Der Zauber der Nähe

Fügenschuh Hrdlovics Architekten
9. April 2021
Foto: David Schreyer
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Für ein sehr kleines Grundstück im Grüngürtel zwischen der Innpromenade und dem dicht bebauten Siedlungsgebiet des Olympischen Dorfes mit Hochhäusern aus den 1960er-Jahren wurde gemeinsam mit der Bauherrschaft – der Stadt Innsbruck – eine passende kommunale Nutzung gesucht. Mit einem sehr engen finanziellen Rahmen wurde schließlich ein Haus für Menschen mit chronischen psychischen Erkrankungen entwickelt.

Eingangsbereich mit gedeckter Terrasse (Foto: David Schreyer)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?


Wir wollten ein neues Lebensumfeld schaffen, das die Situation chronisch psychisch Kranker, die sich oftmals »am Rande der Gesellschaft« wiederfinden, verbessert. Zugleich sollte der Stadtbevölkerung deren Lage nährgebracht und die Distanz zwischen kranken und gesunden Menschen abgebaut werden. Darum wurde die Einrichtung mitten im Grüngürtel platziert, wo viele ihre Freizeit verbringen, und auf Abzäunungen zum Teil verzichtet. Es ist erfreulich zu sehen, dass Kommunikation und der Abbau von Berührungsängsten über den Aufenthalt auf der gedeckten Terrasse zwischen den Bewohnern und der Stadtbevölkerung funktionieren kann …

Südfassade von Innpromenade (Foto: David Schreyer)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Die besondere Lage am Rande einer öffentlichen Grünzone wird nicht zuletzt in der gemeinschaftlich genutzten Sockelzone spürbar, wo sich das Gebäude über die gedeckte Terrasse und den Eingangsbereich mit dem Grünraum verzahnt. Zwischen dem Erdgeschoss mit Aufenthalts- und Kochtherapiebereich und dem Dachgeschoss, das für die Bewegungstherapie genutzt wird, befinden sich 14 Garçonnièren als private Rückzugsorte für die Klienten des Psychosozialen Pflegedienstes.

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Der Verein für Psychosoziale Pflege hatte von Anfang an großes Vertrauen in uns Architekten, nur so konnte ein beiderseits zufriedenstellendes Projekt letztendlich auch für die Bewohner entstehen. 

Nordansicht (Foto: David Schreyer)
Ostansicht (Foto: David Schreyer)
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Erst während der Polierplanung wurden wir aufgrund einer inspirierenden Exkursion auf Einladung eines Betonfertigteilwerkes in Brixen auf die Möglichkeit aufmerksam, kerngedämmte und passivhaustaugliche Bauteile inklusive Fassade im Werk vorzufertigen. Hierin sehen wir großes Potenzial. Die Dachschräge, die aufgrund von örtlichen Abstandsregeln ab dem 3. Obergeschoss entsteht, war dabei die größte technische Herausforderung …

Innenraum (Foto: David Schreyer)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Aufgrund seiner innovativen Energietechnik mit rein elektrischer Heizung und Warmwasserversorgung, die von der vollflächigen und rahmenlosen Photovoltaikfassade im Süden gespeist wird, wird das als Passivhaus ausgeführte Gebäude von der Universität Innsbruck als Forschungsprojekt begleitet.

Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Vorfabrizierte durchgefärbte, kerngedämmte Betonelemente von der Firma Progress als Wand-Decke-Dach mit fertigen Oberflächen.

Lageplan
Grundriss 1. Obergeschoss
Schnitt
Bauwerk
Haus für Psychosoziale Pflege und Wohnen
 
Standort
An der Lan Straße 16, 6020 Innsbruck
 
Bauherrschaft
IIG (Innsbrucker Immobilien GmbH & Co KG)
 
Architektur
Fügenschuh Hrdlovics Architekten, Zirl 
Julia Fügenschuh und Christof Hrdlovics
Mitarbeiter: Gernot Baumann
 
Bauleitung 
Projektleitung: DI Robert Kircher, IIG
Baumanagement: Ing. Berndt Scamoni, IIG
Mittarbeit ÖBA: Martin Griessenböck
 
Jahr der Fertigstellung
2018
 
Gesamtkosten 
EUR 2,1 Mio.
 
Gebäudevolumen
4350 m3
 
Energiestandard
HWB n. E-Ausweis 7,2 kWh/m2a
EEB n. E-Ausweis 30,5 kWh/m2a
PEB n. E-Ausweis 58,2 kWh/m2a
 
Fotos
David Schreyer

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