Markanter Solitär

Autor:
Peter Petz
Veröffentlicht am
Juli 13, 2011

CODE UNIQUE Architekten gewinnen den Wettbewerb um den Neubau einer kongresstauglichen Messehalle, Berlin. Volker Giezek stellt sich unseren Fragen zum Wettbewerb.
Blick vom Messedamm 
Welche Bedeutung hat der Wettbewerb für die Messe Berlin?
Die Messe Berlin benötigt dringend weitere Ausstellungsflächen, um in einem weltweiten Wettbewerb ihre internatio­nalen Leitmessen weiterhin erfolgreich zu positionieren, zu entwickeln und neue Messen und Veranstaltungen auf dem Markt zu platzieren. Neben diesem Flächenbedarf hat der Senat schon 2008 und im Dezember 2010 die Sanierung des Kongressgebäudes ICC beschlossen. Die Planungen für eine Sanierung des ICC bei Stillstand haben begonnen. Demnach muss das ICC Ende 2013 stillgelegt werden. Die Sanierung wird voraus­sichtlich über einen Zeitraum von drei Jahren (2014–2016) durchgeführt. So entsteht der Flächenbedarf für eine kongressgeeignete neue Messe­halle primär aus dem Bedarf nach erweiterten Messe- und Ausstellungs­flächen, sekundär für eine Kongressnutzung für den Sanierungszeitraum 2014–2016.
Dem Neubau kommt an diesem prominenten Standort eine besondere Bedeutung zu. Es soll ein Gebäude mit eigenständigem Charakter entwi­ckelt werden, das sich mit dem Ort und der Bedeutung des Vorgängerbau­werks auseinandersetzt.
Lageplan 
Wie erschließen Sie die Messe/Kongresshalle?
Wir schlagen vor die erforderliche Messefläche auf zwei Niveaus anzuordnen. Es entstehen zwei übereinander gestapelte Messehallen, die sowohl über den Haupteingang als auch über den Nebeneingang am Messevorplatz Süd erschlossen werden können. Die so entstehende Verknüpfung ermöglicht die gemeinsame Nutzung bei größeren Ausstellungen und Messen.
Haupt- und Nebeneingang verweben jeweils über großzügige Treppen die verschiedenen Niveaus, von denen beide Hallen eingesehen werden können. Natürliches Tageslicht unterstützt die gute Orientierung im Gebäude. Die Kongress- und Büroräume im Obergeschoss sind separat zugänglich.
Eine verglaste und freitragende Anbindung auf dem Niveau +9 verbindet die neue Messehalle mit den bestehenden Messegebäuden.
Es ist sowohl die sinnvolle Verknüpfung von Messe und Kongressen als auch die Separierung und Entflechtung von Veranstaltungen möglich.
Die Verknüpfung der Anlieferung mit den bestehenden Messehallen ist für beide neuen Hallenniveaus gegeben. Die Erschließung der unteren Messehalle wird an die bestehende unterirdische Anlieferung angeschlossen. Die obere Messehalle wird ebenerdig über das neue Plateau von den Bestandshallen aus angedient. Die Anlieferung der Küche erfolgt an der Südwestseite des neuen Gebäudes.
Foyer, Schnitt 
Wie gingen Sie mit dem Gelände um?
Besonderes Augenmerk legten wir auf eine möglichst klare Verknüpfung der bestehenden Niveaus der angrenzenden Gebäude und Platzflächen. Durch die zweigeschossige Stapelung der Messeflächen können Haupteingang und Nebeneingang jeweils einem Platzniveau zugeordnet und miteinander verwoben werden. Der bestehende, abgesenkte Messevorplatz wird sinnvoll arrondiert und gleichzeitig in Richtung Messedamm angeschlossen.
Es wird ein neues Plateau in Höhe des bestehenden Messeeingangs geschaffen, von dem aus sich ein weiter Blick über den abgesenkten Messevorplatz bietet. Eine Freitreppe verbindet beide Niveaus und Eingangssituationen miteinander. Das neue Platzniveau wird als Sockel um das Messegebäude herumgeführt und unterstreicht gestalterisch die exponierte Lage des Baukörpers. Die Messehalle wird gleichsam aus dem baulichen Umfeld herausgehoben.
Wie organisieren Sie Hallenebenen?
