Aussichtsplattform «Wolkenhain» auf dem Kienberg in Berlin

Über den Wolken

Thomas Geuder
30. Oktober 2017
Hoch über dem IGA-Gelände im Osten Berlins schwebt der «Wolkenhain», eine begehbare Skluptur mit Weitblick. (Bild: Hanns Joosten / iGuzzini)

Projekt: Aussichtsplattform «Wolkenhain» (Berlin, DE) | Architektur: Kolb Ripke Architekten Planungsgesellschaft mbH (Berlin, DE) | Lichtplanung: Schlotfeldt Licht (Hamburg/Berlin, DE) | Bauherr: Grün Berlin GmbH (Berlin, DE) | Hersteller: iGuzzini illuminazione S.p.A (Recanati, IT), Kompetenz: Leuchten | weitere Projektbeteiligte siehe unten

Die «Gärten der Welt» in Berlin-Marzahn sind seit ihrer Eröffnung im Frühling 1987 (damals anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins noch als «Berliner Gartenschau» erbaut) ein Magnet für Jung und Alt aus Nah und Fern. Ob dieses besonderen Ortes verwundert es also nicht, dass hier die Internationale Gartenausstellung im Jahr 2017 ihre Zelte aufgeschlagen hat. Aus diesem Anlass erhielt der rund 100 Hektar große Park neben neu angelegten Gärten auch einige bauliche Ergänzungen, die das Gelände noch einmal wesentlich aufwerten. So führt auf den gut 100 m hohen Kienberg – einst eine in der Eiszeit entstandene, rund 60 m hohe Erhebung, die durch Bau- und Trümmerschutt sowie Bodenaushebungen für den Bau der Siedlung Marzahn auf 102 m wuchs – nun von Osten und Westen eine Seilbahn hinauf, die den Aufstieg etwas erleichtert und von oben einen schönen Blick über das IGA-Gelände ermöglicht. So nimmt der Kienberg eine besondere Rolle für die IGA ein, behält jedoch seinen ruhigen und waldreichen Charakter und erfährt allenfalls eine ökologische Weiterentwicklung zugunsten der Struktur- und Artenvielfalt.

Insgesamt 50 Linearstrahler sorgen dafür, dass die Skulptur in vielen verschiedenen Licht-Farbstimmungen leuchten kann. (Bild: Hanns Joosten / iGuzzini)

Auf dem Gipfel des Kienbergs wurde im Zuge der IGA nun das neue Aussichtsbauwerk «Wolkenhain» errichtet, als weithin sichtbares Wahrzeichen mit Weitsicht. Statt einen schlichten Turm zu planen, haben die Planer von Kolb Ripke Architekten zusammen mit geskes.hack Landschaftsarchitekten und VIC Brücken und Ingenieurbau (die zusammen auch für die Gesamtgestaltung der IGA verantwortlich waren) eine Art auf Stützen gestellten, rund 90 m langen Rundweg errichtet, der die Besucher um weitere ca. 18 m über die Baumwipfel führt. So können die Besucher das IGA-Gelände sowie das flache Umland aus einer Höhe von insgesamt rund 120 m betrachten. Die Form des Weges ist dabei aus den verschiedenen Sichtachsen in die Umgebung generiert, etwa dem Alexanderplatz im Zentrum von Berlin oder dem Wuhletal. Diese maximal an den Ort angepasste Form gewann bereits Ende 2013 den 1. Preis beim entsprechenden Wettbewerb.

Der «Wolkenhain» im Bau: Unterhalb der Stahl-Konstruktion befindet sich ein Besucherzentrum. (Bild: Hanns Joosten / Kolb Ripke Architekten)

Beim Weg allein bleibt die Entwurfsidee allerdings nicht. Die Architekten schaffen mit dem «Wokenhain» eine polygonale Raumstruktur aus Stahl, die mit einer weißen, transluzenten Hülle überzogen ist: die Wolke. Sie ist aufgeständert auf schlanken, unregelmäßig angeordneten Stahlstützen, inspiriert von einem Baumhain. Eine großzügige Treppe führt nach oben, wahlweise auch ein Aufzug. Doch bei dem durchaus poetischen Bild der Wolke über dem Kienberg wollten es die Architekten nicht belassen. Sie statteten die Wolke in ihrem Inneren mit Linearstrahlern aus, die im Zusammenspiel mit dem Sonnenauf- und -untergang ein nicht minder poetisches Farbenspiel erzeugen. Verwendet wurden dafür LEDs mit RGBW-Technologie sowie Tunable White (Linealuce, iGuzzini).

