Gemeinsamer Ort

Autor:
Peter Petz
Veröffentlicht am
Mai 18, 2011

Ortner & Ortner Baukunst gewinnt den Wettbewerb um die Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin. Tobias Ahlers stellt sich unseren Fragen zum Wettbewerb.
Lageplan 
Wie haben Sie die Wettbewerbsaufgabe interpretiert?
Eine der bedeutendsten deutschsprachigen Schauspielschulen sucht einen neuen Standort, tauscht ihr dezentrales Dasein gegen einen gemeinsamen Ort. Das hierfür bestimmte, bestehende Haus, in seiner eher schlichten und bescheidenen Form, galt es trotz aller räumlichen Schwierigkeiten ernst zu nehmen. Wir fanden hier ein funktionales Gebäude mit ruppigen Charme vor.

Nach unserem Verständnis ist die Schauspielschule ein Ort des ständigen Ausprobierens, des Experimentierens, des Modifizierens. Dieses Aneinanderfügen immer anderer Lebenswelten
findet im Gebäude seine architektonische Entsprechung. Vorhandene Strukturen werden erhalten und um Notwendiges ergänzt- sie repräsentieren auch im Ideellen das Gegebene. Was an Neuem dazukommt, ist klar ablesbar. Holz als Baumaterial spielt dabei eine große Rolle, ist Grundstoff, der das Improvisieren ermöglicht. Soweit es ihre Funktionen erlauben, sollen alle Räume ihr Innerstes sichtbar machen. Eine visuelle Offenheit, die alle Elemente mitspielen lässt und zugleich das ganze Haus mit Licht durchdringt.
Ansicht Süd, Schnitt, Erdgeschoss 
Wie haben Sie auf den Kontext reagiert?
Die schwierige Lage des Grundstücks, einerseits zentral in Berlin-Mitte gelegen, jedoch eingeklemmt in einer Hoflage zwischen der Chausseestraße und einem dominanten Bürokomplex, stellte tatsächlich eine Herausforderung dar. Erst durch den Zukauf einer Stichstraße erhält das Gelände von der Zinnowitzer Straße aus eine eigene Erschließung.
Um der Bedeutung der Hochschule gerecht zu werden, haben wir uns frühzeitig entschieden, der versteckten Lage entgegenzuwirken, das Gebäude der Stadt zuzuwenden und ihm eine Zeichenhaftigkeit und Fernwirkung zu verleihen.

An der südlichen Schmalseite des Bestandes wird daher ein kleiner Teil des Altbaus abgerissen und ihm zur Seite zwei neue Elemente angefügt die den Haupteingang markieren.
Die zwei großen Studiobühnen sind in einem Turm übereinander positioniert, eine Bibliothek liegt dazwischen. Diese Stapelung verleiht dem Baukörper die nötige Höhe. Auf der gegenüber liegenden Seite des Eingangs ist die gläserne Mensa an den Bestand herangeschoben, sie ist dem Foyer und damit der öffentlichen Studiobühne zugeordnet.

Der Freiraum gliedert sich in drei Bereiche: dem südlichen Vorplatz mit barrierefreiem Haupteingang, dem nordöstlichen Anlieferhof mit Laderampen zu den Werkstätten und Fundusräumen sowie dem Garten mit Terrasse.
Blick auf Haupteingang, Bühnenturm und Mensa 
Können Sie uns durch die Hochschule führen als ob Sie schon fertig gestellt wäre?
Die zentralen Bereiche des Gebäudes werden über den Haupteingang und das sich aufweitende Foyer erschlossen. Hier erlebt der Besucher den hölzernen Theaterturm als Hülle der teilweise öffentlichen Studiobühnen. Die benachbarte Mensa auf der linken Seite öffnet sich allseitig und ist über eine Terrasse an den südwestlichen Garten angeschlossen. Weiterhin wird das Foyer von den Fundusräumen und der Requisite gerahmt, deren „Schätze“ über transparente Wände sichtbar und erlebbar werden.

Eine neue zentrale, offene Treppe sowie ein Aufzug erschließen das gesamte Gebäude an der Schnittstelle zwischen dem Hauptgebäude und dem bestehenden Anbau. Das Hauptgebäude ist durch einen Mittelflur gegliedert, der in der Breite variiert und damit unterschiedliche, funktional bedingte Raumtiefen ermöglicht. In den langgestreckten Geschossen sorgen Lufträume über zwei Geschosse für kommunikative Orte und eine gute natürliche Belichtung.

Die großflächigen Probebühnen mit erhöhter Schallemission, sind im nordöstlichen Teil des Hauptgebäudes positioniert. Hierdurch werden mögliche Beeinflussungen anderer, sensibler Bereiche vermieden und ein ungestörter Probebetrieb ermöglicht.
Die übrigen Lehr- und Übungsräume sowie die Theoriebereiche gruppieren sich um die zentrale Aula und im Bereich des Bühnenturmes. Die Hochschulverwaltung sowie die Arbeitsräume der einzelnen Fachabteilungen sind in dem bestehenden Anbau untergebracht.

Die Fundusräume und Werkstätten erstrecken sich im Erdgeschoss und sind wie die Lager- und Archivräume funktional gut über den Lastenaufzug an Studiobühnen und die Anlieferung angebunden.
Foyer 
Aula, Theorie 
Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?
Das Bestandsgebäude zeichnet sich durch seinen ganz eigenen, rauen Charakter aus, im Wesentlichen finden sich grobe Stahlbetonoberflächen vor. Dieser rustikale Grundton der vorhandenen Struktur soll im Inneren weitestgehend erlebbar bleiben und wird durch robuste, hölzerne Einbauten ergänzt. Diese Raumboxen sind von innen an die ertüchtigte Bestandsfassade geschoben.

Hier soll sich der Charakter dieser Schule widerspiegeln: ein lebendiger Ort des Probens und Experimentierens, ein vielschichtiges Atelier, in dem alles handfest verfügbar ist, ruppig in seiner ungeschönten Verwendbarkeit.

Der neue Bühnenturm besteht im Inneren aus einem kompakten Stahlbetonkörper, ideal für die als Blackbox geplanten Studiobühnen. Die funktional bedingten Umgänge der Bühnenräume sind Bereiche zwischen dem Innen und Außen. Hier ist eine hölzerne, teilweise transparente Schicht vor den Turm gesetzt. Diese Transparenz gewährt diskrete Einblicke hinter die Bühne, lässt den Turm in der Nacht von innen leuchten und spielt mit dem Rätselhaften, das die Schauspielerei umgibt.
Detail Fassade Gewandmeisterei 
Detail Fassade Bühnenturm 
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Der Planungszeitraum ist bis Ende 2013 vorgesehen, fertig gestellt soll das Haus im Januar 2015 sein.
Abend mit Aufführung 

Die gesamte Wettbewerbsdokumentation finden Sie in wa 05/2011
Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“, Berlin
Begrenzt offener Wettbewerb mit Bewerbungsverfahren

Jury
Arno Lederer, Vors.
Almut Ernst
Andreas Hild
Regine Leibinger
Dr. Werner Lorenz
Dr. Wolfgang Engler
Regula Lüscher
Wolfgang Mahnke
Hilmar von Lojewski

1. Preis
Ortner & Ortner Baukunst
Berlin

2. Preis
Patrik Dierks Norbert Sachs Architekten
Berlin

3. Preis
Staab Architekten
Berlin