Ausgehend vom Foyer des Haupteingangs wird das Gebäude über eine einläufige Haupttreppe, Aufzüge und Fahrtreppen in alle Geschosse erschlossen. Das Foyer mit der geschoßübergreifenden Treppe wird über Oberlicht im Dachbereich gut mit Tageslicht versorgt. In den Obergeschossen werden dem Foyer die Büroräume sowie die kleineren Kongreß- und Messeräume mit hohem Publikumsverkehr zugeordnet. Sie stärken den zentralen Raum als wesentliche Erschließungs- und Kommunikationszone, der alle Bereiche der Messehalle miteinander vernetzt. Weitere Kommunikationsbereiche werden mit Sichtbeziehung zum Foyer oder den Messehallen geschaffen. Bistros werden jeweils dem Foyer am Haupteingang und dem Nebeneingang zugeordnet und bereichern es als Kommunikationsraum. Kleinere Messe- und Kongressräume werden an der nordöstlichen Seite des Neubaus in den Obergeschossen vorgeschlagen, um die unmittelbaren Wege zum Bestandsgebäude zu verkürzen. Bestands- und Neubauflächen können gemeinsam genutzt werden. Die Büroflächen werden ausschließlich dem Haupteingang zugeordnet, können aber separat erschlossen werden. Durch die Lage im Obergeschoss partizipieren diese Räume an der unmittelbaren großzügigen Atmosphäre des Haupteingangs, ohne mit der Messe funktional in Konflikt zu geraten. Sie können sowohl interne als auch externe Nutzungen aufnehmen.
Obergeschoss, Schnitt 
Die untere Messehalle wird mit einer lichten Höhe von 9 m ausgeführt und kann in kleinere Teilflächen separiert werden, die unabhängig voneinander erschlossen sind. Der Zugang zur unteren Messeebene orientiert sich zum Messevorplatz Süd und ist weiterhin mit dem Hauptfoyer am Messedamm verknüpft.
Untere Halle, Ansicht Nord-Ost 
Die im Obergeschoss angeordneten Technikräume arrondieren die Messeflächen im Südwesten und Nordwesten. Über die Erschließungskerne können alle Räume mit entsprechender Zu- und Abluft sowie den technischen Medien versorgt werden. Außer den Haupterschließungstreppen in den Foyers ermöglichen weitere nichtnotwendige Treppen die vertikale Erschließung. Notwendige Treppenhäuser werden in massiven Kernen angeordnet und stellen die baurechtlich notwendigen Fluchtwege sicher. Alle Bereiche des Gebäudes sind barrierefrei erreichbar. Dazu werden in den Foyers Aufzüge vorgesehen. Die obere Messehalle ist über eine Fläche von 7500 qm komplett stützenfrei konzipiert.
Obergeschoss, Schnitt 
Welche Besonderheiten hinsichtlich Konstruktion und Material zeichnen Ihren Vorschlag aus?
Grundlegender Gedanke des Fassadenentwurfes ist es, mit der Baukörper-Gliederung sowie der Farbgebung einen markanten Solitär zu schaffen. Der mit entschiedener Auskragung scheinbar über einem Sockel schwebende Baukörper schafft architektonische Leichtigkeit trotz eines großen Bauvolumens.
Die Fassaden der auskragenden Obergeschosse mit allen Büro- und sonstigen Nutzräumen erhalten eine hinterlüftete Vorhangfassade aus Textilgewebe. Das sehr robuste witterungsbeständige Material wird hier als Fassadenbespannung vorgeschlagen. Definierte Bereiche des Gewebes erhalten eine witterungsbeständige eingewebte LED- Matrix, die es ermöglicht, digitale Bilder unkompliziert in der Fassade zu visualisieren. Dadurch kann das aufwändige Herstellen und Wechseln von größeren Plakaten, Bannern, Werbungen etc. entfallen. Büro- und Ausstellungsräume in den Obergeschossen können auf Grund der Transparenz und Lichtdurchlässigkeit des Gewebes hinter der textilen Bespannung angeordnet werden.
Detail 
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Es handelt sich um einen sehr ambitionierten Zeitplan. Die voraussichtliche Fertigstellung der Messehalle ist bis Ende 2013 geplant.
Modell (Foto: Hans-Joachim Wuthenow, Berlin) 

Die komplette Wettbewerbsdokumentation finden Sie in
wa 07/2011
Neubau einer kongresstauglichen Messehalle, Berlin
Begrenzt offener Wettbewerb mit Bewerbungsverfahren

Jury
Dörte Gatermann, Vors.
Florian Riegler
Elke Delugan-Meissl
Peter Kulka
Eva Maria Lang

1. Preis
CODE UNIQUE Architekten
Dresden

2. Preis
wulf & partner
Stuttgart

3. Preis
JSWD Architekten
Köln

4. Preis
Ackermann und Partner Architekten
München
Stuttgart