Das neue Rückgrat

Fast mittig sitzt das alte, aus der Jahrhundertwende stammende Schulhaus auf dem Grundstück im Zentrum von Stuttgarts Stadtteil Mühlhausen. Eine Erweiterung um neue Klassen-, Kurs- und Betreuungsräume, die den Charakter des alten Hauses als Solitär belassen möchte, muss notgedrungen an den Rand des Grundstücks ausweichen – Schürmann + Schürmann Architekten lagerten sie in Form eines lang gestreckten Neubaus an der Nordseite an, so dass noch Platz für einen Schulhof bleibt, der durch den Versatz des Neubaus leicht zoniert wird.

Das weiße, als Addition von Kuben konzipiertes, in unspektakulärer moderner Architektursprache realisiertes Gebäude nimmt das leicht ansteigende Gelände auf; die Raffinesse zeigt sich erst beim genaueren Hinsehen. Ein teilweise auskragendes Obergeschoss bietet einen kleinen, mit einer Bank ausgestatteten, überdachten Hofbereich, von dem aus das Gebäude betreten wird. Die angrenzenden Flur vor den Neben- und Sanitärräumen ist ganzflächig verglast, die Auskragung ist gleichzeitig Sonnenschutz wie Übergangszone zwischen Innen und Außen. Eine Dachterrasse, von außen zugänglich, erweitert und differenziert das Freiraumangebot zusätzlich.

Den genauen Blick lohnt aber vor allem das in der Erschließungsachse des Altbaus angeordnete Treppenhaus, das bei aller Sparsamkeit der räumlichen Ausdehnung großzügig gestaltet wurde. Mit einem zweigeschossigen Luftraum neben dem Eingang, versetzten Zugängen zu den Gebäudeflügeln, großzügiger Verglasung und eingezogenem Erdgeschossbereich ist scheinbar von leichter Hand dieser wichtige Raum der Verbindung zwischen den Gebäudeteilen, zwischen Alt und Neu, dem Innen und dem Außen funktional wie räumlich vorzüglich bewältigt. In vergleichbarer Mischung aus Sorgfalt und Bescheidenheit sind Materialwahl und -einsatz: Holz, Sichtbeton, Glas, Glasbausteine und Stahl prägen durch ihre Eigenfarben, lediglich der Fußboden in den Klassenbereichen und die Sanitärnischen sind farblich akzentuiert. Dagegen wurde viel Wert darauf gelegt, dass mit viel Glas ein durchlässiges Gebäude entsteht, um das Miteinander zu fördern, das Gemeinschaftliche zu betonen. Das gilt auch im Außenraum: Mit dem Neubau hat das Schulgelände nun einen Rückgrat, der den Außenraum fasst, ohne dessen Offenheit aufzuheben.
Christian Holl