Mehr Grün statt Grau

Elias Baumgarten | 4. April 2025
Gemeinsam mit Anwohnerinnen und Anwohnern gestalteten Mitglieder des Vereins Bodenfreiheit eine vormals als Baustellenstraße genutzte Fläche in Lustenau zum Obstgarten um. (Foto: © Verein Bodenfreiheit)

»Der Natur etwas zurückzugeben und nicht immer nur zu nehmen, ist sehr erfüllend und liegt uns am Herzen«, sagt Christine Murer. Mit ihrer Familie hat die Schweizerin einen Parkplatz in der Solothurner Gemeinde Hubersdorf in einen Naturgarten verwandelt: Ein Bagger riss die 500 Quadratmeter große Asphaltfläche auf, und die Murers legten einen Teich an, pflanzten heimische Gehölze und richteten mehrere Kleinbiotope ein. Im Nu kehrte Leben zurück: Wo früher Autos parkten, schwirren jetzt Insekten umher und zwitschern Vögel. Auch Amphibien und Reptilien haben den neuen Grünraum mittlerweile in Beschlag genommen. Für ihre Initiative wurde die Familie Murer nun mit dem Ground:breaker Award ausgezeichnet. Der Umweltpreis wird von der Internationalen Alpenschutzkommission, kurz CIPRA, verliehen. Dem Netzwerk gehören über 100 Vereine aus sieben Ländern an. Insgesamt hatten Gemeinden und Vereine, aber auch Privatpersonen und Unternehmen aus dem ganzen Alpenraum 45 Renaturierungsprojekte eingereicht. Gefördert wurde der Wettbewerb vom deutschen Umweltministerium.

Die Familie Murer machte aus einem Parkplatz in der Schweizer Gemeinde Hubersdorf einen Naturgarten mit Teich und einheimischen Pflanzen. Viele Insekten, die eine wichtige Nahrungsquelle für Kleintiere sind, finden dort ideale Lebensbedingungen. Für das Projekt gewannen die Murers den Ground:breaker Award. (Foto: © Christine Murer)

Den zweiten Preis vergab die Fachjury an den Vorarlberger Verein Bodenfreiheit. Die über 600 engagierten Mitglieder wehren sich mit verschiedenen Aktionen gegen die Versiegelung kostbaren Grünlands – ein großes Problem auch in Vorarlberg, insbesondere entlang des Rheins. Sie unterstützen zum Beispiel Bauern, die ihre Grundstücke nicht als Bauland verkaufen wollen, oder unterrichten in Workshops an Schulen. In Lochau hat die Gruppe ein Grundstück gekauft, um zu verhindern, dass es bebaut wird. Für Bauarbeiten nebenan war auf der 635 Quadratmeter großen Fläche eine Baustellenstraße angelegt worden. Um den Boden wieder zu lockern, pflanzten Anwohnerinnen und Anwohner zusammen mit Vereinsmitgliedern zunächst Kartoffeln an. Anschließend wurden heimische Obstbäume gesetzt, deren Früchte alle ernten dürfen. »Der Boden kann wieder mehr Wasser aufnehmen und ableiten«, freut sich Kerstin Riedmann, die Geschäftsführerin des Vereins. Das Projekt ist also auch ein wertvoller Beitrag zum Hochwasserschutz. Das ist wichtig, weil häufiger Starkregen im ganzen Alpenraum eine große Gefahr darstellt. Das verdeutlichten die großen Erdrutsche und Überschwemmungen im Süden der Schweiz, aber auch die Hochwasserkatastrophe in Österreich vergangenes Jahr auf tragische Weise.

Der einstige Busbahnhof von Bruneck in Südtirol ist einer Parkanlage mit heimischen Pflanzen und Stauden gewichen. (Foto: © Stadtgemeinde Bruneck)

Rang drei schließlich ging nach Südtirol: Die Stadtgemeinde Bruneck gestaltete ihren früheren Busbahnhof zu einem Park um. 1800 Quadratmeter Asphalt wichen Spazierwegen, Trinkbrunnen, Bäumen und einer pflanzenbewachsenen Pergola. Einheimische Pflanzen und Stauden bieten einen wertvollen Lebensraum für Kleintiere und Insekten. Die Menschen konnten sich in einer Arbeitsgruppe an der Planung beteiligen. Der zentrumsnahe Erholungsort verbessert das Stadtklima. Johanna Schmiedhofer Ganthaler, Brunecks Stadträtin für Umwelt und Nachhaltigkeit, wünscht sich, dass das Projekt zum Vorbild wird: »Mit der extensiven Bepflanzung schaffen wir mehr Sensibilität für die Biodiversität in der Stadt. Ich hoffe, dass es künftig in Bruneck auch in privaten Grünanlagen mehr Mut zur Natürlichkeit gibt.«

Zersiedelung, Übertourismus und Verkehr, aber auch die Klimaerwärmung bedrohen die sensiblen Naturlandschaften und Ökosysteme der Alpen: Ferienhäuser fressen wertvolles Grünland, Touristen verursachen endlose Staus, Skipisten zerstören Bergwiesen, und Motorräder und Sportwagen lärmen über die Pässe. Durch die steigenden Temperaturen geschädigte Wälder können die Berghänge schlechter zurückhalten, und die schnelle Gletscherschmelze führt zu Austrocknung. Auch Unwetter häufen sich, obgleich sie den Alpenraum freilich schon immer heimgesucht haben. Da machen die drei Renaturierungsprojekte Hoffnung. Großartig wäre, wenn die Familie Murer, der Verein Bodenfreiheit und die Stadt Bruneck bald Nachahmer fänden.

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