Kristallisationspunkt

Autor:
Peter Petz | Podest
Veröffentlicht am
Jan. 18, 2012

Scheffler + Partner gewinnen den Wettbewerb 'Stadtteileingang Galluswarte' in Frankfurt am Main. Ernst Ulrich Scheffler stellt sich unseren Fragen zum Wettbewerb.
Perspektive Realisierungsteil, Konzeptskizze 
Welche Bedeutung hat der Wettbewerb für das Frankfurter Gallus-Viertel?
Die Frankfurter Stadtplanung konzentriert sich – zumindest in der öffentlichen Diskussion - zu oft auf den Innenstadtbereich. Umso wichtiger ist es, das planerische Augenmerk hin und wieder auf die Stadtteile zu lenken. Die Frankfurter identifizieren sich sehr stark mit ihren Stadtteilen. Hier wohnt man und hier spielt sich das eigentliche Leben ab.
Das Gallus-Viertel hat sich – begünstigt durch seine Lage zwischen den Bahngleisen – im auslaufenden 19. Jahrhundert zu einem wichtigen Industriestandort entwickelt. Damit verbunden war der Bau von Arbeitersiedlungen, in denen sich wiederum im Laufe der Jahre ein starker sozialer Zusammenhalt entwickelt hat. Der Bereich um die Galluswarte war immer ein Kristallisationspunkt des städtischen Lebens im Stadtteil. Um diese Funktion weiter auszubauen, ist das ganze Umfeld vor zehn Jahren in das Förderprogramm „Die Soziale Stadt“ aufgenommen worden.
Lageplan Realisierungsteil 
Worin lag die Herausforderung der Aufgabenstellung?
Über lange Jahre hindurch hatte die Verkehrsplanung immer den Vorrang bei städtebaulichen Entscheidungen. Dadurch ist der öffentliche Raum an vielen Stellen der Stadt zur Restfläche verkommen. Der Bereich um die Galluswarte macht hier keine Ausnahme. Durch den Bau von Abbiegespuren in dem – zugegebenermaßen hochbelasteten - Kreuzungsbereich und durch den ständigen Ausbau der beiden schienengebundenen Verkehrssysteme wurden die Fußgänger, die als Verkehrsteilnehmer bisher keine Lobby hatten, zunehmend an den Rand gedrängt. So ist die Warte zu einem unwirtlichen Ort auf einer Verkehrsinsel geworden. Andererseits besitzt sie als Baudenkmal eine hohe Identifikationskraft. Um sie herum liegen heute Läden, ein Hotel, Gaststätten und ein stark frequentiertes Ärztehaus. Diese wichtige Funktion als Unterzentrum galt es herauszuarbeiten. Zudem musste der öffentliche Raum für die Passanten zurückerobert werden. Darüber hinaus sollte das Umfeld der Warte der stadtgeschichtlichen Bedeutung entsprechend neu gestaltet werden.
Nutzungsvarianten, Grundriss Ideenteil 
Worin unterscheiden sich Ideen- und Realisierungsteil der Bauaufgabe?
Im Realisierungsteil werden Vorschläge für die Haltestellen, für alle Bodenbeläge und Oberflächen, für die Möblierung und für die Beleuchtung gemacht. Die Maßnahme ist insgesamt zu klein, um sie in mehrere Bauabschnitte zu unterteilen. Besonders das komplette Lichtkonzept muss gleich zu Beginn realisiert werden. Der Nachkriegsanbau der Warte wird im Realisierungsteil lediglich saniert. Unter Anderem wird die ehemalige Toilettenanlage zum Ausstellungsraum umgebaut und der Hof wird auf Kosten des zweiten Kiosks vergrößert.
Im Ideenteil wird der gesamte, in die Jahre gekommene Anbau zur Disposition gestellt und durch eine zeitgemäße Beton-/Glaskonstruktion ersetzt. Neben dem Kiosk erhält sie einen für Ausstellungen, Tagungen und Vorträge nutzbaren Raum, der sich zum Innenhof öffnet. Wenn sich ein Pächter findet, kann er auch zum Café ausgebaut werden.
Aufgehellte Untersicht der Bahnüberführung 
Welche Materialien, welches Beleuchtungskonzept schlagen Sie vor?
Alle Fußgängerbereiche und die Abbiegespuren erhalten einen durchlaufenden Belag aus hellen großformatigen Betonsteinen, die in unregelmäßigen Bahnen verlegt werden. Für die Bordsteine wird Granit vorgeschlagen. Parallel zu den Bordsteinen werden 50 cm breite Streifen aus dunklem Beton in das Pflaster eingelegt. Sie nehmen als „Mehrzweckstreifen“ Elemente der Straßenmöblierung und die Lichtstelen auf.
Die bestehenden Bäume bleiben erhalten. Ihre ausladenden Kronen bilden das einzige Stadtgrün an diesem Ort.
Zentraler Punkt des Lichtkonzeptes ist der Raum unter der Bahnüberführung. Es wird vorgeschlagen, die Flächen zwischen den Trägern hell zu streichen und auf den Flanschen Lichtbänder zu installieren, die auch tagsüber angeschaltet bleiben. Dadurch entsteht der Eindruck, als könne man durch die Träger hindurch „den Himmel sehen“. Gegenüber der hinterleuchteten Glasbausteinwand vor den geplanten öffentlichen Toiletten ist als Pendant eine zweite Lichtwand aus dem gleichen Material geplant.
Die Brückengeländer werden als rot leuchtende Bänder ausgebildet. Sie markieren dadurch auch nachts den Eingang in den Stadtteil, oder, in umgekehrter Richtung, das Tor zur Innenstadt.
Die Randzonen um die Warte werden durch Stelen beleuchtet, die nachts eine „Lichtallee“ bilden. Die Insel verbleibt dagegen in einer dunkleren Zone, so dass der angestrahlte Turm besser zur Geltung kommt.
Stadtmöblierung 
Wie geht’s weiter?
Im Frühjahr 2012 wird das mit dem Wettbewerb gekoppelte VOF-Verfahren durchgeführt. Danach soll mit der Planung begonnen werden. Die Umsetzung hat für die Stadt eine hohe Priorität.
Perspektive Ideenteil 

Die komplette Wettbewerbsdokumentation finden Sie in
wa 01/2012
Stadtteileingang Galluswarte, Frankfurt am Main
Begrenzt offener Wettbewerb mit Bewerbungsverfahren

Jury
Prof. Dr. Franz Pesch, Vors.
Dierk Hausmann
Stefan Jäckel
Claudia Meixner
Prof. Hinnerk Wehberg
Adelgard Weyell

1. Preis
Scheffler + Partner Architekten
Frankfurt am Main
Lichtpl.: Kress & Adams
Köln
L.Arch.: Bauer Landschaftsarchitekten
Karlsruhe

2. Preis
Landes & Partner
Frankfurt am Main

3. Preis
woernerundpartner
Frankfurt am Main
B.A.S. Büro für Architektur + Stadt
Frankfurt am Main