Soziales Miteinander im Alter

Katinka Corts | 21. Februar 2025
Die neue Fassade des wiederaufgebauten Paulihauses ist ein Gewinn: Heute ist das Bauwerk nicht mehr mit Eternit-Platten verkleidet, sondern in ein Kleid aus Holzschindeln gehüllt, die bereits auf der Rückseite gewählt worden waren. (Foto: © Maria Ritsch)

Das vermeintlich alte Paulihaus an der Schweizerstraße ist ein fast originalgetreuer Neubau. Seinen Erhalt – beziehungsweise nun seinen Wiederaufbau – hatte die frühere Besitzerin des Areals zur Bedingung für einen Teilverkauf des Geländes an die Vorarlberger Gemeinde Altach gemacht. Gegenüber der Kirche gelegen, ist das rekonstruierte Gebäude jetzt der Auftakt für ein Ensemble, zu dem auch ein dahinter liegender Neubau mit Alterswohnungen der Gemeinde, ein seitlich angefügter Neubau mit frei vermieteten Wohnungen sowie eine verbindende Tiefgarage gehören.

Notwendig wurde der große Neubau mit 21 Wohnungen, weil es dem Sozialzentrum Altach an zentral gelegenen altersgerechten Wohnungen fehlte. In einem Entwicklungsplan hatte die Stadt Flächen untersucht, die sich für den Aufbau eines Alterszentrums dieser Art anbieten würden. Schließlich begann sie Verhandlungen mit der Eigentümerin der Liegenschaft an der Schweizerstraße. Architekt Wolfgang Ritsch wurde zunächst mit der Nachjustierung des Entwicklungsplans betraut, der für alle Baufelder Bauvolumen und Baulinien vorgab, und setzte im Anschluss das Gesamtkonzept um. 

Doch wie sollte es gelingen, an diesem ehemals sehr freien und grünen Ort die hohe gewünschte Dichte so einzufüllen, dass das Paulihaus weiterhin ein wesentlicher Teil des Straßenbildes bleiben würde? Ritsch war sich des symbolischen Charakters des Altbaus bewusst: Hier befanden sich früher ein beliebter Lebensmittelladen und die Post. Um die Atmosphäre des Ortes zu bewahren, schoben die Planer den Neubau als eine Art schmale Klammer zwischen das wiederaufzubauende Paulihaus und das denkmalgeschützte Nachbargebäude. Farblich nimmt sich der Neubau zurück, denn seine mit dunklen und witterungsbeständig lasierten vertikalen Holzlamellen verkleidete Fassade lässt den Fokus auf dem Vorderhaus. 

Ungleiche Nachbarn: Hinter dem Betreuten Wohnen schließt der privat vermietete Wohnbau an. (Foto: © Maria Ritsch)
Jeder Wohnung ist eine Terrasse oder ein kleiner Balkon vorgelagert. (Foto: © Maria Ritsch)

Vom Vorplatz gelangt man hinter dem Vorderhaus zum Empfangsbereich, an dem sich auch das Büro der Hausleitung befindet. Er ist Anlaufstelle für Besucher, Bewohnerinnen und Bewohner sowie der Zugang zur im Paulihaus integrierten Pflegestation. Zugleich schafft diese eine Grenze zu den geschützt liegenden Wohnbereichen, die im Erdgeschoss jeweils in Richtung Garten orientiert sind. Ihre großzügige Ausstattung verdanken sie einem Workshop, den die Planungsbeteiligten durchgeführt haben, wie Wolfgang Ritsch vor Ort erzählt: »Zunächst sollten die Wohnungen viel reduzierter ausgestattet werden. Doch dann fragten wir uns ehrlich, was wir uns selber für das Wohnen im Alter wünschen würden.« Dieser Blick auf das Projekt änderte vieles, die Küchen in den Wohnungen sind nun voll ausgestattet, es gibt je eine Waschmaschine sowie ein separates Schlafzimmer mit Schiebetür und ein Bad.

