Neubau Rathausstraße 1

Wien 1
Architekten
Pichler & Traupmann Architekten
Standort
Wien 1
Jahr
2013
Nutzung

Bürogebäude
 
Bauherr
Wien Holding GmbH, Wien
 
Leistungsumfang
EU-weit, offener, zweistufiger, anonymer Realisierungswettbewerb mit vorheriger Bekanntmachung gemäß BVergG
 
Projektteam
Pichler & Traupmann Architekten ZT GmbH und  Mario Gasser ZT, Wien
Sabrina Miletich
Bence Pap
Wolfgang Windt
 
Planungsbeginn
2013
 
Nutzfläche
13.200 m²
 
Renderings/Fotos
Expressiv.at
 
Modell
Harald Schmidt, Wien
 
Preis
2. Preis
 
Tragwerksplanung
Bollinger – Grohmann – Schneider ZT GmbH, Wien
 
Brandschutz
Norbert Rabl ZT GmbH, Graz
 
Landschaftsplanung
DI Roland Barthofer, Wien

ARCHITEKTUR UND GEBÄUDEHÜLLE

Das Thema eines neuen Gebäudes im Rathauskarree steht im Spannungsfeld der beiden Möglichkeiten, entweder das diesem zugrunde liegende Regelwerk zu akzeptieren und darzustellen, oder es als überkommen zu betrachten und aus diesem auszubrechen. Wir glauben jedoch, dass es möglich ist, diese scheinbaren Gegensätze miteinander zu versöhnen. Zunächst sehen wir keinen Grund eine herausstechende volumetrische Ausformulierung, vor allem in der Höhe, hier anzubieten. Dazu fehlt schlicht der Genius Loci, der dies verlangen, geschweige denn ein Programm, das dies gestatten würde. Dennoch kann man nach Freiheiten forschen, die sich innerhalb der so stark gegebenen Rahmenbedingungen auftun und für Verbesserungen sowohl für den Stadtraum als auch für die Gebäudetypologie des gewünschten Neubaus sorgen. Ganz wesentlich für eine solche Weiterentwicklung ist die Betrachtung des Freiraums; einerseits jenes dreiecksförmigen Richtung Josefstadt, andererseits jenes am Ende der Rathausstraße. Der Wunsch, letzteren neu zu artikulieren und zu definieren, führte entscheidend zu neuen Freiheitsgraden für das Projekt.

Das vorliegende Projekt reflektiert also in mehrfacher Hinsicht die gegebene Situation, sowohl in Bezug auf die historische Vorgabe, als auch in Bezug auf die nun bestehende Entwicklung. So wurde ein Gebilde hoher Komplexität mit dennoch klar verständlicher Artikulation geschaffen, das mit gewissermaßen spielerischem Zugang in den Dialog mit den umgebenden Blockstrukturen und deren Dachlandschaft eingeht.

Verschiedene, gedanklich singulare Einzelmodelle werden durch einen jeweils nächsten Schritt überformt und letztlich zum ausformulierten Gesamtgebilde gefügt. Äußere Form ist dabei genauso prägend wie logische innere Funktionen.

Der Blockrand des Rathauskarrees wird also entlang der Auerspergstraße wieder hergestellt. Die Verlängerung der Kante entlang der Landesgerichtsstraße trifft sich mit jener der Auerspergstraße exakt am Kreuzungspunkt mit der Doblhoffgasse um die Grundgeomtrie wieder aufzunehmen.

Ebenso wird die Flucht der Stadiongasse wieder hergestellt. Die derzeit "verschmierte" Verbindung mit der Josefstädter Straße wird zugunsten einer klar artikulierten und historisch richtigen Gelenkssituation aufgegeben. Beide Wiederaufnahmen einstiger Linienführungen bedürfen jedoch einer Gegensteuerung in der dreidimensionalen volumetrischen Ausbildung, um einerseits an dogmatischer Strenge zu verlieren, andererseits jedoch um auf seitdem gewachsene Gegebenheiten (Verkehrsführung) und neu projektierte Situationen (Höhenentwicklung) reagieren zu können.

