Grundbau und Siedler

Mach‘s doch selbst

11. September 2013

Grundbau und Siedler
2013

Am Inselpark 11
21109 Hamburg

Bauherr
Projektgesellschaft Grundbau und Siedler GmbH
und Co KG
Hamburg

Architekten
BeL – Sozietät für Architektur BDA
Anne-Julchen Bernhardt und Jörg Leeser
Köln

Projektleitung
Christiane Schmidt, Wolfgang Zeh

Mitarbeiter
Leonard Wertgen, Frédéric Schnee

Tragwerksplanung
Ingenierbüro Jürgen Bernhardt
Köln

Haustechnik
energie und technik
Sittensen

Schallschutz
Lärmkontor GmbH
Hamburg

Außenanlagen
Haubrich Freiräume – Garten- und Landschaftsarchitektur
Hamburg

Bruttogeschossfläche
1.600 m²

Baukosten
710 € / m² BGF, als Siedlerpaket
zuzüglich Eigenleistung (KG 200-500)
nach DIN 276

Fotografie
Götz Wrage
Hamburg

Noch sprüht der Charme der Aneignung nicht – das wird sich in ein paar Jahren sicher anders darstellen.

Unter den Bauten der IBA Hamburg, von denen wir an dieser Stelle bereits einige vorgestellt haben, sticht dieser in gewisser Hinsicht heraus. Wie kaum ein anderer ist er von der Bereitschaft getragen, ein Risiko einzugehen – also genau das zu tun, was man von Architektur im Rahmen einer IBA erwarten kann. Kurz gefasst ist „Grundbau und Siedler“ – im Wettbewerb 2009 zu den „Smart Price Houses“ hatte sich das Konzept durchgesetzt – das auf den fünfgeschossigen Wohnungsbau angewendete und um die Selbstbaukomponente erweiterte Domino-Konzept von Le Corbusier. Unter den Bedingungen der Bundesrepublik Deutschland von heute! Das Grundgerüst (der Grundbau) ist ein Stahlskelettbau aus Decken und wenigen Stützen, mit  einem Erschließungskern und Installationsschächten. Der Käufer (der Siedler) erwirbt eine Parzelle für eine Wohnung sowie das Material zum Ausbau. Den muss er dann selbst leisten. Ein Gerüst ist nicht notwendig, eine umlaufende Arbeitszone erfüllt diesen Zweck, sie wird später Balkon sein. Der Siedler kann über den Grundriss selbst entscheiden und spart Geld, 25 Prozent, so die Architekten. Außerdem schaffe man so eine besondere emotionale Bindung: „Selbst bauen macht stolz“. Gerade darin unterscheidet sich dieses Projekt vom Gros der in ambitionierten Architektenkreisen vertretenen Meinung, in der es als Qualität gilt, die Entscheidungshoheit des Architekten soweit wie nur irgend möglich auszudehnen: auf Möbel, Türgriffe und Klingelknöpfe. Dass stilistisch einheitlich eingerichtete Räume „das darin wohnende Individuum sozusagen von sich selbst“ ausschließen, wusste schon Georg Simmel – in diesem Sinne wird dem Siedler hier ein Spielraum der Freiheit zugestanden, der sonst nur noch in Einfamilienhausgebieten und Laubenkolonien anzutreffen ist und gern bespottet wird.

Das Erdgeschoss ist für Lager, Werkstätten vorgesehen und auch als Parkplatz nutzbar.

Zwölf Parzellen sind es in Hamburg beim Prototypen des Konzepts, das die Architekten auch in anderen Städten verwirklichen möchten. Der Architekt ist hier ein Organisator – ein detailliertes Handbuch erklärt, welche Arbeitsschritte selbst ausgeführt werden können und wo ein Spezialist zumindest die Abnahme leisten muss. In der Planungsphase müssen Architekten dafür Sorge tragen, dass die Grundrisswünsche der verschiedenen Bauherren aufeinander abgestimmt werden, vom Bauträger wird eine höhere Flexibilität erwartet, um den unterschiedlichen Möglichkeiten und Ansprüchen der Siedler gerecht werden zu können und sie tatsächlich individuell zu betreuen. Die Siedler selbst können sich je nach Fähigkeit gegenseitig unterstützen. Die energetischen Nachweise muss gleichwohl jede Einheit für sich selbst erbringen.

Zwei Grundrisstypen haben sich als besonders attraktiv erwiesen – einer davon ist durch offene Gemeinschaftsräume mit ergänzenden Individualzonen charakterisiert.

Zwei Grundrisstypen haben sich in Wilhelmsburg als bevorzugt erwiesen, zum einen ein System nutzungsneutraler Räume ohne Flure, das Flexibilität durch die Nutzungsänderung und nicht den Umbau gewährt, und zum anderen der Typ, der offene Gemeinschaftsräume und Individualzonen mischt.

Varianten – wie man sich ein „Grundbau und Siedler“-Haus noch vorstellen kann.

Freilich ist die Idee der Architekten nicht ganz frei von einer ästhetischen Leitvorstellung, die den Siedlungsbauten von Gecekondos und Favelas entlehnt ist. Gemessen daran ist das Ergebnis, wie es derzeit in Hamburg zu sehen ist, mit wenigen unterschiedlichen einfarbigen Flächen, noch etwas steif und bemüht. Aber das wird sich in ein paar Jahren geändert haben, denn diese Architektur ist keine, die zu einem bestimmten Zeitpunkt den Höhepunkt ihrer ästhetischen Qualitäten erreicht, um dann durch den Nutzer wieder entwertet zu werden. Kurz: Das Gebäude ist nie fertig. Das Selberbauen als Qualität zu verstehen, müssen wir, das muss man sich wohl eingestehen, erst wieder lernen.
Christian Holl

Der Grundbau – ab diesem Stadium entscheidet der Siedler.
Grundriss EG
Die Abfolge nutzungsneutraler Räume – eine der beiden bevorzugten Grundrissvarianten...
... – und die andere: offene Gemeinschaftsräume und Individualzonen.
Schnitt
Eine Seite aus dem Handbuch, das die Arbeitsschritte für den Selbstbau erläutert.

Grundbau und Siedler
2013

Am Inselpark 11
21109 Hamburg

Bauherr
Projektgesellschaft Grundbau und Siedler GmbH
und Co KG
Hamburg

Architekten
BeL – Sozietät für Architektur BDA
Anne-Julchen Bernhardt und Jörg Leeser
Köln

Projektleitung
Christiane Schmidt, Wolfgang Zeh

Mitarbeiter
Leonard Wertgen, Frédéric Schnee

Tragwerksplanung
Ingenierbüro Jürgen Bernhardt
Köln

Haustechnik
energie und technik
Sittensen

Schallschutz
Lärmkontor GmbH
Hamburg

Außenanlagen
Haubrich Freiräume – Garten- und Landschaftsarchitektur
Hamburg

Bruttogeschossfläche
1.600 m²

Baukosten
710 € / m² BGF, als Siedlerpaket
zuzüglich Eigenleistung (KG 200-500)
nach DIN 276

Fotografie
Götz Wrage
Hamburg