Vom Ein- zum Zweifamilienhaus

MWArchitekten | 23. Mai 2025
Blick in die neu gestalteten Wohnräume unter dem Dach. Architekten und Bauherrschaft war es der Umwelt zuliebe und für ein gesundes Raumklima wichtig, unbehandeltes Holz einzusetzen. (Foto: © Dominic Kummer)
Herr Mähr, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Bei diesem Projekt ging es darum, ein Ein- zum Zweifamilienhaus umzubauen – auch um zu zeigen, wie Österreichs Einfamilienhaussiedlungen nachträglich verdichtet werden könnten. Weil sich die Bauherrschaft ein für kommende Generationen nachhaltiges Objekt wünschte, lag es nahe, nicht nur umweltfreundlich zu bauen und Vorhandenes zu erhalten, sondern auch die bauliche Dichte zu erhöhen.

Möbel, Fenster und Innenausbau sind aus heimischer Esche und lokaler Weißtanne gefertigt. (Foto: © Dominic Kummer)
Der Wohnbereich ist mit Einbaumöbeln gestaltet. Materialwahl und ein zusätzliches Dachfenster sorgen für angenehm helle Räume. (Foto: © Dominik Kummer)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Die Intention war, unter maximalem Erhalt der Bausubstanz des Familienbesitzes Platz für zwei Familien zu schaffen. Dabei wurde der Bestand aus den 1960er-Jahren thermisch saniert und um ein offenes Treppenhaus erweitert. Zusätzlich haben wir das Dachgeschoss ausgebaut. Ein Abriss kam aus ökologischer, aber auch aus emotionaler Sicht nicht in Betracht. Das Haus hat eine Familiengeschichte. Auch sollte sein ursprünglicher Charakter trotz der nun höheren Dichte erhalten bleiben. 

Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?


Das Haus liegt in einem typischen Siedlungsgebiet mit geringer baulicher Dichte, das aus selbstreferenziellen Einfamilienhäusern besteht. Nicht in jedem Umfeld ist es möglich, mehrgeschossigen Wohnungsbau zu errichten. Oft verhindern kleine Grundstücke eine höhere Dichte. Das Projekt positioniert sich zwischen den Typologien und vereint dabei eine höhere Dichte und das Wohnen mit Garten ums Haus.

Auch nach dem Umbau hat die Straßenfassade den Charakter eines traditionellen Siedlungshauses behalten. Gleichzeitig sorgen die Holzkonstruktion und die nach außen verlegte Erschließung sowie die Außensitzbereiche für Leichtigkeit. (Foto: © Dominic Kummer)
Die Gebäudeecken wurden mit einer offenen Schalung verkleidet, sodass ein halbgeschützter Außenbereich entstanden ist. (Foto: © Dominic Kummer)
Welche besonderen Anforderungen wurden gestellt und wie trugen Sie diesen Rechnung?


Neben der Verdichtung sollte das Haus mit ökologischen Materialien gebaut werden. Auch sollte es seine umweltfreundliche Bauweise mit einer Holzfassade nach außen zeigen. Die Sanierung der Gebäudehülle und die Erhöhung des Dachgeschosses führten zu einer neuen Interpretation der Fassade. Der ursprüngliche Charakter der Putzfassade mit ihren kleinen Öffnungen wurde dem Wunsch der Bauherrschaft entsprechend in Holz weiterentwickelt.

Das vorhandene Treppenhaus war bei der neuen Konfiguration als Doppelhaus nicht mehr nutzbar, so wurde ein neues Erschließungssystem außen angebaut. (Foto: © Dominic Kummer)
Die neue Treppenanlage bietet dem oberen Stockwerk einen großzügigen Aufenthaltsbereich. Auf dem Halbgeschoss lädt eine integrierte Bank zum Verweilen und Plaudern ein. Aktuell bewohnen zwei Schwestern mit Familien das Haus. (Foto: © Dominic Kummer)
Inwiefern haben die Bauherrschaft oder die späteren Nutzenden den Entwurf beeinflusst?


Es gab viele Diskussionen über die Gratwanderung zwischen »Verkitschung« und »modernem Erscheinungsbild«. Beide Wohnungen sollten einen Bezug zum Garten und zum Außenraum bekommen. Ausschlaggebend für die Qualität des oberen Stockwerkes war die neue Erschließung, die nach außen verlegt wurde. 