Das Gebäude ragt nun über den bestehenden Gehsteig der Stadiongasse, um einerseits die gewünschte städtebauliche Kante abzubilden, andererseits um den Verkehrs- und Bewegungsfluss nicht zu behindern. Die Traufkante von 26 Metern wird jedoch demonstrativ eingehalten.

Die erwähnte Kante entlang der Auerspergstraße wird auf Straßenebene bewusst nicht von der aufgehenden Fassade des Baukörpers eingehalten, sondern von der darüber liegenden Dachfigur. Die Fassadenflucht dreht sich artikuliert früher als sozusagen notwendig, um einerseits den charakteristischen Knick in der Auerspergstraße besonders zu artikulieren und andererseits den Eckrisalit des Nachbarhauses freizuspielen. Somit ragt die Dachfigur scheinbar frei in den Straßenraum, wiewohl sie doch einfach nur die Blockkante nachzeichnet. Dem Eckrisalit jedoch wird so ein besonderes Vis-a-vis mit vergleichbarer Höhe gegenübergestellt und gleichzeitig wird der Beginn der Doblhoffgasse - die Mittelachse des Parlamentsgebäudes (!) - durch die Überhöhung betont.

Eine Strategie des Vorragens und Zurückweichens in die Rathausstraße ist ein weiterer wesentlicher Gedanke. Einerseits soll damit am Ende der sich bisher totlaufenden Straße ein diese abschließender Platz gebildet werden, der wie selbstverständlich auch ins Innere des Gebäudes leitet. Zudem wurde angestrebt, ein wesentlich schlankeres Gebäude als bisher mit Bezug auf den gegenüberliegenden Baukörper zu entwickeln und den Verlust durch eine Flächenmehrung entlang der Doblhoffgasse wieder auszugleichen. Dabei macht man sich den Umstand zu Nutze, dass die gegenüber liegenden Gebäude ebenfalls im Eigentum der Stadt Wien sich befinden und gegen ein Abweichen von der bauklassenbedingten Straßenbreite im Zuge des Widmungsverfahrens keine Einwände zu erwarten sind. Lediglich die gesetzlich vorgesehenen Lichteinfallswinkel finden selbstverständlich Berücksichtigung, erzeugen aber in kreativer Art und Weise einen spitzwinkeligen Gebäudeabschluss, der dem Gegenüber in ungewohnter Weise beachtliche Nähe kommt, dabei den erwähnten Platzabschluss ausbildet, und gleichzeitig dennoch nichts von der notwendigen Belichtung wegnimmt.

Dies Prinzip könnte freilich mehrmals, mindestens jedoch auch an der anderen Gebäudeecke angewendet werden. Davon jedoch nimmt das Projekt Abstand und will sich vielmehr am in der Stadiongasse gegenüber liegenden Gebäude orientieren. Aus diesen beiden Bedingnissen entsteht eine geschwungene Fassade, die durch ihre Topologie auch jene der Dachfigur einleitet. Schlussendlich blendet diese wie selbstverständlich in die bestehende Dachlandschaft ein und wird zu einer zeitgemäßen Interpretation der umliegenden historischen Dachformen.

Die Fassade versteht sich als eine Neuinterpretation gründerzeitlicher Reliefierung, die zum Zeitpunkt der Erbauung des Rathauskarrees ihren Höhepunkt erlebte. Freilich wird nicht die Tektonik von vertikal orientierten Fenstern und deren Rahmung sowie der hierarchisch geordneten, horizontalen Gliederung in Sockel-, Mittel- und Dachzone wiederholt, sondern eine streifenförmige Schichtung, die energetisch sparsame und im Hinblick auf heutige Computerarbeitsplätze entblendete Arbeits- und Bürolandschaften erlaubt. Diese Schichtung wird jedoch - auch um Eigenverschattung zu fördern - stark betont und soll dadurch in Tiefe und Körnung in Dialog mit dem Dekor der gründerzeitlichen Fassaden – ursprünglich ja ebenso aus funktionalen Gründen, zum Beispiel zum Schutz der Fassaden, entwickelt – treten.

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