Ort der Begegnung

Autor:
Peter Petz
Veröffentlicht am
Nov. 16, 2010

o5 architekten + ingenieure gewinnen den Wettbewerb um das Quartierszentrum Großostheim-Ringheim. Ruben Lang stellt sich unseren Fragen zum Wettbewerb.
Blick von der Dresdner Straße 
Welche Bedeutung hat der Wettbewerb für die Gemeinde Großostheim?
Mit dem Neubau des Quartierszentrums erhält der Ortsteil Ringheim einen Ort der generationenübergreifenden Begegnung und des gemeinschaftlichen Zusammenlebens. Es entsteht ein offenes Gebäude, das für alle Menschen der Ortsgemeinschaft Raum und Fläche zur Entfaltung bietet.
Ansicht West, Lageplan, Schnitt 
Wie haben Sie auf den Kontext reagiert?
Die Lage des neuen Quartierszentrums befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Kinderbetreuungseinrichtungen und der Volksschule. Das Gebäude orientiert sich mit seiner Längsseite zum Park. Hierdurch wird der Bürgerpark an seinem nordöstlichen Rand gefasst. Die kurze Seite im Norden bildet mit dem Haupteingang zur Dresdner Straße die Adresse für das neue Mehrgenerationenhaus. Durch die Gliederung des Baukörpers nimmt das Gebäude in Körnung und Ausrichtung Bezug zu den bestehenden Gebäuden auf.
Orientierung und Erschließung 
Wie organisieren Sie das Quartierszentrum?
Das Ordnungprinzip des Grundrisses zwischen „offenen“ und „geschlossenen“ Bereichen leitet sich direkt von der jeweiligen Nutzung ab. Während im Erdgeschoss die massiven Volumen die dienenden Funktionen wie die Großküche, et cetera beherbergen, befinden sich Nutzungen mit starkem Außenbezug wie Bücherei, Café, Aktionsraum, in den sich dazwischen aufspannenden offenen Bereichen. Im Obergeschoss erzeugt das Fügungsprinzip flächenversetzt geschlossene Bereiche, die sich jedoch großzügig zu den entstehenden Dachterrassen öffnen. Zum einen werden der Ruhe bedürftige Nutzungen wie Kinderkrippe und Therapie hier positioniert, zum anderen drücken sich Nutzungen mit einem Bedarf an großer Räumhöhe wie Mehrzweckraum und Bücherei aus dem Erdgeschoss zweigeschossig in die Volumen des Obergeschosses.
Dieses konsequent in die Fassadengliederung überführte Gestaltungsprinzip erzeugt eine Gebäudeskulptur, die sich gestaltprägend und identitätsstiftend für das neue Quartierszentrum auswirkt. Große Einschnitte in das Gebäudevolumen erzeugen begehbare Dachgärten und Patios, die den gemeinsamen zweigeschossigen Erschließungsraum natürlich belichten.

Der zweigeschossige Foyerbereich entlang des nördlichen Patios eröffnet den Blick durch das Mehrgenerationenhaus auf beide Ebenen und die vertikalen Erschließungselemente. Dies gewährleistet eine gute Orientierung im Quartierszentrum. Alle Funktionen und Nutzungen sind über diese gemeinsame Mitte zu erreichen. Das Wechselspiel zwischen ein- und zweigeschossigen Bereichen zoniert das Erschließungsfoyer, stellt Blickbezüge her und fördert die Kommunikation innerhalb des Gebäudes. Die begrünten, zweigeschossig verglasten Patios sorgen für einen lichtdurchfluteten, atmosphärischen Foyerraum mit hoher Aufenthaltsqualität.
Ansicht Nord, Erdgeschoss, Schnitt 
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?
Das Konzept eines sich allseitig öffnenden und mit seiner Umgebung kommunizierenden Gebäudes stand bei allen Entwurfsüberlegungen im Vordergrund. Durch das räumliche Fügungsprinzip sind die multifunktionalen Raumanforderungen als eine ortsprägende Gebäudeskulptur ablesbar.
Ansicht Ost, Obergeschoss, Schnitt 
Welche Besonderheiten hinsichtlich Konstruktion und Material zeichnen Ihren Vorschlag aus?
Um die Bedeutung des neuen Quartierszentrums innerhalb der Ortsgemeinde Ringheim zu betonen, erfährt das Gebäude über die strukturierte Ziegelfassade hohe Wertigkeit. Durch das leichte Verschieben jeder vierten Steinlage aus der Fassadenebene wird ein Relief erzeugt, das der Mauerwerkswand Tiefe verleiht. Die strenge, horizontale Strukturierung zieht die Gebäudeskulptur optisch zusammen und verleiht ihr einen unverwechselbaren, eigenständigen Ausdruck.
In der Materiallogik des Mauerwerks erhalten großformatige Öffnungen eine Sichtbetonlaibung. Der Betonsturz zeigt über die erhöhte Materialstärke seine Funktion als tragendes Element. Auf ihm ruht die Vorsatzschale des Dünnformat-Ziegels. Die tief ausgebildeten Betonlaibungen im Bereich der Glasfassaden bilden schrittweise Übergänge zwischen Außen und Innen. Diese schützenden Zwischenzonen laden zum Verweilen ein und unterstreichen die allseitige Offenheit des Gebäudes.
Der Innenraum ist geprägt von der Klarheit und Einfachheit der verwendeten Materialien. Das konzeptionelle Ordnungsprinzip des Entwurfs wird zur einfachen Orientierbarkeit bis in die Materialität der Innenraumoberflächen geführt. Die massiven Volumen der dienenden und intimen Funktionen materialisieren sich in hell eingefärbtem, glattgeschaltem Sichtbeton. Die Raum bildenenden Elemente der Kinderbetreuungseinrichtungen und des Seniorenbereichs, die sich dazwischen aufspannen, erhalten als sichtbare Oberfläche mit Ahorn furnierte Sperrholzplatten. Großzügige Glasfassaden bewirken mit Tageslicht durchflutete Innenraumsequenzen. In Zusammenhang mit den in das Gebäude eingeschnittenen, vollflächig verglasten und begrünten Patios erfährt der Innenraum über den Materialkanon einen offenen, ruhigen und einladenden Charakter.
Detail 
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
"Vorbehaltlich der Zustimmung der gemeinderätlichen Gremien ist vorgesehen, die Planungsleistungen zeitnah zu vergeben. Wegen der Förderung mit Mitteln für Kinderbetreuungseinrichtungen ist die Fertigstellung im Jahr 2012 zwingend." aus dem Protokoll des Rückfragenkolloquiums vom 30. Juni 2010, Großostheim-Ringheim

Modell (Foto: Bäumle Architekten I Stadtplaner, Darmstadt) 
Das eMail-Interview führte Peter Petz 
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Die gesamte Wettbewerbsdokumentation finden Sie in wa 11/2010
Quartierszentrum Großostheim-Ringheim
Begrenzt offener Wettbewerb mit Bewerbungsverfahren

Jury
Monika Weber-Pahl, Vors.
Hans Klug
Hubert Friedrich
Ellen Kämmerer
Edith Magin
Heinz Bühr
Manfred Grüner
Cornelia Petermann
Thomas Wirth


1. Preis
o5 architekten + ingenieure
Frankfurt am Main
KuBuS freiraumplanung
Berlin

2. Preis
Bez + Kock Architekten
Stuttgart

3. Preis
Architekt Peter Schoof
Hannover
LohausCarl Landschaftsarchitektur
Hannover