Erweiterung im Untergrund

Henning Larsen Architekten
10. January 2018
Luftaufnahme des Haus des Landtags und Bürger- und Medienzentrum (Visualisierung: Henning Larsen)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Die größte Herausforderung an diesem Projekt war die Eingliederung in das denkmalgeschützte Ensemble, bestehend aus dem Haus des Landtags, dem Schlossgarten und dem Akademiegarten. Die Besonderheit liegt in dem Entwurf einer nicht sichtbaren Architektur, die unterirdisch sein musste, sich zurücknimmt und trotzdem einladend für die Besucher des neuen Bürger- und Medienzentrums wirkt. 

Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Inspirationsquelle ist die griechische Antike mit dem öffentlichen Platz, der Agora – einem Ort für die Demokratie. Das halbrunde Amphitheater stand Pate für den neuen öffentlichen Platz, durch den Stuttgart eine öffentliche Versammlungsstätte für kulturellen und politischen Dialog erhält. Darüber hinaus funktioniert sie als eine großzügige Eingangssituation für das Bürger- und Medienzentrum.

Das Kunstobjekt „Der Volksvertreter»“von Beat Zoderer erweckt Aufsehen im Schlossgarten und macht auf das darunterliegende Bürger-und Medienzentrum aufmerksam (Foto: Jens Willebrand)
Das Bürger- und Medienzentrum bekommt mit der Agora eine großzügige Eingangssituation und eine Bühne für kulturelle und politische Veranstaltungen (Foto: Jens Willebrand)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Vorgabe der Stadt Stuttgart war es, das Bürger- und Medienzentrum unter die Erde zu verlegen und den Eingriff in den denkmalgeschützten Akademiegarten zu minimieren. Daher – und auch aus Respekt vor dem Haus des Landtags – senkt sich das Gebäude in das Gelände ab. Lediglich die Glasbrüstungen um die Lichthöfe und der transparente Außenaufzug Glas treten als bauliche Elemente im Park hervor. Mit der Agora konnte entstand ein neues landschaftliches Element, das mit den breiten Sitzstufen mit Holzauflagen zum Verweilen im Akademiegarten einlädt und ein Forum für politischen und kulturellen Austausch bildet. Ein weiterer Kunstgriff war die Einbindung des "Volksvertreters" von Beat Zoderer in die Architektur. Das Kunstobjekt schafft – auch durch die Platzierung im Lichthof des Bürger- und Medienzentrums – eine weitere Verbindung vom denkmalgeschützten Akademiegarten zum Neubau.

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Zunächst war das Bürger- und Medienzentrum als Besucherzentrum und Erweiterung des Haus des Landtags geplant, um neue Konferenzräume und die Landespressekonferenz unterzubringen.
Während des Planungsprozesses wurde der Bedarf an Ausstellungsflächen deutlich, da sich der Landtag Baden-Württemberg zum Ziel gesetzt hat, politische Aufklärungsarbeit zu leisten und den Bürgern die Organisation und Arbeitsweise des Landtags näher zu bringen. In einer Arbeitsgruppe des Landtags wurde gemeinsam mit dem Besucherdienst und den Innenarchitekten von Henning Larsen ein modernes und informatives Ausstellungskonzept entwickelt. In Anlehnung an eine Bildergalerie wurde die Ausstellung in den Wänden des Foyers integriert und kann unabhängig vom Konferenzbetrieb besucht werden.

Tageslicht fließt durch den begrünten Lichthof in die Ausstellungsfläche und in die angrenzenden Konferenzsäle (Foto: Jens Willebrand)
Landespressekonferenz (Foto: Jens Willebrand)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Aktuelle Medientechnik hat entscheidend die Ausstellung geprägt. Zusammen mit den Grafik- und Mediendesignern von Echo und Flut wurden Schautafeln, Exponate, Filmsequenzen und weitere medientechnische Anwendungen entwickelt, die einerseits für Individualbesucher verständlich sind, andererseits aber auch erklärendes Material für die Gruppenführungen bieten. Inhalte, die überwiegend konstant bleiben, wurden analog umgesetzt. Der Plenarsaal als Modell im Maßstab 1:50, eine topographische Karte von Baden-Württemberg, sowie ein Umgebungsmodell des Landtags sind damit auch haptisch erfahrbar. Die Informationen auf den Monitoren können der aktuellen politischen Situation angepasst und beliebig erweitert werden. Ergänzt wird dieses Programm durch interaktive und partizipative Stationen.
Die Ausstellung ist wie das übrige Gebäude barrierefrei ausgeführt und durchgehend zweisprachig. Sie ist sowohl in leichter Sprache als auch in Blindenschrift lesbar, um einem möglichst breiten Publikum den Zugang zur Politik zu ermöglichen. Die Ausstellung wird dadurch den Ansprüchen einer modernen und interaktiven Museumspädagogik gerecht.

Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Das Innenraumkonzept für das Bürger- und Medienzentrum knüpft an das Konzept von Offenheit und Transparenz des Haus des Landtags an. Die vorhandene Materialsprache wird in die heutige Zeit transformiert; es wurden die Eichenholzverkleidungen wieder aufgegriffen und zeitgemäß angewendet, ebenso der Natursteinbelag in den öffentlichen Bereichen. Sichtbetonwände erhielten durch die Verwendung einer OSB-Schalung eine neuartige, unregelmäßige Struktur. Die raumhohen Verglasungen zwischen Konferenzräumen und dem Foyer sorgen für ein hohes Maß an Transparenz und für vielfältige Bezüge bis in den Außenraum der Agora.
In allen Räumen entsteht durch große kreisförmige Leuchten mit unterschiedlichen Durchmessern der Eindruck von Oberlichtern. Sie sind scheinbar zufällig in die durchgängig weiße Gipskartondecke eingestreut und mit unterschiedlichen Lichtszenarien programmiert. Diese reichen von heller Tageslichtversorgung bis atmosphärischen Szenarien für Veranstaltungen wie z.B. Bankette. In enger Abstimmung mit den Fachingenieuren wurde ein Konzept zum Deckenspiegel entwickelt, das ein geordnetes Erscheinungsbild der übrigen technischen Einbauten in den abgehängten Decken regelt. Alle Konferenzräume sind mit moderner Medien- und Gebäudetechnik ausgestattet.

Einer der Konferenzsäle - hier der Margarethe-Steiff-Saal mit Bestuhlung für Kindergruppen – Wände: Sichtbeton mit OSB-Schalung und Eichenpaneele, Boden: Naturstein (Foto: Manuel Oka)
Lageplan (Zeichnung: Henning Larsen Architekten)
Grundriss (Zeichnung: Henning Larsen Architekten)
Schnitt (Zeichnung: Henning Larsen Architekten)
Isometrie (Zeichnung: Henning Larsen Architekten)
Bürger- und Medienzentrum
2017
Konrad-Adenauer-Straße 3
70173 Stuttgart
 
Nutzung
Besucherzentrum, Konferenzgebäude, Ausstellungsgebäude

Auftragsart
VOF Verfahren, 1. Platz

Bauherrschaft
Land Baden-Württemberg vertreten durch den Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Stuttgart

Architektur / Innenarchitektur und Ausstellungsdesign
Henning Larsen, Henning Larsen GmbH, München
Werner Frosch (Partner, Managing Director), Sabine Haggenmiller (Senior Project Manager, Projektleitung), Isabel Mayer, Anne-Sophie Poirier, Tanja Marben, Claudia Sing,
Dominik Nocon, Daniel Baumann, Irena Nowaka, Alen Hausmeister, Marsyas von Naso

Fachplaner
Bauleitung, SiGeKo: Ernst² Architekten AG, Stuttgart
Tragwerksplanung: Leonhardt, Andrä und Partner VBI AG, Stuttgart
Geologie und Altlasten: Henke und Partner GmbH, Stuttgart
HLSK-Planung, Gebäudeautomation: Drees & Sommer Advanced Building Technologies, Stuttgart
Elektroplanung: Müller & Bleher GmbH & Co. KG, Filderstadt
Medientechnik: Obermeyer, Planen + Beraten GmbH, München
Landschaftsarchitekten: Köber Landschaftsarchitektur, Stuttgart
Bauphysik: Bauphysik 5 GbR, Backnang
Brandschutz: Heidelberg, Ingenieure & Sachverständige GmbH, Stuttgart
5 plus ingenieurgesellschaft für brandschutz mbh, Balingen
Lichtplanung: LichtKunstLicht AG, Berlin
Grafik- und Mediendesign Ausstellung: Echo & Flut GmbH, Stuttgart
Aufzugsplanung: Plan R Ingenieurgesellschaft für Fördertechnik, Ditzingen
Vermessung: Vermessungsbüro Hils, Stuttgart
Abdichtungsplanung: nik ing-sv-büro GmbH, Göppingen
Berater Fassadenplanung: DS-Plan, Stuttgart
Küchenplanung: Marc Henne Ingenieurbüro, Schwieberdingen
Kunst am Bau: Beat Zoderer, Zürich

