Zeit des Erwachens

STUDIO LOIS Architektur | 7. Februar 2025
Das historische Klösterle und der Neubau in der Pfarrgasse prägen die Nachbarschaft im Zentrum von Imst im Tiroler Oberland. (Foto: © David Schreyer)
Frau Poberschnigg, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Wie viele historische Objekte im Ortskern von Imst stand auch das Klösterle jahrzehntelang leer. Das aufgelassene Kloster in unmittelbarer Nachbarschaft eines Pflegezentrums bot jedoch großes Potenzial zur Belebung der brachliegenden Innenstadt.

2006 war mit der Eröffnung des Pflegeheims ein kleiner Lebensquell in die Straße zurückgekehrt. Mit dem Grundbesitzer und Baurechtsgeber, einer Ordensgemeinschaft, wurden in einem komplexen und langen Dialogprozess Nutzungsmöglichkeiten für die angrenzende grüne Wiese und das benachbarte leerstehende Kloster gefunden. Für die Ordensgemeinschaft und uns war eine Lösung ohne weiteren Flächenverbrauch und unter Weiterverwendung der Bestandssubstanz des alten Klosters essenziell.

Die Fassadengestaltung des Neubaus ist eine architektonische Reaktion auf die historische Fassadenentwicklung des Bestands. (Foto: © David Schreyer)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Mit dem Klösterle haben wir ein für uns schmerzhaft verbautes und leerstehendes Bestandsgebäude mitten im Zentrum der Oberstadt vorgefunden. Der grundsätzliche Ansatz bestand darin, das historische Gebäude von den vielen Überlagerungen des 20. Jahrhunderts zu befreien und die ursprünglichen Strukturen wieder sichtbar zu machen. Der angrenzende Neubau soll mit seiner Klarheit im Einklang mit dem historischen Solitärbau stehen – ein unaufgeregtes, aber wertiges Einfügen in die gebaute Nachbarschaft.

Blick in die Wohnstube des Pflegebereichs (Foto: © David Schreyer)
An der gemeinsamen Erschließungsachse im Inneren sind Veränderungen des Altbaus als begehbare Museumswand und Zeitzeugen ablesbar. (Foto: © David Schreyer)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Der Ursprungsteil des Klösterle ist ein spätromanischer Kernbau aus dem 14. Jahrhundert, dem ein gotischer Zu- und Aufbau hinzugefügt wurde. In der Renaissance war das Kloster ausgebaut worden, auch im Barock erfolgte eine Erweiterung. Die Erweiterungsbauten aus dem 19. Jahrhundert und die neuzeitlichen Wirtschaftsgebäude wurden im Dialog mit dem Denkmalamt abgebrochen, sodass ein kleines Baufeld zwischen altem Kloster und bestehendem Pflegezentrum entstand. Auf diesem haben wir einen Neubau als dezenten Nachbar an das zum Solitär bereinigte Baudenkmal angeschlossen. Alt- und Neu bilden mit einer 55 Meter langen Straßenfassade einen markanten Punkt an der Pfarrgasse. 

Den ursprünglichen Charakter der Klosteranlage wieder klar sichtbar zu machen und neu eine sozial-gesellschaftliche Bedeutung für den historischen Altbestand zu stiften, war mitunter die schwierigste Herausforderung für uns. 

Inwiefern haben Bauherrschaft oder Nutzende den Entwurf beeinflusst?


Unsere Auftraggeber und der Betreiber der Sozialeinrichtung waren für uns immer eine große Unterstützung. Der Entwurf wurde in seinen programmatischen Ansprüchen sehr von der Bauherrschaft mitgeprägt, da seit dem Projektbeginn im Jahr 2015 viel Know-how in der Alltagsgestaltung von älteren und vor allem pflegebedürftigen Menschen entstanden ist.

Betreutes Wohnen im Baudenkmal (Foto: © David Schreyer)
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Ein Baubeginn kurz nach der Corona-Pandemie und zeitgleich mit dem Ukrainekrieg hat aus einem geplanten Holz-Neubau aus ökonomischen Gründen ein Sichtbetonbauwerk entstehen lassen. Und Bauen im denkmalgeschützten Altbestand ist ein wenig wie »Ostern das ganze Jahr über«: Das Ablösen von Schichten oder Öffnen von Bauteilen fördert immer wieder neue Überraschungen zutage, auf die es geschickt und mit angemessener Sensibilität zu reagieren gilt. 

Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten Ihres Büros ein?


Absolut selbstverständlich. Unser Portfolio ist breit und bunt gefächert. Der Umgang mit dem Bestand gehört zu unserem gelebten Architektenalltag und das Bauen im denkmalgeschützten Bestand ist ein wertvoller Teil davon.

Der Neubau hat einen kleinen Fußabdruck, damit einer der wichtigsten innerstädtischen Grünräume in Imst erhalten bleibt. (Foto: © David Schreyer)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Der Umgang mit historischer Bausubstanz prägt all diese Entscheidungen. Primäres Ziel für den Neu- wie auch den Altbau war bei allem zu zeigen, was es ist. Die konstruktive Logik des Neubaus ist im Sichtbetonmauerwerk gut ablesbar. Heimische Materialien wie Lärche und Fichte sind traditionell verankert in der Baukultur des Tiroler Oberlandes, und im Bestand fanden wir die Materialien Stein, Holz und Metall vor, mit denen wir weitergebaut haben. Energetisch wurde selbstverständlich Geothermie und Photovoltaik verwendet.

Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Ich kann hier kein Produkt oder Material besonders hervorheben. Die Qualität des Gebäudes wird sehr vom Einsatz und Können der Handwerker geprägt. Der tägliche Umgang miteinander auf der Baustelle, die Zusammenarbeit und gegenseitige Wertschätzung, aber auch voneinander zu lernen und gemeinsame Lösungen zu entwickeln, trägt entscheidend zum Gelingen eines Projektes bei.

Lageplan (© STUDIO LOIS Architektur)
Grundriss Erdgeschoss (© STUDIO LOIS Architektur)
Grundriss 1. Obergeschoss (© STUDIO LOIS Architektur)
Grundriss 2. Obergeschoss (© STUDIO LOIS Architektur)
Grundriss 3. Obergeschoss (© STUDIO LOIS Architektur)
Schnitt (© STUDIO LOIS Architektur)
Zeit des Erwachens – Klösterle Imst
2024
Pfarrgasse 12
6460 Imst, Tirol, Österreich
 
Nutzung
Soziale Nutzung mit Pflegeheim, betreutem Wohnen und Tagespflege
 
Auftragsart
EU-weit offener Generalplanerwettbewerb, 1. Preis
 
Bauherrschaft 
Gemeindeverband Wohn-Pflegeheim Imst und Umgebung
 
Architektur
STUDIO LOIS Architektur, Innsbruck
DI DWI Barbara Poberschnigg, DI Carolin Hellrigl und DI Paul Rossi
 
Fachplaner 
Tragwerksplanung: DIBRAL, Natters
HSL + E Planung: A3, Innsbruck
Bauphysik: Fiby ZT GmbH, Innsbruck
Geotechnik: Geotechnikteam, Innsbruck
Brandschutz: IBS, Innsbruck
 
Bauleitung
RS Planbau, Landeck
 
Ausführende Firmen
Baumeister und Zimmermann: AT Thurner Bau, Imst, HSL Stolz, Imst und Oppacher, Fügen
Elektriker: Elektro Fiegl + Spielberger, Innsbruck
Fenster: Fenster Kapo, Pöllau bei Hartberg und Fa. Pardeller, Innsbruck
Sonnenschutz: Ennemoser, Innsbruck
Wandverkleidung und Decken aus Holz: Fa. HTB, Imst
Trockenbau: Zebisch, Imst
Tischlerarbeiten: Fa. Kuen, Innsbruck, Fa. Lenhard, Zams, Fa. Krismer, Fiss und Fa. Posch, Imst
Holzböden: Fa. Gitterle Landeck
 
Auszeichnung
Tiroler Landespreis »Neues Bauen in Tirol« 2024, Preisträger 
Piranesi Award 2024, Nominierung
Bauherr:innenpreis der Zentralvereinigung der Architekten 2024, Nominierung
 
Fotos
David Schreyer

Vorgestelltes Projekt 

ATP architekten ingenieure

Vienna Green Hub

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