Umbau und Sanierung des Gerling-Hochauses in Köln

Umgenutzt erhalten

Thomas Geuder
27. September 2016
In Köln wurde von ksg architekten und stadplaner das Gerling-Hochhaus aus den 1950er-Jahren aufwändig und originalgetreu transformiert. (Bild: Marcus Schwier / ksg)

Projekt: Umbau und Sanierung des Gerling-Hochauses (Köln, DE) | Architektur: kister scheithauer gross architekten und stadtplaner GmbH (Leipzig/Köln, DE) | Bauherr Sanierung: Immofinanz Deutschland GmbH (Köln, DE) | weitere Projekten s. unten

Der Name Gerling dürfte jedem Kölner selbstredend ein Begriff sein, denn im Westen der Innenstadt befindet sich das sogenannte Gerling-Areal, ein baulicher Mikokosmos, der das gesamte Quartier prägt. Erbaut wurde die Keimzelle des Areals – ein 14-geschossiges Hochhaus mit rechteckigem Grundriss und west- und östlich anschließenden 2- bzw. 3-geschossigen Annexbauten von gleicher Traufhöhe – von den Architekten Helmut Hentrich und Hans Heuser im Jahr 1953. Es war das erste Büro-Hochhaus in Köln und wurde in der seinerzeit innovativen Stahl-Skelettbauweise errichtet. Die Architektur des Bauwerks folgt unverkennbar amerikanischen Einflüssen, Gebäuden etwa wie dem rund 10 Jahre zuvor errichtete Rockefeller-Center in New York. Hans Gerling, der den Gerling-Konzern von seinem Vater Robert übernahm seit es 1949 leitete, wird ein patriarchalischer Führungsstil nachgesagt, weswegen der Bau denn auch als klassischer Palasttypus mit überhöhtem Mitteltrakt und niedrigen Flanken entworfen ist. Seitdem kamen immer neue Gebäudeteile hinzu – 2001 etwa steuerte Sir Norman Foster einen Teil bei – und der Gerling-Komplex dehnte sich zu einem eigenen Stadtviertel aus. Der Gerling-Konzern wurde 2005 schließlich von Rolf Gerling (der nächsten Generation) an die Talanx-Versicherungskonzern verkauft, der seinerseits die Gerling-Gebäude an die Frankonia Eurobau AG verkaufte. Seit 2010 werden diese zu einer Wohnanlage umgebaut, unter anderem von kister scheithauer gross architekten und stadtplaner, ebenfalls aus Köln, die etwa das Torhaus (ein Neubau), das Hochhaus sowie den Friedrich-Wilhelm-Bau transformaieren durften.

Charakteristisch am Gerling-Hochhaus ist die Rasterfassade aus Muschelkalk und Naturstein, die von ksg architekten und stadtplaner subtil saniert wurde. (Visualisierung: ksg)

Die Gebäude stehen natürlich unter Denkmalschutz, der beim Umbau die Gestaltung des Quartiers von der Büro- zur Wohnnutzung dominierte. So war das übergeordnete Ziel eine ruhige, einheitliche Gesamtstruktur, die sich in Materialität, Form und Farbe am Bestand orientiert. Die Gebäude mussten energetisch und statisch auf den neuesten Stand gebracht und räumlich umstrukturiert werden. Beides führte letztendlich dazu, dass das Bauwerk schließlich bis auf sein nacktes Stahlskelett komplett entkernt und wieder von Grund auf neu «befüllt» wurde. Planerisches Können erforderte dabei die Besonderheit, dass das Hochhaus nach oben hin schmaler wird, die tragende Stahlkonstruktion verjüngt sich in insgesamt vier Stufen. Dem musste die serielle Fertigung der Bauteile angepasst werden. Um die Wohnungen außerdem weiter aufzuwerten, integrierten ksg in die denkmalgeschützte Fassade Loggien, durch die das Gesamtbild jedoch nicht beeinträchtigt wird. «Es sind zusätzliche, offene Zimmer, die gläserne Fronten erhalten, damit es in luftiger Höhe nicht zugig wird», beschreibt der Architekt Johannes Kister. Die alten Holzfenster werden gegen Aluminiumfenster ausgetauscht, die Farbigkeit bleibt erhalten. In Abstimmung mit dem Denkmalschutz können Fensterbrüstungen absenkt und mit einer absturzsicheren Glasbrüstung versehen werden, die Fassade aus Mueschelkalk und Naturstein wurde subtil saniert. So ist es ksg architekten gelungen, trotz nutzungsbedingter Anpassung den architektonischen Ausdruck des Bauwerks zu bewahren.

