Disco-Annex Essen

Kultort

3. Juli 2013

Hotel Shanghai
Elektronik Musik Klub e.K.
2013

Steeler Straße 33
45127 Essen

Bauherr
Kay Shanghai

Architekt
Dratz&Dratz Architekten
Oberhausen

Projektleiter
Dan & Ben Dratz

Mitarbeiter
Ivo Hartmann
Anna Rüdel

Bruttogeschossfläche
35 m²

Fotografie
Tomas Riehle

Zwischen der imposanten, baugeschichtlich komplexen Alten Synagoge und der Diskothek – Nachkriegsarchitektur – gelegen, entstand ein Pausen- und Raucherraum für die dezibelgeplagten Besucher.

Auch die Essener Stadtmitte ist ein Schlachtfeld der Verkehrsplaner: Vor der Alten Synagoge (Baujahr 1913), an der Steeler Straße, kreuzen sich sechs- und achtstreifige Fahrspuren; als Fußgänger weilt man hier freiwillig keine Sekunde zu lang. Hinter der Synagoge aber, als Anbau aus neuerer Zeit, liegt eine traditionsreiche Diskothek, „Sigis Kalei“, wo – so heißt es – in den frühen 1960er Jahren zum ersten Mal in NRW Schallplatten aufgelegt worden sind: eine Wiege der DJ-Kultur.

Die Außenwand der Diskothek wird immer mal wieder umgestaltet. Links hinter den alten  Glasbausteinen entstand die Ruhe- und Raucherzone.

Zwischen Synagoge und Diskothek klaffte früher eine Tiefgaragenzufahrt. An der Disko fuhren noble Karossen vor, Türsteher kontrollierten die Klientel des „Clubs“. Weil die Tiefgarage inzwischen anders erschlossen ist, bot sich vor kurzem die Gelegenheit, die „Lücke“ der Einfahrt mit einem kleinen Raum für jene zu schließen, die dem Diskolärm ein Weilchen entkommen möchten – oder sich ein Zigarettchen gönnen wollen. Die Baubürokratie fordert es so. Im Hauptraum der Diskothek darf nicht mehr geraucht werden.

Hier darf man kein Hotel vermuten. Der Inhaber (Kay Löber alias Kay Shanghai) stammt aus Shanghai und benannte seine Disko als Reminiszenz an seinen Geburtsort „Hotel Shanghai“. An die Stirnseite lassen sich auch Filme projizieren.

Der Patina der alten Betonwände links und rechts konnten auch Kärcher-Geräte nichts anhaben. Zwischen diese Schotten schoben die Architekten eine Stufenkaskade aus Phenolharzplatten, zum Sitzen und zum Hinabgehen zum kleinen Bartresen. Eine Lüftungsanlage war nachzurüsten und die Wand zur Straße hin zu schließen. Dafür fanden sich abenteuerliche Glasbausteine aus den 1970er Jahren: Recycling auf originellem Niveau oder Arbeit mit Spolien, die unter anderem bei ebay in zwei Auktionen ersteigert wurden. Und, weil die Zeit drängte, aus Nürnberg in letzter Minute herbeigeschafft wurden. Sie markieren den neuen Ort, der  auch unabhängig von der Diskothek als kleines Kino oder Ähnliches genutzt werden kann, im öffentlichen Raum. Die gesamte Fassade ziert derzeit ein „Wandgemälde“ von Tom Linnenbank.

Der Blick von der Bar aufwärts zum Eingang.

So harmlos diese kleine Architekturintervention scheint, so sehr darf man sie als vorbildlich für den Umgang mit dem Vorhandenen bezeichnen. Mit homöopathischen Mitteln gelang es hier, einen kulturgeschichtsträchtigen Ort zu sichern. Hier, abseits eines Innenstadtgebietes, in dem ökonomischer Druck meistens alles zunichte macht, was nicht niet- und nagelfest ist, kann eine Alltags- und Rockkultur bewahrt werden, die zur Identität jüngerer Generationen zählt. Jünger? 55 oder 60 sind die ersten Discoqueens und -kings auch schon. Eintritt für Nachtschwärmer an Wochenenden ab 23 Uhr.
Ursula Baus

So sah sie aus, die abgebaute Tiefgaragenzufahrt.
Grundriss
Schnitt
Schnittmodell

Hotel Shanghai
Elektronik Musik Klub e.K.
2013

Steeler Straße 33
45127 Essen

Bauherr
Kay Shanghai

Architekt
Dratz&Dratz Architekten
Oberhausen

Projektleiter
Dan & Ben Dratz

Mitarbeiter
Ivo Hartmann
Anna Rüdel

Bruttogeschossfläche
35 m²

Fotografie
Tomas Riehle