Umfeld und Identität

Autor:
Peter Petz | Podest
Veröffentlicht am
März 14, 2012

Klumpp + Klumpp Architekten gewinnen den Wettbewerb um die Pfarrkirche St. Paulus in Balingen-Frommern. Julia Klumpp stellt sich unseren Fragen zum Wettbewerb.
Platzbildung 
Welche Bedeutung hat der Wettbewerb für den Ort Frommern und die Kirche?
Jedes neue Gebäude gibt seinem direkten Umfeld Identität und formuliert einen Ort. Für Frommern und auch für die katholische Kirche ist der Neubau der St. Pauluskirche eine große Chance, öffentlichen Raum zu gestalten. Es soll keine Abgrenzung zwischen Stadt und Kirche stattfinden, sondern im Gegenteil eine Verwebung. Ich glaube, uns ist es ganz gut gelungen nach allen Seiten sinnvolle Durchwegungen anzubieten, mit starker Hinwendung zum frequentierten östlichen Ortsteil.
Wenn man von Osten kommt, sieht man direkt den Haupteingang der Kirche. Man kann über den Kirchplatz gehen und muß trotzdem nicht in die Kirche hineingehen. Die Kirche wird so zu einem selbstverständlichen Teil des Stadtbilds und es gibt wenig „Schwellen“.
Alter Glockenturm, Neue Kirche 
Wie haben Sie die Wettbewerbsaufgabe interpretiert?
Die Aufgabe lautete für uns so: wir machen eine Kirche, die einerseits einladen soll, sich öffnen soll, neugierig machen soll und trotzdem wollten wir verhindern, daß der Neubau wichtigtuerisch aus dem Stadtbild herausfällt. Das Gleiche galt für die architektonische Haltung: der Sakralraum sollte sich einerseits natürlich zur Stadt öffnen und trotzdem eine „Höhle“ sein, Geborgenheit und Schutz geben. Wir haben das durch die Zonierung und Dreischiffigkeit gemacht, die wie ein Filter zwischen außen und innen wirkt.
Lageplan 
Wie organisieren Sie den Kirchplatz und das Ensemble aus Gemeinhaus, Pfarrhaus und Kirche?
Der Kirchplatz ist ganz logisch entstanden. Gemeindehaus, Pfarrhaus und Kirche liegen mit all ihren Zugängen am Platz. Es gibt kurze und vor allem sinnfällige Wegeverbindungen. Durchwegungen des Stadtraums „streifen“ den Kirchplatz. Sie können von der Öffentlichkeit benutzt werden und trotzdem hat man nicht das Gefühl, die Leute gehen durch’s „Wohnzimmer“, weil alle Nutzungen ihr konzentriertes Innenleben haben. Mitten auf dem Platz steht der alte Kirchturm, der nach dem Brand übriggeblieben ist. Er ist wichtig und man darf ihm nicht seine Dominanz nehmen. Nur er hat das spitze Dach, steht selbstverständlich da und soll Identifikation und Erinnerung sein.
Erdgeschoss 
Wie können wir uns die Innenraumqualitäten und die Lichtführung vorstellen?
Eigentlich haben wir einen klassischen Kirchengrundriss mit einem Mittelschiff und Seitenschiffen, allerdings sind die niedrigen Seitenschiffe nur als Umgang und als Filterzone konzipiert. Man bekommt dadurch eine Distanz zum öffentlichen Platz und das Mittelschiff als Aufenthaltsfläche wird etwas Besonderes. Die gesamte Erdgeschosszone wird umlaufend verglast und diese Flächen werden künstlerisch ausgestaltet sein. Im Mittelschiff gibt es seitliche Lichtbänder, die die Seitenwände leicht mit Tageslicht fluten. Besonders wichtig ist uns das Oberlicht über der Altarfläche. Es ist als Analogie zum bestehenden Glockenturm entstanden und besteht aus diesen Eichestäben, die senkrecht stehen und das zenitale Licht filtern. Sie sind von außen sichtbar, weil sie weit über das Dach überstehen und von innen hängen sie wie ein großer Kronleuchter über den liturgischen Orten.
Längsschnitt 
Querschnitt 
Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?
Das äußere Erscheinungsbild wird sich in den hellen Kontext von Turm und Pfarrhaus einfügen und auch im Innern wird die Farbe Weiß vorherrschen. Die Gestaltung der Verglasungen und die weiteren details im Innenausbau werden in enger Zusammenarbeit mit der gemeinde und am Ort entwickelt. Die Liturgie als Bauherrin, anders als zum Beispiel bei einem Gemeindezentrum tiefere Bedeutungen. Man sollte die Kraft der Materialien und der Kunst, die Farben, das Licht, die gesamte Gestaltung also für die Liturgie einsetzen.
Wichtig sind für uns die umlaufenden Eichestützen, die in der Erdgeschossfassade und als Oberlicht über dem Altar eingesetzt werden. Sie sind – wie gesagt- dem bestehenden Glockenturm entlehnt und am Glockenturm sind sie wunderschön silbrig verwittert und halten trotzdem noch 300 Jahre…
Fassadendetail 
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Wir wissen zumindest noch keinen genauen Termin. Auf jeden Fall sind wir alle bis zum Fertigstellungstermin auch schon wieder älter geworden.
Modell (Foto: Oertel + Biehler Architekten, Karlsruhe) 

Die komplette Wettbewerbsdokumentation finden Sie in
wa 03/2012
Pfarrkirche St. Paulus in Balingen-Frommern
Begrenzt offener Wettbewerb mit Bewerbungsverfahren

Jury
Prof. Carl Fingerhuth, Vors.
Dr. Heiner Giese
Ernst Steidle
Prof. Hellmut Raff
Mathias Hähnig
Theo Kurtenbach
Jochen Rapp
Pfarrer E. Ginter
Loretta Harke
Helmut Reitemann
Andelin Hotkowic
Roland Hinze

1. Preis
Klumpp + Klumpp Architekten
Stuttgart

2. Preis
Tokat Architect
Stuttgart

3. Preis
Eberhard Wurst
Reutlingen