Die Sanierung und Umnutzung des Gerling Hochhauses stehe exemplarisch für die Beständigkeit stadträumlich, gestalterisch und konstruktiv guter Architektur und sei wegweisend für die sorgfältige und hochwertige Erneuerung eines Bauwerks aus den fünfziger Jahren, urteilte jüngst die Jury des Stahlbaupreises 2016. Den Sonderpreis des Bundesministeriums für Umwelt, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) für nachhaltige Stahlarchitektur erhält das Architekturbüro kister scheithauer gross architekten und stadtplaner für ihre gelungene Transformation des Kölner Gerling-Hochhauses.

Das Gerling-Gebäude war das erste Büro-Hochhaus in Köln und wurde in der seinerzeit innovativen Stahl-Skelettbauweise errichtet. (Quelle: ksg)
Viele Bauten der Nachkriegsmoderne sind verdeckte Stahlbauten, hinter deren augenscheinlicher Steinfassade sich ein nicht sichtbares Stahltragwerk verbirgt. Im Bild: die Lobby vor und während der Baumaßnahme (Bilder: ogando, ksg)
Das Gerling-Areal inmitten der Kölner Innenstadt entwickelte sich auf dem im Krieg größtenteils zerstörten Friesenviertel. (Bilder: Immofinanz / ksg)
Das äußerst filigrane Erscheinungsbild der Fassade wurde durch eine Stockwerksrahmenkonstruktion mit einem verhältnismäßig engmaschigen Raster (Stützenabstand: 1,80 m) und einer damals neuen Form der Knotenausbildung ermöglicht. (Bild: Marcus Schwier / ksg)
Als besonders nachhaltig hat sich die Stahlbauweise erwiesen, die komplett für wiederverwendet werden konnte. (Bild: Marcus Schwier / ksg)
Die Geschossdecken bestehen aus Stahlträgern mit dazwischen betonierten ca. 10 cm dicken Stahlbetonplatten. (Bild: Marcus Schwier / ksg)
Bestandspläne und -details (Quelle: Der Stahlbau 1952, HIG Hempel / ksg)
Der Gebäudekubatur ist der Goldene Schnitt zu Grunde gelegt. (Quelle: ksg)
Fassadendetail: Durch das denkmalschutzgerechte Konzept zur energetischen Fassadensanierung verschob sich die äußere Schicht der Natursteinplatten um die Stärke der Dämmung. (Quelle: ksg)
Lageplan (Quelle: ksg)
In Abstimmung mit dem Denkmalschutz können Fensterbrüstungen abgesenkt und mit einer absturzsicheren Glasbrüstung versehen werden. (Bild: Marcus Schwier / ksg)

Das Projekt war in diesem Jahr bereits Bau der Woche: Freigelegt und ergänzt


Projekt
Umbau und Sanierung Gerling-Hochhaus
Köln, DE

Architektur
kister scheithauer gross architekten und stadtplaner GmbH
Leipzig/Köln, DE

Team
Johannes Kister (verantwortlicher Partner), Dagmar Pasch, Danijela Pilic, Beate Münch, Maike Arndt, Dorothee Heidrich (Entwurfs-/Projektteam)

Bauherr Sanierung
Immofinanz Deutschland GmbH
Köln, DE

Tragwerksplanung
HIG Hempel Ingenieure GmbH
Köln, DE

Fertigstellung
2016

Fotografie
Marcus Schwier
ogando
Immofinanz
ksg
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