Zeit des Erwachens
Lange stand das Klösterle in Imst leer. Das Team von STUDIO LOIS sanierte die mittelalterliche Klosteranlage in der Oberstadt als Pflegeheim mit betreutem Wohnen. Barbara Poberschnigg berichtet, wie das Baudenkmal von unschönen Anbauten befreit und mit einem Neubau ergänzt wurde.
Frau Poberschnigg, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Wie viele historische Objekte im Ortskern von Imst stand auch das Klösterle jahrzehntelang leer. Das aufgelassene Kloster in unmittelbarer Nachbarschaft eines Pflegezentrums bot jedoch großes Potenzial zur Belebung der brachliegenden Innenstadt.
2006 war mit der Eröffnung des Pflegeheims ein kleiner Lebensquell in die Straße zurückgekehrt. Mit dem Grundbesitzer und Baurechtsgeber, einer Ordensgemeinschaft, wurden in einem komplexen und langen Dialogprozess Nutzungsmöglichkeiten für die angrenzende grüne Wiese und das benachbarte leerstehende Kloster gefunden. Für die Ordensgemeinschaft und uns war eine Lösung ohne weiteren Flächenverbrauch und unter Weiterverwendung der Bestandssubstanz des alten Klosters essenziell.
Mit dem Klösterle haben wir ein für uns schmerzhaft verbautes und leerstehendes Bestandsgebäude mitten im Zentrum der Oberstadt vorgefunden. Der grundsätzliche Ansatz bestand darin, das historische Gebäude von den vielen Überlagerungen des 20. Jahrhunderts zu befreien und die ursprünglichen Strukturen wieder sichtbar zu machen. Der angrenzende Neubau soll mit seiner Klarheit im Einklang mit dem historischen Solitärbau stehen – ein unaufgeregtes, aber wertiges Einfügen in die gebaute Nachbarschaft.
Der Ursprungsteil des Klösterle ist ein spätromanischer Kernbau aus dem 14. Jahrhundert, dem ein gotischer Zu- und Aufbau hinzugefügt wurde. In der Renaissance war das Kloster ausgebaut worden, auch im Barock erfolgte eine Erweiterung. Die Erweiterungsbauten aus dem 19. Jahrhundert und die neuzeitlichen Wirtschaftsgebäude wurden im Dialog mit dem Denkmalamt abgebrochen, sodass ein kleines Baufeld zwischen altem Kloster und bestehendem Pflegezentrum entstand. Auf diesem haben wir einen Neubau als dezenten Nachbar an das zum Solitär bereinigte Baudenkmal angeschlossen. Alt- und Neu bilden mit einer 55 Meter langen Straßenfassade einen markanten Punkt an der Pfarrgasse.
Den ursprünglichen Charakter der Klosteranlage wieder klar sichtbar zu machen und neu eine sozial-gesellschaftliche Bedeutung für den historischen Altbestand zu stiften, war mitunter die schwierigste Herausforderung für uns.
Unsere Auftraggeber und der Betreiber der Sozialeinrichtung waren für uns immer eine große Unterstützung. Der Entwurf wurde in seinen programmatischen Ansprüchen sehr von der Bauherrschaft mitgeprägt, da seit dem Projektbeginn im Jahr 2015 viel Know-how in der Alltagsgestaltung von älteren und vor allem pflegebedürftigen Menschen entstanden ist.
Ein Baubeginn kurz nach der Corona-Pandemie und zeitgleich mit dem Ukrainekrieg hat aus einem geplanten Holz-Neubau aus ökonomischen Gründen ein Sichtbetonbauwerk entstehen lassen. Und Bauen im denkmalgeschützten Altbestand ist ein wenig wie »Ostern das ganze Jahr über«: Das Ablösen von Schichten oder Öffnen von Bauteilen fördert immer wieder neue Überraschungen zutage, auf die es geschickt und mit angemessener Sensibilität zu reagieren gilt.
Absolut selbstverständlich. Unser Portfolio ist breit und bunt gefächert. Der Umgang mit dem Bestand gehört zu unserem gelebten Architektenalltag und das Bauen im denkmalgeschützten Bestand ist ein wertvoller Teil davon.
Der Umgang mit historischer Bausubstanz prägt all diese Entscheidungen. Primäres Ziel für den Neu- wie auch den Altbau war bei allem zu zeigen, was es ist. Die konstruktive Logik des Neubaus ist im Sichtbetonmauerwerk gut ablesbar. Heimische Materialien wie Lärche und Fichte sind traditionell verankert in der Baukultur des Tiroler Oberlandes, und im Bestand fanden wir die Materialien Stein, Holz und Metall vor, mit denen wir weitergebaut haben. Energetisch wurde selbstverständlich Geothermie und Photovoltaik verwendet.
Ich kann hier kein Produkt oder Material besonders hervorheben. Die Qualität des Gebäudes wird sehr vom Einsatz und Können der Handwerker geprägt. Der tägliche Umgang miteinander auf der Baustelle, die Zusammenarbeit und gegenseitige Wertschätzung, aber auch voneinander zu lernen und gemeinsame Lösungen zu entwickeln, trägt entscheidend zum Gelingen eines Projektes bei.
2024
Pfarrgasse 12
6460 Imst, Tirol, Österreich
Nutzung
Soziale Nutzung mit Pflegeheim, betreutem Wohnen und Tagespflege
Auftragsart
EU-weit offener Generalplanerwettbewerb, 1. Preis
Bauherrschaft
Gemeindeverband Wohn-Pflegeheim Imst und Umgebung
Architektur
STUDIO LOIS Architektur, Innsbruck
DI DWI Barbara Poberschnigg, DI Carolin Hellrigl und DI Paul Rossi
Fachplaner
Tragwerksplanung: DIBRAL, Natters
HSL + E Planung: A3, Innsbruck
Bauphysik: Fiby ZT GmbH, Innsbruck
Geotechnik: Geotechnikteam, Innsbruck
Brandschutz: IBS, Innsbruck
Bauleitung
RS Planbau, Landeck
Ausführende Firmen
Baumeister und Zimmermann: AT Thurner Bau, Imst, HSL Stolz, Imst und Oppacher, Fügen
Elektriker: Elektro Fiegl + Spielberger, Innsbruck
Fenster: Fenster Kapo, Pöllau bei Hartberg und Fa. Pardeller, Innsbruck
Sonnenschutz: Ennemoser, Innsbruck
Wandverkleidung und Decken aus Holz: Fa. HTB, Imst
Trockenbau: Zebisch, Imst
Tischlerarbeiten: Fa. Kuen, Innsbruck, Fa. Lenhard, Zams, Fa. Krismer, Fiss und Fa. Posch, Imst
Holzböden: Fa. Gitterle Landeck
Auszeichnung
Tiroler Landespreis »Neues Bauen in Tirol« 2024, Preisträger
Piranesi Award 2024, Nominierung
Bauherr:innenpreis der Zentralvereinigung der Architekten 2024, Nominierung
Fotos
David Schreyer