Kompaktheit mit kurzen Wegen

Autor:
Peter Petz
Veröffentlicht am
Dez. 7, 2010

Peter Schwinde gewinnt den Wettbewerb um das Werner-Heisenberg-Gymnasium in Garching und stellt sich unseren Fragen zum Wettbewerb.
Modell (Foto: Landherr Architekten, München) 
Piktogramme 
Worin lag die Herausforderung der Aufgabenstellung?
Im Wettbewerb sollte eine Lösung gefunden werden für den Ersatzneubau eines Gymnasiums am gleichen Standort. Für die Bauzeit wurde die weitgehende Auslagerung der Nutzungen in Container vorgegeben. Lediglich zwei neuere Bauteile, der Bibliotheksturm und und der Speisesaal, sollten in das Gebäudekonzept integriert werden.

Wir haben ein Wettbewerbsgrundstück vorgefunden zwischen einer Siedlungsstruktur im Westen und einem landschaftlichen Bereich im Osten. Die bestehenden Freianlagen sind geprägt durch einen künstlichen Hügel im südlichen Grundstücksbereich mit integriertem Theatron. Der Mühlbach, der das Grundstück quert, bildet mit dem Unterreitergraben eine reizvolle Halbinselsituation.

Die besonderen Herausforderungen des Wettbewerbs waren unter diesen Gesichtspunkten die Schaffung einer maßstäblichen Gebäudestruktur im Siedlungsrandbereich, die Prüfung der Integration bestehender Bauteile in das Konzept, Erhalt und Stärkung der bestehenden Außenraumqualitäten sowie die Beschränkung des Grundstücksverbrauchs zur Schaffung weiterer Entwicklungspotenziale.
Lageplan 
Wie haben Sie auf den Kontext reagiert?
Eine grundsätzliche Frage in der Planung hieß: Soll der östliche Grundstücksbereich, auf dem sich zur Zeit die Sporthalle befindet, weiterhin bebaut werden oder soll diese Fläche den Außenanlagen zugeordnet werden? Wir haben uns entschlossen dieses Baufeld mit einer deutlich geringeren Baumasse zu besetzen. Hiermit gelingt es, den Naturraum des Mühlbachs für den Schulcampus erlebbar zu machen. Er wird integraler Bestandteil der Außenanlagen und nicht Begrenzung.

Ebenfalls integriert wird das Theatron , das in Verbindung mit dem neuen Pausenhof mehrfach lesbare und nutzbare Außenräume definiert. So entstand das Konzept aus drei quadratischen Baukörpern, die die Baufelder im landschaftlich geprägten Kontext besetzen.

Es entsteht ein reizvoller Dialog zwischen den pavillionartigen, präzisen Gebäuden und dem landschaftlichen Freiraum. Durch die Stellung der maßstäblichen Gebäude entstehen Flächen für den ruhenden Verkehr und ein großzügiger Eingangsplatz im westlichen Grundstücksbereich. Von den zwei Baukörpern, die erhalten werden sollten, konnte der Turm am Eingangsplatz erhalten werden, der Speisesaal der Mensa konnte nicht wirtschaftlich und konzeptionell vertretbar integriert werden.

Der mittlere Baukörper bildet als eigentliches Schulhaus das viergeschossige Zentrum der Anlage, Sporthalle und Ganztagesbetreuung werden als zweigeschossige „Satelliten“ mit eigenem Charakter ausgebildet.

Das Gebäude der Ganztagesbetreuung wird ergänzt durch eine Einfachsporthalle, so dass vielfältige Sportaktivitäten das Nachmittagsprogramm erweitern können. Darüberhinaus besteht eine sinnvolle Anbindung an die nördlichen Sportfreiflächen.

Durch die Bebauung der attraktiven östlichen Grundstücksfläche und das kompakte viergeschossige Schulgebäude wird die Fläche optimiert genutzt, das südliche Grundstück steht zur Disposition für künftige Entwicklung oder auch als Standort der Interimsschule während der Bauzeit.
Ergeschoss 
Wie organisieren Sie das Gymnasium?
Das Hauptgebäude ist als kompakte viergeschossige Schule mit Innenhof konzipiert. Eine ringartige Erschließung auf allen Ebenen erleichtert die Orientierung und schafft kurze Wege für die „Wander“klassen. Die Flure leben von Ausblicken in den Hof und von Lufträumen im Zentrum der Anlage.

Unterrichtsräume orientieren sich nach außen, die Verwaltung  im 1. OG, der Lehrerbereich im 2.OG und das TU München Kolleg im 3. OG orientieren sich zum zum Innenhof. Im 1. und 2. OG sind zentral die allgemeinen Unterrichtsbereiche angeordnet. Im 3. OG fördert die Kombination der „technischen“ Naturwissenschaften (Chemie und Physik), Planetarium, TU München Kolleg und den IT Bereichen einen fächerübergreifenden Unterricht mit Synergieeffekten.

