Wahrnehmung und Öffentlichkeit

Autor:
Peter Petz
Veröffentlicht am
Jan. 11, 2011

bernd zimmermann_architekten gewinnen den Wettbewerb um eine Werkstatt für behinderte Menschen in Berlin. Bernd Zimmermann stellt sich unseren Fragen zum Wettbewerb.
Modell von Süd-Ost 
Welche Antworten gibt Ihr Entwurf auf die Frage, die der Wettbewerb stellt?
Der Wettbewerb sah vor einen Werkstattneubau für 60 Menschen mit Behinderung zu planen. In dem Gebäude sollen selbsterwirtschaftete ökologische Produkte aufbereitet und verkauft werden.

Für das Unternehmen Mosaik-Werkstätten sollte hier ein öffentlicher Bau entwickelt werden, der die breite Kompetenz der Firma im Bereich ökologischer Land- und Gartenbau an diesem Standort in Berlin etabliert.
Lageplan 
Wie haben Sie auf den Kontext reagiert?
Das Grundstück, auf dem der Werkstattneubau errichtet wird, befindet sich am Fürstenbrunner Weg in Berlin Charlottenburg und reiht sich nahtlos an die bestehenden Gärtnereianlagen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten an. Zukünftig wird das Grundstück als landwirtschaftliche Erwerbsfläche für die zu verkaufenden Produkte genutzt. Der Entwurf verfolgt somit das Ziel möglichst wenig der verfügbaren Anbauflächen zu versiegeln und die bestehende Infrastruktur sinnvoll mit einzugliedern.

Mit der Ausbildung des Baukörpers und der strukturierten Fassade macht die Werkstatt zur angrenzenden Stadtautobahn auf sich aufmerksam. Durch die Enbringung von Stadtfenstern im Grüngürtel zum Fürstenbrunner Weg stellt sich der Neubau den Passanten dar.

Der L-förmige Bau bildet zusammen mit dem bestehenden Gewächshaus einen geschützten Werkhof und öffnet sich gleichzeitig den Besuchern mit einer durchgängigen transparenten Fassade zum Vorplatz hin.
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?
Im Vordergrund stand ein gut funktionierendes Gebäude mit hoher Aufenthaltsqualität zu entwerfen, bei dem die Funktionsabläufe sinnvoll und praktisch miteinander verknüpft sind.

Die Grundlage dafür bildet bereits die Positionierung des Neubaus auf dem Gelände. Der Entwurf bindet sich an das bestehende Wegenetz an und sorgt damit auch dafür, dass die neu zu versiegelnde Baufläche so minimal wie möglich gehalten wird. Mit dem bereits vorhandenen Gewächshaus zoniert der winkelförmige Neubau zwei Bereiche; den geschützten Werkhof zum Gewächshaus und den öffentlichen Vorplatz mit dem Ladenzugang.

Wahrnehmung und Öffentlichkeit sind für ein Geschäft / Laden allzeit wichtige Parameter, denn als zukünftiger Anlaufpunkt und neues Zentrum der landwirtschaftlichen Mosaik-Werkstätten ist die Präsenz für die Öffentlichkeit sehr wichtig. Mit der Ausbildung des Baukörpers und den Stadtfenstern wird dieser Anforderung nachgekommen.
Ansichten Süd, Ost und Nord 
Wie organisieren Sie die Mosaik-Werkstätten?
Das Gebäude hat ein klar erkennbares Vorne und Hinten. Zum Vorplatz hin öffnet sich das Erdgeschoss. De freie Gebäudeecke, die vom Obergeschoss überdacht wird, markiert den Eingang neben dem sich der Verkaufsraum des Hoflandens auf der ganzen Länge zeigt.

Die offene Gestaltung des Werkstatt- und Verkaufraums schafft eine Durchlässigkeit und Transparenz bis hin zum Werkhof, zum Gewächshaus und verbindet so das Vorne und Hinten des Gebäudes. Der dadurch entstehende visuelle und direkte Kontakt dieser Bereiche macht ihn zusätzlich zum Interaktions- und Kommunikationsraum für Gäste und Angestellte.

Gefasst werden die Räume im Erdgeschoss von einer Funktionsschicht im Norden, in der Kühlräume, Ruheraum und das Büro des Werkstattleiters liegen, und dem Riegel im Süden, der Umkleiden und Sanitärräume beherbergt. Der Flur, der zur Erschließung des Riegels dient, ist zum Werkhof offen und macht einen direkten Zugang zu den Umkleiden nach getaner Arbeit möglich.

Über das von innen und außen separat begehbare Treppenhaus oder den Fahrstuhl gelangt man in ein kleines Foyer im Obergeschoss. Entlang des Flurs im südlichen Riegel reihen sich die Büros der Verwaltung, Nebenräume und der Schulungsraum an, der mit einem großzügigem Oberlicht ausgestattet ist.

Im vorderen Bereich des Obergeschosses liegen der Speisesaal und die Pausenfläche mit offener Teeküche. Beide Räume haben Zugang zur großzügigen Dachterrasse und sind durch ihre Zusammenschaltbarkeit vielfältig nutzbar.
Grundrisse 
Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?
Als Gebäude für den landwirtschaftlichen Gebrauch ist davon auszugehen, dass die verbauten Materialien sehr in Anspruch genommen werden. Deshalb wurden Materialien gewählt, die robust genug sind, um dies zu verkraften ohne dabei gestalterisch Schaden zu nehmen.

Die Werkstattanlage hat einen naturnahen Charakter, weswegen Holz sowohl als Material für die Konstruktion wie auch für die äußere Verkleidung gewählt wurde. Die aus Holzschindeln bestehende Fassade symbolisiert dabei den Frmennamen des zukünftigen Nutzers: Mosaik.

Der Eingangsbereich wird zusätzlich durch eine Wand aus Sichtbeton hervorgehoben, die Teil der Sichtbetonkonstruktion für Bereiche des Gebäudes mit erhöhten Brandschutzanforderungen ist.

Für die übrige Konstruktion werden einfache vorgefertigte Holzmassivbauteile verwendet, die im Inneren mit Sichtoberfläche ausgebildet werden. So ist kein weiterer Innenausbau notwendig. Holzakustikdeckenelemente, ebenfalls mit Sichtoberfläche, sorgen für den nötigen Schallschutz.

Als Fußbodenbelag wird im Erdgeschoss, in der Werkstatt und im Hofladen ein robuster geschliffener Estrich verwendet, im Obergeschoss ist Linoleumbelag vorgesehen.
Detail 
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Die Planung sieht eine voraussichtliche Fertigstellung des Gebäudes im Frühjahr / Sommer 2012 vor.
Stadtfenster 

Die gesamte Wettbewerbsdokumentation finden Sie in wa 01/2011
Werkstatt für behinderte Menschen, Berlin
Begrenzt offener Wettbewerb mit Bewerbungsverfahren

Jury
Arthur Numrich, Vors.
Dr. Jens Bäumer
Gunter Hotte
Beate Hückelheim-Kaune
Carola Schäfers


1. Preis
bernd zimmermann_architekten
Ludwigsburg

2. Preis
Lehrecke Ges. Von Architekten mbH
Berlin

3. Preis
Norbert Sachs Architekt
Berlin