Möglichkeit, mit diesem haptisch angenehmen und anpassungsfähigen Baustoff zu experimentieren und Innovationen zu schaffen.“

Tagsüber ist das neun Meter hohe Bauwerk aus Tulpenbaumholz eine architektonisch verspielte, für die Besucher spannende Attraktion im neuen Sackler Courtyard. (Bild: Ed Reeve)

Die Gestaltungsidee von Waugh Thistleton Architects für „MultiPly“ (ein Wortspiel aus multiply/multiplizieren und Plywood/Sperrholz) basiert auf einem Baukastenprinzip, in dem ein würfelförmiger Raum vervielfältigt und zu einem neun Meter hohen Bauwerk aufgestapelt wird. Insgesamt wurden 17 Module verbaut, aus 102 jeweils 60 bzw. 100 mm dicken und 2,60 m langen CLT-Tafeln aus schnell nachwachsendem Tulpenbaumholz. Diese sind wie in einem dreidimensionalen Puzzle ineinander gesteckt und lediglich mittels einfacher Schrauben fixiert. Die Oberflächen sind mit einer wärmebehandelten Schicht versehen. Hier wurde zum allerersten Mal thermisch modifiziertes Holz (engl.: TMT) als Schutzschicht für CLT-Module verbaut.

So konnte mit dem leichten Tulpenbaumholz-CLT – das an seinem Gewicht gemessen immerhin tragfähiger als Stahl und Beton ist – eine Struktur erstellt werden, die in weniger als einer Woche aufgebaut werden konnte. Möglich wurde dies auch durch die Vorfertigung, bei der die aus den USA eingeführten Holzlatten in der ersten CLT-Anlage in Großbritannien, im Construction Scotland Innovation Centre (CSIC) in Schottland zu Brettschichtholz weiterverarbeitet und in die finale Form gebracht wurden. Vor Ort mussten die Bauteile dann nur noch zusammengeschraubt werden.

Das Bauwerk entstand aus Laub-Brettsperrholz (engl.: CLT), das (so AHEC) zum ersten Mal in Großbritannien hergestellt wurde. (Bild: Ed Reeve)

Für die Architekten steckt hinter alledem jedoch eine übergeordnete Idee: „Das Hauptziel dieses Projekts ist es, eine öffentliche Debatte über die Lösung der Umweltprobleme durch innovatives Bauen zu erschwinglichen Preisen anzustoßen“, erläutert Andrew Waugh, Mitbegründer von Waugh Thistleton Architects. „Wir befinden uns mitten in einer Krise, was Wohnraum und CO2-Emissionen betrifft. Wir glauben, dass das Bauen mit vielseitigen, nachhaltigen Baustoffen wie Tulpenbaum ein wichtiger Beitrag zur Lösung dieser Probleme ist.“ So ist „MultiPly“ mehr als ein begehbares Baukunstwerk aus verschlungenen Räumen wie bei einem Labyrinth, bei dem freilich klug gewählte Öffnungen de neue Sackler Courtyard immer wieder aus neuen Blickwinkeln erkundet werden kann. Mit dem Pavillon wollen die Macher vor dem Hintergrund einer schnellen Bevölkerungsentwicklung auf nach wie vor rund 66.000 fehlende Wohnungen im Vereinigten Königreich hinweisen und gleichzeitig eine gangbare Lösung durch modulare Bauweise mit Laub-Brettsperrholz wie Tulplenbaum bieten.

Die labyrinthartige Installation führt die Besucher über eine Reihe von Treppen, Korridoren und offenen Räumen, von wo aus sie stets einen neuen Blick haben. (Bild: Ed Reeve)

Andrew Waugh dazu weiter: „Vielleicht liegt es daran, dass Architektur und Bauwesen zunehmend in der Pflicht sind, mehr als nur Kundenwünsche zu erfüllen. Was wir tun, hat direkte Auswirkungen auf die Gemeinden. Also müssen wir den Gesamtkontext miteinbeziehen, in den Gebäude sich einfügen. Bei dieser Vorgehensweise müssen heute zunehmend Dinge wie der Klimawandel und Umweltbelange berücksichtigt werden. Wenn man das als Architekt nicht tut, leistet man keine gute Arbeit. Politiker werden bald überrascht aufschrecken und feststellen, dass diese Themen die Leute zunehmend beunruhigen und besorgen. Stahl und Beton erzeugen extrem hohe Treibhausgasemissionen – ausschließlich damit zu bauen ist langwierig und verschwenderisch. Hinzu kommt die Wohnungsnot, für die bisher keine vernünftigen Lösungsansätze vorliegen. Aber modulares Bauen mit vorgefertigten Holzelementen bietet Lösungen für beide Probleme, Wohnungsnot wie Umweltschutz. Und man baut bessere Wohnungen damit.“ Das alles erinnert ein wenig an Werner Sobeks Ansatz des modularen Bauens (wir berichteten: Wohnen im hochwertigen Container). Umso erfreulicher ist, dass Architekten und Ingenieure zunehmend gestalterische Lösungen für die aktuellen gesellschaftlichen Probleme suchen.
 

Abends wird der Pavillon durch die Beleuchtung von SEAM zu einem besinnlichen Ort, der die BesucherInnen zum Nachdenken über die Schönheit dieses natürlichen Baustoffs anregen soll. (Bild: Ed Reeve)
Bei „MultiPly“ wurden 43 m³ Holz verbaut, die rund 30 Tonnen CO2 gespeichert haben und – gerechnet auf die amerikanischen Laubwälder – fünf Minuten zum Nachwachsen benötigen. (Bild: Ed Reeve)
Lageplan (Quelle: Waugh Thistleton Architects)
Grundrisse (Quelle: Waugh Thistleton Architects)
Konstruktionsschema (Quelle: Waugh Thistleton Architects)

MultiPly by Waugh Thistleton Architects (americanhardwood, Dauer: 4:34 min.)

„Tulpenbaum ist ein wunderschönes Holz“, sagt Andrew Waugh von Waugh Thistleton Architects. (Bild: AHEC)
Die einzelnen Elemente sind lediglich grob miteinander verzahnt und verschraubt. (Bild: AHEC)
Da der Pavillon aus vorgefertigten Modulen besteht, kann er leicht nach dem Londoner Design Festival abgebaut- und woanders wieder aufgebaut werden. (Bild: AHEC)

MultiPly Zeitraffer Aufbau, London Design Festival 2018 (Waugh Thistleton, Dauer: 0:39 min.)

Projekt
Architektur-Installation „MultiPly“ auf dem Sackler Courtyard im Victoria & Albert Museum
London, GB

Architektur
Waugh Thistleton Architects Ltd.
London, GB

Hersteller und Initiator
AHEC America Hardwood Export Council
Washington, USA

Kompetenz
nordamerikanisches Tulpenbaumholz (Tulipwood)

Ingenieure
Arup Ltd.
London, GB

Holz gespendet von
Allegheny Wood Products, Baillie Lumber Co., Bingaman Lumber Inc, Boss Lumber Coorperation, Classic American Hardwoods, Collins Hardwood, Latham Timber, Northland Forest Products, Northwest Hardwoods, Parton Lumber and Thompson Hardwoods Inc.

Holzverarbeitung
Glenalmond Timber
Methven, GB

CLT-Herstellung
Construction Scotland Innovation Centre (CSIC)
Blantyre, GB

Fertigung und Installation
Stage One Ltd.
Tockwith, GB

Beleuchtung
SEAM Design and Atrium
London, GB

Fertigstellung
2018

Fotografie
Ed Reeve
Petr Krejci
Ben Tynegate


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