Verwaltung und Lehrerbereich orientieren sich zu dem zentralen Pausenhof. Der Biologiebereich ist im Erdgeschoss angeordnet, um hier durch Außenraumbezug zu Schulgärten und Biotop einen Praxisbezug herzustellen. Im zentralen Bereich werden Musikräume, Bibliothek und Veranstaltungssaal angeordnet. Durch mobile Innen- und Außenwände sind diese Räume vielfältig kombinier- und nutzbar und ermöglichen insbesondere für Aufführungen und Veranstaltungen ideale Voraussetzungen, Störungen des allgemeinen Unterrichtsbetriebs werden vermieden. Galerien an der Halle mit attraktiven Pausenflächen fördern die Kommunikation. Baukörperentsprechend werden Vertikalerschließungen vorgesehen, die kurze Wege ermöglichen. Dem bestehenden „Turm“ am Eingangsplatz wird als Sonderfunktion die bildnerischen Ausbildungsräume zugeordnet. Die Dreifachsporthalle gliedert sich in östlichen Hallenbereich und westlichen zweigeschossigen Bereich mit Geräteräumen im EG, Umkleidebereiche, Konditionsraum, Hausmeisterwohnung im 1. OG. So entsteht ein sehr kompakter Baukörper, die Spielebene ist barrierefrei erreichbar.

Der Ganztagesbereich ist U-förmig auf zwei Ebenen um die Einfachsporthalle angeordnet. Durch die „Insellage“ und das eigene Gebäude können die Schüler sich mit „ihrem“ Gebäude identifizieren ohne jedoch den Schulbezug aufzugeben. Dieser Bereich soll -vom Schulgebäude getrennt- „Wohnqualität“ auch mit den Außenanlagen vermitteln, hier soll Lernen, Essen, Kontemplation, Chillen und Aktivität gleichermaßen ermöglicht werden.

Die Kompaktheit mit kurzen Wegen ermöglicht eine optimale Betreuung.
Schnitt, 1.OG 
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?
Dreiklang – 3 unterschiedliche Solitäre definieren Außenräume, die einerseits landschaftlichen, andererseits städtischen Charakter haben. Einbindung der Naturräume in das Ensemble.
Mehrfachlesbarkeit der Außenräume – insbesondere die Erdgeschossebene mit Platz und Innenhof. Mehrfachlesbarkeit der Innenräume – Lufträume und Plätze im Gebäude fördern Kommunikation und Aufenthaltsqualität. Fassade als Struktur – Schichtung und zurückhaltende Gestaltung ermöglichen wechselnde Erscheinungsbilder. Die Gebäude dienen als Hintergrund und ermöglichen vielfältige Raumerlebnisse.
Ansicht West 
Schnittansicht Süd 
Welche Besonderheiten hinsichtlich Konstruktion und Material zeichnen Ihren Vorschlag aus?
Das Gebäudekonzept zielt nicht in erster Linie auf besondere Konstruktion oder Materialien ab. Vielmehr galt es zunächst in dieser Konzeptphase durch die Kompaktheit der Baukörper und der wirtschaftlichen, knappen Raumorganisation ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten zu entsprechen. Dies wird weitgehend durch inzwischen konventionelle Bauweise erreicht. Durch die oberirdische Anordnung der Sporthalle werden aufwendige Abdichtungen im Grundwasser vermieden und der Barrierefreiheit entsprochen. Die vorgeschlagene Fassade aus großformatigen Sonnenschutzlamellen soll die dauerhafte Wirksamkeit des Sonnenschutzes sicherstellen, die Materialien werden nach Dauerhaftigkeit und ökologischen Gesichtspunkten ausgewählt.
Detail 
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Als möglicher Baubeginn wird zur Zeit Herbst 2011 genannt. So wäre eine Fertigstellung zum Sommer 2013 realistisch. Im Zuge der Planung wird insbesondere die Abstimmung mit dem Interimsbetrieb des Gymnasiums während der Bauzeit zu beachten sein. Da der Sporthallenbetrieb unterbrechungsfrei sichergestellt werden muss, ist eine bauabschnittsweise Realisierung vorzusehen.
Blick in den Pausenhof 
Das eMail-Interview führte Peter Petz 
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Die gesamte Wettbewerbsdokumentation finden Sie in wa 12/2010
Werner-Heisenberg-Gymnasium in Garching
Begrenzt offener Wettbewerb mit Bewerbungsverfahren

Jury
Prof. Herbert Meyer-Sternberg, Vors.
Dr. Heidi Kief-Niederwöhrmeier
Prof. Ansgar Lamott
Susanne Muhr
Prof. Felix Schürmann
Peter Wich


1. Preis
Peter Schwinde
München

2. Preis
(se)arch
Stuttgart

3. Preis
Wulf & Partner
Stuttgart

4. Preis
Keiner_Balda Architekten
Fürstenfeldbruck
Weber Architekten
Garching