Bildstrecke: Zwischen amtlichen Projekten und privaten Wunschträumen
Dieter Bankert: Vogelschau auf das Berliner Stadtzentrum, 1976, Tusche und Deckweiß auf Transparentpapier, 42 × 59 Zentimeter (Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung, Erkner)
Das Bauen war in der DDR zentral gesteuert, Standardisierung und Sparmaßnahmen prägten den Arbeitsalltag vieler Architektinnen und Architekten. Doch in ihrer Freizeit ersannen sie fantasievolle Entwürfe. Jetzt zeigt die Tchoban-Galerie die erträumte Baugeschichte der DDR.
Das Fach Freihandzeichnen wurde an den Architekturschulen der DDR intensiv gepflegt. Viele in Weimar, Dresden und Berlin ausgebildete Architektinnen und Architekten waren hervorragende Zeichner. Oft griffen sie auch in ihrer Freizeit zu Kreide, Stift und Pinsel – um sich vom Stress, aber auch der Banalität des Büroalltags zu erholen. Denn in der DDR ließen ernüchternd technisierte Bauprozesse, Standardisierung und Sparmaßnahmen nur selten Raum für Kreativität. Fantasievolles und Visionäres entstand dagegen zu Hause. Mitunter waren die fantastischen Bildwelten ostdeutscher Architekten auch Ausdruck utopischer Hoffnungen und stiller Kritik an der Diktatur.
Noch bis zum 7. September widmet sich die Berliner Tchoban Foundation diesem verborgenen und bisher kaum gewürdigten Teil der DDR-Architekturgeschichte. – Und das mit einer spannenden Ausstellungsidee: Die privaten Zeichenblätter der Architekten werden in »Pläne und Träume – Gezeichnet in der DDR« ihren Auftragsarbeiten gegenübergestellt. Die Kuratoren Schau, der Historiker Kai Drewes und der Architekturkritiker und Publizist Wolfgang Kil, eröffnen so eine neue Perspektive auf die Architekturszene der DDR, die Vorurteile aufbricht.
Gezeigt werden über 140 Architekturzeichnungen, von denen die meisten aus der Sammlung des Leibniz-Instituts für Raumbezogene Sozialforschung in Erkner stammen. Die folgenden Arbeiten geben einen Vorgeschmack auf die eindrucksvolle Bildwelt in der Tchoban-Galerie.
Michael Kny: Sächsisches Babel, 1981, Tusche auf Papier, 27.5 × 34 Zentimeter (© Michael Kny)
Hans-Dietrich Wellner: Leipzig, Sachsenplatz, 1968, Tusche auf Transparentpapier, 35 × 53 Zentimeter (Stadtarchiv Leipzig, 0069 BCA Pläne Nr. 3018)
Heinz Auspurg: Leipzig, Bürohochhaus in der Leninstraße (heute Prager Straße), 1960er-Jahre, Zeichenkohle auf Transparentpapier, 44.5 × 66.5 Zentimeter (Stadtarchiv Leipzig, 0069 BCA Pläne Nr. 4073)
Werner Rösler: Berlin, Palast der Republik, Foyer Erdgeschoss, 1974, Wachskreide auf Transparentpapier, 80 × 157 Zentimeter (Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung, Erkner)
Christian Schädlich: Quedlinburg, Portal am Rathaus, 1957, Tusche, laviert auf Papier, 42.5 × 29 Zentimeter (Bauhaus-Universität Weimar, Archiv der Moderne, N/62/65/34)
Wolfgang Wähnelt: Magdeburg, Blick über die Elbe nach Buckau, 1986, Tusche auf Papier, 21 × 30 Zentimeter (© Wolfgang Wähnelt)
Alfred Pretzsch: Weimar, Kirms-Krackow-Haus, Hofansicht, 1974, Bleistift, laviert auf Zeichenkarton, 41 × 30 cm (Stadtmuseum Weimar)
Hans-Dietrich Wellner: Burg Querfurt, Fürstenhaus, 1986, Filzstift und Aquarell auf Zeichenkarton, 32 × 24 Zentimeter (© Hans-Dietrich Wellner)
Rainer Ilg: Rom, Forum Romanum, 1970–1976, Tusche auf Zeichenpapier, 30 × 21 Zentimeter (© Rainer Ilg)
Michael Voll: Operative Beratung, 1975, Bleistift auf Zeichenkarton, 59 × 42 Zentimeter (© Michael Voll)
Leopold Wiel, Entwurfskollektiv Wiel mit Klaus Wever und der Grafikerin Angela Waltz: Dresden, Wettbewerb Kulturpalast, 1960, Tusche und Deckweiß auf Farbkarton, 60 × 80 Zentimeter (Stiftung Sächsischer Architekten, Stadtarchiv Dresden, 12.10.1 Nachlass Leopold Wiel, Nr. 240, 1960/61)
Peter und Ute Baumbach: Gera, Skizze für den Wettbewerb Stadtzentrum, 1967/68, Bleistift auf Transparentpapier, 56 × 96 Zentimeter (Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung, Erkner)
Herbert Schneider: Dresden, Innenstadt-Wettbewerb für den Altmarkt, Perspektive mit Hochhaus, 1952, Bleistift auf Transparentpapier, 49 × 40 Zentimeter (Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, Nachlass H. Schneider, Mappe 16, 69a/4)