Während den Wohnungen im Erdgeschoss kleine Terrassen vorgelagert sind, haben jene in den beiden Obergeschossen jeweils Balkone vor den Privaträumen. Zwischen den Wohntrakten lockern Gemeinschaftsflächen das Bild optisch auf und bieten Raum für gemeinsame Aktivitäten wie Spiel-, Bastel- und Singnachmittage oder das gemeinsame Kochen. Die Türen der Gemeinschaftsräume können dabei umgeschlagen werden, sodass auch für große Anlässe genügend Platz ist. »Uns war es wichtig, dass wir keine monotone Abfolge von Wohnungstüren schaffen, sondern vielmehr eine Verzahnung mit dem Außenraum erreichen«, erklärt Ritsch. Das gelingt, indem Aus- und Durchblicke in die Umgebung jederzeit die Orientierung ermöglichen. Die Materialisierung trägt ihren Teil dazu bei: Helles Fichtenholz und weiß gestrichene Wände geben den Räumen eine zugleich elegante wie freundliche Atmosphäre. Und auch die Möblierung der allgemeinen Flächen wurde so gewählt, dass der wohnliche Charakter des Hauses allerorts deutlich spürbar ist.

Vorgelagerte Terrasse für die Bewohnerinnen und Bewohner im ersten Obergeschoss (Foto: © Maria Ritsch)
Der großzügige Gemeinschaftsbereich bietet Platz für Aktivitäten und Feste. (Foto: © Maria Ritsch)

Im angegliederten Pflegebereich im Erdgeschoss des Paulihauses gibt es neben den Räumlichkeiten des Krankenpflegevereins auch einen praktischen Arzt. Wer im Sozialzentrum zu Hause ist, kann dank dieser Kombination auf direktem Weg Unterstützung erhalten und bei Bedarf bis zu einem definierten Grad Betreuungsleistungen erhalten, ohne in eine Pflegeeinrichtung umziehen zu müssen.

Das benachbarte Haus, in dem die Wohnungen frei vermietet werden, hebt sich vom Sozialzentrum deutlich ab. Zwar wählten die Architekten auch dort eine ähnliche Kubatur und eine hölzerne Lamellenfassade, diese ist jedoch hell gehalten und in den Details verändert. Die Grundrisse sind großzügiger gestaltet, um alle Altersgruppen anzusprechen und auch Familienwohnen zu ermöglichen. Ältere Menschen, die hier wohnen, können beim benachbarten Verein Pflegeleistungen buchen. 

Im Zusammenspiel ergänzen sich die drei Häuser gut und bilden ein vielfältiges und durchmischtes Ensemble. Als eine der am dichtesten besiedelten Gemeinden Vorarlbergs hat Altach mit dem Sozialzentrum auch für die Zukunft gebaut, denn die Einwohnerzahl steigt seit Jahren stark. Dass der Neubau zudem so geplant wurde, dass betagte Menschen sich wieder mehr ins städtische Leben integrieren können und nicht mehr sozial isoliert leben müssen, ist ein großer Gewinn für die Gemeinde und ein Vorbild für ähnliche Projekte.

Das neu gebaute Ensemble besteht aus dem vorderen Paulihaus, einem großen Anbau für Betreutes Wohnen und einem kleinen Nachbarbau mit Mietwohnungen. (Situation: © Wolfgang Ritsch Architekten) 
Im Erdgeschoss befinden sich nebst Empfang und Büro auch die Pflege und ein Teil der Wohnbereiche. (Grundriss Erdgeschoss: © Wolfgang Ritsch Architekten) 
In den beiden oberen Geschossen bieten Gemeinschaftsflächen Raum für gemeinsame Aktivitäten. (Grundriss 1. Obergeschoss: © Wolfgang Ritsch Architekten) 

Projektinformationen Betreutes Wohnen im Paulihaus
 
Standort
Altach, Vorarlberg, Österreich
 
Bauherrschaft
Gemeinde Altach mit Maria und Kurt Ebenhoch
 
Architektur
Wolfgang Ritsch Architekten, Dornbirn
 
Vergabe
Direktauftrag

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