Das Hochhaus als vertikales Dorf
querkraft architekten haben beim Wiener Nordbahnhof ein Wohnhochhaus gebaut. Gerd Erhartt erklärt, wie verschiedene Gemeinschaftsangebote vom Boulderraum über eine Bibliothek bis hin zum Malatelier die Bewohnenden zusammenbringen.
Herr Erhartt, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Entwirft man ein Wohnhochhaus, besteht die größte Herausforderung wohl darin, trotz der enormen Anzahl an Wohnungen und Menschen doch eine soziale Gemeinschaft zu ermöglichen und zu fördern. Aus diesem Grund ist das Hochhaus mit einem großzügigen Angebot an Gemeinschaftsräumen ausgestattet, die über alle Geschosse verteilt sind und sich jeweils gleich bei der vertikalen Erschließung befinden.
Das Besondere am Stadtentwicklungsgebiet beim Nordbahnhof ist die städtebauliche Konzeption von StudioVlayStreeruwitz. Die Intention war, die Großzügigkeit des Bahnareals zu erhalten. Die Baumassen wurden an den Rändern konzentriert, damit eine freie Mitte entstehen kann. Beim von uns gestalteten Hochpunkt innerhalb der Bebauung haben wir versucht, durch eine horizontale Schichtung die große Baumasse in erfassbare, überschaubare Einheiten zu gliedern und damit einen menschlichen Maßstab zu behalten.
Das Projekt wurde in seiner Konzeption nicht verändert. Die einzige Anpassung in der Nutzung betrifft die Zäsurgeschosse: Ursprünglich waren diese als multifunktionale Ebenen geplant, eine größere Raumhöhe sollte andere Nutzungen ermöglichen, zum Beispiel Arbeiten. Doch ausgeführt wurden sie als Wohngeschosse. Unsere Idee eines funktionsdurchmischten Gebäudes widersprach der Verwertungslogik und der Rechtsform des Eigentums: Büro- oder Praxisräume werden gemietet und nur in den seltensten Fällen gekauft.
Bei diesem Projekt haben wir versucht, viele Überlegungen und Erfahrungen von vorherigen Wohnhochhäusern weiterzudenken und weiterzuentwickeln. Es ging uns darum, das Hochhaus als vertikales Dorf zu begreifen, soziale Interaktion auf allen Ebenen zu ermöglichen und Gemeinschaft zu fördern. Soweit wir es verfolgen können, hat sich schon nach kurzer Zeit eine sehr aktive Hausgemeinschaft gebildet, die gemeinschaftliche Aktivitäten organisiert – vom Tischtennisturnier über Malworkshops bis hin zu Lesezirkeln.
Eine wesentliche Rolle spielte die Kombination von festen Begrünungselementen und Pflanztrögen, die den Bewohnenden individuelle Gestaltungsmöglichkeiten geben und zur Fassadenbegrünung beitragen. Außerdem verleiht das durchdachte Farbkonzept von Ingo Nussbaumer den Innenräumen eine einladende und lebendige Atmosphäre.
Wohnhochhaus Taborama
Standort
Am Tabor 23, 1020 Wien
Nutzung
Wohnbau
Auftragsart
Geladener Wettbewerb
Bauherrschaft
Strabag
Architektur
querkraft architekten gmbh, Wien
Bauleitung
Strabag
Fertigstellung
2023
Auszeichnung
German Design Award 2025
Fotos
Christina Häusler