Vom Bauernhaus zum Bildungsbau
Wolfurts »Schwöschtorohus« ist über 300 Jahre alt. Immer wieder wurde das Rheintalhaus umgebaut, um es zu erhalten und weiter zu nutzen. Reinhard Weber berichtet, wie querschnitt architekten in dem Baudenkmal eine Kleinkindbetreuung eingerichtet haben.
Herr Weber, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Die Marktgemeinde Wolfurt verpflichtete sich schon 1921, das um 1700 erbaute Bauernhaus in ihrem Ortszentrum zu erhalten, das einst die Wohnstätte der Schulschwestern war. Seitdem hat das Gebäude beeindruckende Transformationen erfahren, die den 300 Jahre alten Bau bewahren und gleichzeitig neue Nutzungsmöglichkeiten schaffen. Nach dem Umbau des Stadels 1991 durch Helmut Dietrich und Much Untertrifaller zu einem Kindergarten wurde 2002 das Haupthaus saniert, das bis 2014 als Spielzeug- und Puppenmuseum diente. 2015 wurden die Räumlichkeiten nach einem Konzept von uns zu einem Ordinationsgebäude umgebaut. 2023 erweiterten wir das Raumangebot dieses historischen Holzhauses für die Kleinkindbetreuung und machten das Baudenkmal zu einem zeitgemäßen Ort der Bildung.
Der Umbau für die Kleinkindbetreuung erforderte eine Erweiterung des Raumangebots über drei Geschosse. Die Einbauten und Umbauten zielen darauf ab, das gesamte Haus ganztägig für Kleinkinder zugänglich und bespielbar zu machen. Dabei stehen Transparenz sowie die Schaffung von Rückzugs- und Ruhebereichen im Mittelpunkt. Diese räumliche Gestaltung ermöglicht es den Kleinkindern, in selbstinitiierten und selbstgesteuerten Situationen begleitet zu werden. Die transparente Raumstruktur und die Materialisierung unterstreichen nicht nur das pädagogische Konzept, sondern auch die respektvolle Weiterentwicklung des historischen Bestands.
Das klassische Rheintalhaus zeichnet sich durch ein gemauertes Erdgeschoss, eine geschindelte Fassade, ein ausladendes Vordach und paarweise angeordnete Fenster aus. Diese ortstypische, identitätsstiftende Typologie konnte in ihrer Volumetrie und Fassadenausbildung trotz des erhöhten Raumbedarfs und der Notwendigkeit zusätzlicher Fenster bewahrt werden. Diese neuen Fenster wurden geschickt hinter der Fassade platziert, sodass sie von außen kaum wahrnehmbar sind. Der Erhalt der Kastenfenster wurde durch eine speziell entwickelte Drehbegrenzung gesichert, die sowohl für die Sicherheit der Kinder als auch für den notwendigen Luftaustausch sorgt.
Um ein altes Rheintalhaus erfolgreich zu erhalten, bedarf es Toleranz, Zusammenarbeit und Verständnis aller Beteiligten, kreativer Lösungen und, wo nötig, Ausnahmegenehmigungen. Schon früh in der Konzeptphase haben wir den Dialog mit den Verantwortlichen und Beteiligten gesucht, was eine zielgerichtete und offene Zusammenarbeit ermöglichte. Nur so lässt sich das Wesen des Bestands bewahren und die Substanz erhalten. Bei einer Raumhöhe von 1.9 bis 2 Metern sind natürlich nicht alle Möglichkeiten gegeben. Für die Funktion der Kleinkindbetreuung jedoch empfanden wir diese Gegebenheiten als optimal, da die Dimensionen perfekt maßstäblich sind.
Für die sich über die Jahrzehnte verändernden Anforderungen an das Gebäude ist eine robuste Substanz unerlässlich, die kontinuierlich wachsen, sich anpassen und neuen Nutzungen dienen kann. Die Verwendung natürlicher Materialien erfolgte möglichst sortenrein – von der Tragstruktur über die Einbauten bis hin zur losen Möblierung. Was derzeit nicht genutzt wird, kann bleiben: Manche alten Elemente wie der Ofen oder die Rauchkammer im Dachgeschoss bleiben erhalten, auch wenn sie nicht mehr in Gebrauch sind.
2023
Kirchstraße 45
6922 Wolfurt, Vorarlberg, Österreich
Nutzung
Kinderhaus mit Kleinkindbetreuung
Auftragsart
Direktauftrag
Bauherrschaft
Marktgemeinde Wolfurt
Architektur
querschnitt architekten zt gmbh, Wolfurt
Reinhard Weber und Simone Burtscher
Fachplaner
Statik: Gaisberger ZT GmbH, Dornbirn
Ausführende Firmen
Tischler: Tischlerei Florian Rist, Kennelbach
Holzbau: Steurer Holzbau, Buch
Metalltechnik: Gerola, Langenegg
Gebäudenutzflächen
Dorf Nest: 245 m²
KIGA Dorf: 260 m²
Mehrzweckräume: 105 m²
Fotos
Philipp Salzgeber