Werkmannhaus

Der moderne Rucksack des Herrn Werkmann

1. Juni 2011

Werkmannhaus
Schutzhütte des Deutschen Alpenvereins
Sektion Schwaben, Bad-Urach
2011

72574 Bad Urach-Sirchingen

Auftraggeber
Sektion Schwaben des DAV
Stuttgart

Architektur
mori:projects
Stuttgart

Projektleitung
Mark Philipps

Tragwerksplanung
Wilhelm Hablitzel
Stuttgart

Holzbau
Roth Bedachungen Zimmermann
Ludwigsburg

Energie
Georg Kast

Bruttogeschossfläche
47 m² (Anbau)
162 m² (Bestand)

Baukosten
225.000 € (KG 300 + 400) netto

Fotografie
Peter Thiede

Verdeckt vom alten Werkmannhaus und versteckt zwischen den Bäumen muss man schon genau hinschauen, um den modern gestalteten Anbau überhaupt zu entdecken. Auf den Sheds sind insgesamt 15 Quadratmeter Flachkollektoren installiert

Nördlich der 1.100-Seelen-Gemeinde Sirchingen, im Herzen der Schwäbischen Alb unweit von Bad Urach gelegen, bewirtschaftet die Sektion Schwaben des Deutschen Alpenvereins (DAV) das Werkmannhaus, benannt nach ihrem Sektionsmitglied Karl Werkmann. Der erste Hüttenwart nahm 1957 seinen Dienst auf, nachdem das Haus im Jahr zuvor – überwiegend durch das Engagement der damaligen Jugendgruppe – nach rund 8.000 ehrenamtlich geleisteten Arbeitsstunden fertig gestellt werden konnte. Bis 2010 hat die von einem Architekten geplante Selbstversorgerhütte seine Gestalt nahezu unverändert beibehalten, weshalb das teilunterkellerte Gebäude in Ausstattung, Technik und Komfort längst nicht mehr heutigen Ansprüchen genügte. Den vielen Jugendgruppen, die das Haus vorzugsweise als Selbstversorger für Freizeiten nutzten, fehlte es an ausreichenden und zeitgemäßen Waschräumen, und ihre Gruppenleiter beklagten den fehlenden Rückzugsbereich zur Arbeitsvorbereitung mit separatem Schlafplatz. Zudem entsprachen weder die über einen Flüssiggastank gespeiste Heizungsanlage noch die verlustreiche Erwärmung des Trinkwarmwassers den ökologischen Vorstellungen des Alpenvereins, die heute natürlich von ganz anderen Prioritäten geprägt sind, als vor 50 Jahren. Jeder, der die Verhältnisse vor Ort kannte, wusste: es war höchste Zeit für eine Modernisierung.

Hinter dem Eckfenster verbirgt sich das Leiterzimmer mit zwei Schlafplätzen und kleiner Schreibecke

Schnell war auch klar, dass es zudem eines kleinen Anbaus bedurfte, um die fehlenden Räumlichkeiten unterzubringen. Das beauftragte Architektenduo Claudia Wald und Mark Phillips, deren Stuttgarter Büro mori:projects viel Erfahrung mit Sanierungen und Holzbauweise hat, war sich schnell mit der Sektion Schwaben des DAV einig: Die Eingriffe in das traditionelle Werkmannhaus sollten sich vorwiegend auf die Innenausstattung und die Technik beschränken; der Anbau durfte sich nicht in den Vordergrund drängen und sollte den ökologischen Grundsätze des Alpenvereins genügen.

Die Bodenplatte, auf dem die Holzständerwände des Anbaus montiert sind, schwebt rund einen halben Meter über dem Waldboden. So konnte das Versiegeln der Fläche durch die Erweiterung in Grenzen gehalten werden.

Selbst die neue, solar unterstützte Heizungsanlage bedient sich aus dieser CO2-neutralen Ressource: Gemeinsam mit der Kraft der Sonne erwärmt der Pelletofen das Trinkwarmwasser in dem 1.000 Liter fassenden Hygienespeicher, in dem über Wärmetauscher das gerade nicht benötigte Warmwasser stets zur Grundtemperierung das Hauses genutzt wird. Zwar ist der Anbau nach heutigen EnEV-Anforderungen sehr gut gedämmt, jedoch liegt der Endenergiebedarf des gesamten Ensembles mit 217 kWh/(m2a) aufgrund der schlechten Gebäudehülle des Werkmannhauses und wegen des ungünstigen A/V-Verhältnisses (1,57) weit über den Werten, die mit einer Totalsanierung zu erreichen gewesen wären. Aufgrund der nur zeitweisen Belegung war es jedoch nie ein Ansinnen des Alpenvereins, die Selbstversorgerhütte in ein Passivhaus zu verwandeln, da dies einfach barer Unsinn gewesen wäre. Viel wichtiger war das Halten einer niedrigen Grundtemperatur mit möglichst viel regenerativem Energieeinsatz, damit eintreffende Gruppen kein ausgekühltes Haus vorfinden.

Auch im Innenraum des Anbaus dominiert der Baustoff Holz – die Farbe der Innentüren verrät die dahinter liegende Raumfunktion.

Das Ergebnis spricht für sich: Selbstbewusst in seiner Formensprache, aber keineswegs aufdringlich dockt der auf einer Betonplatte schwebende Anbau an die Rückseite des Werkmannhauses an. Die darauf aufgesetzte Holzkonstruktion aus beidseitig beplankten und mit Holzwolle ausgedämmten Ständerwänden schließt nach oben mit einer Massivholzdecke in Sichtoptik ab. Die mit offenen Fugen gestaltete Holzfassade aus unbehandelter Sibirischer Lärche umschließt den gesamten Holzanbau und geht von der Fassade nahtlos in die Dachfläche über. Holz außen und innen, wohin man sieht: Holzfenster, Holztüren, Holzzargen, Holzfensterbänke dokumentieren das klare Bekenntnis zu nachwachsenden Rohstoffen und damit die Selbstverpflichtung zur Nachhaltigkeit.

Hell, freundlich und ohne Firlefanz: der Wasch- und Duschraum.

Die neuen Dusch- und Waschräume sowie das neue Leiterzimmer im Anbau sind wie der Innenraum der sanierten Hütte bewusst schlicht und zweckmäßig gestaltet. Sehr zurückhaltend zeigen sich auch die Eingriffe beim Mobiliar und dem Küchentrakt – ganz so, als wolle man im Werkmannhaus nun wieder für die nächsten 50 Jahre Ruhe haben, mit der Bauerei.
Klaus Siegele

Sensibel aufgehübscht und mit Farbtupfern versehen: Aufenthaltsraum und Küche im nahezu unveränderten Werkmannhaus.
Grundriss
Schnitt

Werkmannhaus
Schutzhütte des Deutschen Alpenvereins
Sektion Schwaben, Bad-Urach
2011

72574 Bad Urach-Sirchingen

Auftraggeber
Sektion Schwaben des DAV
Stuttgart

Architektur
mori:projects
Stuttgart

Projektleitung
Mark Philipps

Tragwerksplanung
Wilhelm Hablitzel
Stuttgart

Holzbau
Roth Bedachungen Zimmermann
Ludwigsburg

Energie
Georg Kast

Bruttogeschossfläche
47 m² (Anbau)
162 m² (Bestand)

Baukosten
225.000 € (KG 300 + 400) netto

Fotografie
Peter Thiede