Inwiefern haben Sie die Kreislauffähigkeit des Projekts mitgedacht?


Wir haben nach Möglichkeit auf Holzverbundwerkstoffe verzichtet und die Hölzer unbehandelt verbaut.

Die Konstruktionsweise ist einfach: Alle Holzbauteile sind mit Schwalbenschwanzverbindungen gefügt. (Foto: Dominic Kummer)
In einem Nebengebäude können Autos und Fahrräder abgestellt werden. (Foto: © Dominic Kummer)
Warum haben Sie sich für die eingesetzten Materialien entschieden?


Die Entscheidung für unbehandelte Hölzer fiel aus ökologischen Gründen. Zellulose-Dämmung haben wir aufgrund der höheren Dichte und der Umwelt zuliebe eingebaut. Für mehr Nachhaltigkeit sorgt außerdem eine Wärmepumpe, die die alte Ölheizung ersetzt.

Die Fassade wurde in bester Handarbeit von lokalen Unternehmen mit Schindeln aus Weißtanne eingekleidet. (Foto: © Dominic Kummer)
Fensterladen mit typischem Detail (Foto: © Dominic Kummer)
Inwiefern beschäftigten Sie sich im Büro mit der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit?


Ökologische und soziale Nachhaltigkeit sind für uns ein großes Thema. Wir haben festgelegt, dass all unsere Projekte umwelt- und menschenfreundlich sein sollen. Der Begriff Nachhaltigkeit wird zurzeit sehr viel und gerne verwendet, doch es gibt keine griffige Definition. Wir sprechen darum lieber von ressourcenschonendem Bauen. Je nach Projekt bedeutet das, umweltschonende Baumaterialien zu verwenden, materialgerecht zu konstruieren, Vorhandenes um- oder weiterzubauen, zu verdichten, aber auch präzise und schöne Architektur zu machen. 

Wir sanieren und erhalten grundsätzlich Bauten, die wertgeschätzt werden. Außerdem ist für uns selbstverständlich, dass unsere Projekte zu einem späteren Zeitpunkt andere Nutzungsszenarien zulassen. Die wohl besten Beispiele dafür sind unser Generationenhaus mit Blick und die Umgestaltung eines Ökonomieteils zum Wohnhaus in Wolfurt sowie die Nachverdichtung im Alten Quartier unterhalb der Burgruine Alt-Ems. Diese Umbauten sind teilbar und lassen sich leicht umnutzen. Die dafür nötigen Leitungen sind vorbereitet, und die entsprechenden Räume haben wir bereits vorgedacht.

Situation (© MWArchitekten)
Grundriss Erdgeschoss (© MWArchitekten)
Grundriss 1. Obergeschoss (© MWArchitekten)
Querschnitt (© MWArchitekten)
Längsschnitt (© MWArchitekten)
Vom Ein- zum Zweifamilienhaus
2023
6800 Gisingen, Feldkirch, Vorarlberg, Österreich
 
Nutzung
Wohnhaus
 
Vergabe
Direktauftrag
 
Bauherrschaft
Privat
 
Architektur
MWArchitekten, Hohenems
Lukas Peter Mähr (Projektleitung), Robert Gentner und Tobias Moritz
 
Fachplaner
Bauphysik: Bauphysik Weithas, Lauterach | Daniela Helbock
Statik: FS Project, Lustenau | Martin Fetz
 
Bauleitung
FS Project, Lustenau | Martin Fetz
 
Ausführende Firmen
Baumeister: Bader-Bau, Mäder
Sonnenschutz: Blank, Lustenau
Holzbau: Dr Holzbauer, Andelsbuch
Innentüren: Tischlerei Walch, Bludenz
Elektro: Phitsanu-Elektro, Frastanz
Installateur: Bechter Best, Lustenau
Fenster: Isele Fensterbau, Lustenau
Tischler: Tischlerei Künzler, Bizau
 
Hersteller
Ausstattung Küche: Miele, Gütersloh, Deutschland
Leuchten: Bolichwerke, Östringen, Deutschland
Dachfenster: Velux, Hørsholm, Dänemark 
 
Energiestandard 
Von G auf B (siehe Energieausweis)
 
Fotos
Dominic Kummer

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