Ausführende Firmen
Baustelleneinrichtung: Gottlob Rommel GmbH & Co. KG, Stuttgart
Aushub- und Verbauarbeiten: Fischer Weilheim GmbH, Weilheim
Rohbauarbeiten: Leonhard Weiss GmbH & Co. KG , Göppingen
Fassade: Woschko Winlite GmbH, Weinsberg
Dachabdichtung: Scholz GmbH & Co. KG, Fachsenfeld
Trockenbau: Rienth GmbH & Co. KG, Winnenden
Estricharbeiten: Elmas Fussbodentechnik GmbH, Landsberg OT
Innenfassaden, Holzverkleidungen und -türen: Lindner AG, Arnstorf
Mobile Trennwand: Karl Günther GmbH & Co, Glatten
Stahlblechtüren: Eckert Glas- und Metallbau GmbH, Eschelbronn
Rohrrahmentüren, Stahl-Glas-Trennwände: Neusser GmbH, Dettenhausen
Glasbrüstungen: Oschwald GmbH, Meßkirch
Außenaufzugseinhausung: Glasbau Gipser GmbH, Halle / Saale
Natursteinarbeiten: Fliesen Röhlich GmbH, Wendelstein
Maler- und Putzarbeiten: Avar Stuckateur Meisterbetrieb, Blaubeuren
Bodenbelagsarbeiten: Raumstudio Falter GmbH, Fellbach
Fliesenarbeiten: Knapp GmbH, Reutlingen
WC-Trennwände: Isalith Trennwandbau GmbH, Aalen
Schließanlage: Schonert GmbH, Stuttgart
Bauschlussreinigung: AS Dienstleistungen GmbH, Schwieberdingen
Garten- und Landschaftsbau: Jörg Seidenspinner Garten- und Landschaftsbau GmbH, Stuttgart
Lose Möblierung: Metzger + Zimmermann Büroorganisation Gmbh, Stuttgart
Betriebliche Einbauten / Schreinerarbeiten: Schreiner Schweitzer Gmbh, Ulm
Pforteneinbaumöbel: Kopf GmbH, Stuttgart
Ausstellungsbau: Werk5 GmbH, Berlin
Stromversorgung: Speidel GmbH & Co. KG, Göppingen
Elektroinstallation: Heldele GmbH, Göppingen
Beleuchtung: F & E Elektroanlagen GmbH, Fellbach
Brandmeldeanlage: Bosch Sicherheitssysteme GmbH, Stuttgart
Überfall- und Einbruchmeldeanlage: Jans Sicherheitssysteme GmbH, Stuttgart
Pfortentechnik: Kurth GmbH, Eningen u. A.
Medientechnik: Aveo Konferenzsysteme GmbH, Wolfegg
Lüftungsanlagen: LKK Knödler GmbH, Rudersberg
Heizungs- und Kälteanlagen: Lausser Anlagenbau GmbH, Ostfildern-Ruit
Sanitäranlagen: Heinrich Weinbuch GmbH, Süßen
Gebäudeautomation: Johnson Controls Systems & Controls GmbH, Stuttgart
Feuerlöschanlage: Total Walther GmbH, Kesselsdorf
Förderanlagen: Becker GmbH, Aufzugbau, Rheinstetten

Energiestandard
ENEV 2014 minus 30%

Bruttogeschossfläche
ca. 1.850 m²

Gebäudevolumen
ca. 10.360 m³

Gesamtkosten
17.500.000 €

Fotos
Henning Larsen (1)
Jens Willebrand (2-6)
​Manuel Oka (7)