33 der 50 Strahler simulieren mit Tunable White eine Stunde vor Dämmerungsbeginn das abnehmende Tageslicht, während die restlichen 17 RGBW-Strahler im weiteren Verlauf Farben ins Spiel bringen, die mit dem Himmelslicht korrespondieren und auch komplementär dagegen steuern. Bei Sonnenuntergang etwa beginnt der zuvor kaum wahrnehmbare Wolkenhain orangefarben zu glühen und zeigt sich fortan in der Dunkelheit als Leuchtkörper in lachs, kaltweiß oder blau, bis sein Licht um Mitternacht erlischt. Statische Szenen sind ebenso hinterlegt wie diverse Loops – die vielfältige Programmierung erlaubt sogar täglich ein anderes Schauspiel. Begleitet wurde die Lichtplanung auch von den Naturschutzverbänden, um die Umweltverträglichkeit zu gewährleisten.

Obwohl die IGA seit Mitte Oktober 2017 ihre Pforten wieder geschlossen hat, wird der «Wolkenhain» den Bürgern erhalten bleiben und – so die Planung – spätestens im April 2018 wieder geöffnet und dann als weithin sichtbare Landmarke und begehbares Kunstobjekt ein gutes Ausflugsziel im Osten Berlins sein.

Entwurfsideen (Quelle: Kolb Ripke Architekten)
Draufsicht, Schnitt und Perspektive (Quelle: Kolb Ripke Architekten)
Detailschnitt Konstruktion (Quelle: Kolb Ripke Architekten)
Wichtiges konstruktives Element sind die rund 160 Stahlkugeln, die als Knoten für die Stäbe der Konstruktion verbinden. (Bild: Kolb Ripke Architekten)
An den Fußpunkten der Konstruktion befindet sich ein 40 cm hoher Wartungsgang, in dem die Linearstrahler verbaut wurden. (Bild: Kolb Ripke Architekten)

Zeitrafferfilm IGA - Wolkenhain (IGA Berlin 2017, 3:04 min.)

Der Wolkenhain der IGA Berlin 2017 (IGA Berlin 2017, 1:40 min.)

Projekt
Aussichtsplattform «Wolkenhain»
Berlin, DE

Architektur
Kolb Ripke Architekten Planungsgesellschaft mbH
Berlin, DE

Projektleitung: Henry Ripke, Marcel Linke

Bauherr
Grün Berlin GmbH
Berlin, DE

Hersteller
iGuzzini illuminazione S.p.A
Recanati, IT

Kompetenz
Leuchten Linealuce Compact

Lichtplanung
Schlotfeldt Licht
Hamburg/Berlin, DE

Projektleitung: Torsten Rullmann

Planungspartner
geskes.hack landschaftsarchitekten GmbH
Berlin, DE

VIC Planen und Beraten GmbH
Potsdam, DE

Haustechnik
Marko Augustat & Partner
Berlin, DE

Programmierung
LightLife Gesellschaft für audiovisuelle Erlebnisse mbH
Andreas Barthelmes
Berlin, DE

Kontruktion
ca. 290 t Stahlkonstruktion (Fachwerk und Laufdeck)
160 massive Stahlkugeln, Durchmesser 200 mm, Gewicht 32 kg
200 m² silikonbeschichtetes Glasfasergewebe

Wettbewerb
1. Preis 11/2013

Baukosten
ca. 3.100.000 EUR netto

Fertigstellung
2017

Fotografie
Hanns Joosten
Kolb Ripke Architekten


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