Lang lebe die Schule

Franz&Sue
9. December 2022
Foto: David Schreyer
Herr Libisch, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Nachhaltig, einfach und mit natürlichen Materialien zu bauen, war unser Anspruch bei diesem Schulbau. Deshalb kamen zur Ausfachung der Außenwände 50 Zentimeter starke Hochlochziegel zum Einsatz, die wir innen mit Lehmputz und außen nur mit drei Zentimeter dicken Hanfplatten bedeckten. Diese sorgen für ökologischen Wärme-, Hitze- und Schallschutz. Sie ersetzen die klassische Styropor-Wärmedämmung. Im Inneren entsteht durch den Lehmputz zusätzlich ein besonders wohliges Raumklima für die zukünftigen Schüler*innen. Diese Baumaterialien benötigen wenig Energieaufwand bei der Herstellung und beeinflussen die Raumluftqualität positiv. Wenn es in vielen Jahren einmal so weit ist, lassen sie sich außerdem einfach entsorgen. Kurzum, es ist ein unspektakuläres Gebäude mit hervorragender CO2-Bilanz entstanden.

Foto: David Schreyer
Foto: David Schreyer
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Wichtig war uns ein großzügiger Vorplatz und ein großer gemeinsamer Schulgarten. Die Anlage sollte außerdem mit möglichst wenig Zäunen auskommen. Städtebaulich war uns zudem wichtig, auf die vielen kleinteiligen Wohnhäuser in der Umgebung Rücksicht zu nehmen.

Uns lag auch am Herzen, die alten Platanen auf dem Grundstück unbedingt zu erhalten. Das war gar nicht so einfach: Mit unserem Statiker haben wir eigens Stützen und Fundamente um die Wurzeln geplant und das Gebäude in Teilen auskragend ausgeführt. Nicht die einfachste Lösung, aber für den Ort essenziell.

Foto: David Schreyer
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Bei all unseren Projekten ist uns der intensive Kontakt mit unseren Auftraggebern, aber auch der Projektsteuerung, den Nutzer*innen und den Vertreter*innen der Stadt wichtig. Nur so – in einem vertrauensvollen und transparenten Verhältnis – können gute und nachhaltige Entscheidungen getroffen werden. Eine klare Kommunikation und regelmäßige Präsentationen sind in diesem Zusammenhang für alle Beteiligten wichtig. Das gemeinsame Arbeiten auf Augenhöhe ist für den Ablauf, den Abschluss und letztlich auch die Qualität des Projektes von zentraler Bedeutung. 

Das mag vielleicht wie eine Phrase klingen, die man schon zigfach gehört hat, aber beim Bildungscampus Puntigam ist dies aus unserer Sicht wirklich gelungen. Umso mehr freuen wir uns auf die zweite Bauphase: Die bestehende Mittelschule wird saniert und aufgestockt. Außerdem kommt eine polytechnische Schule hinzu.

Foto: David Schreyer
Foto: David Schreyer
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Dem Baukörper sind wir treu geblieben, die Grundrisse haben wir entsprechend der Qualitäten aus dem Wettbewerb weiterentwickelt. Das betraf vor allem die Abfolge der Räume und die Lage des zweigeschossigen Turnsaals im Erdgeschoss – ein üblicher Planungs- und Abstimmungsprozess für uns. 

Eine ungewöhnliche Änderung war die Budgeterhöhung durch den Klimafonds. Dank dieser Anpassung konnten die von uns eingereichten Maßnahmen zu den qualitativ hochwertigen Bepflanzungen, den nachhaltigen Baustoffen und der technischen Gebäudeausstattung umgesetzt werden. Die Förderung wurde in der Planung zu einem Zeitpunkt zugesagt, als die wesentlichen Entscheidungen bereits gefällt waren. So war die gute Nachricht zugleich auch in gewissem Maße eine Herausforderung. Doch die Mühen haben sich gelohnt.

Foto: David Schreyer
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten Ihres Büros ein?


Unsere Gebäude sehen von außen meist recht unspektakulär aus, sie entwickeln sich in aller Regel aus der inneren Logik der Nutzung. Also gibt es nicht den einen prägnanten Look, an dem man unsere Gebäude erkennt. Unsere Devise ist immer: Das Geld ist nicht für spektakuläre Gesten da, sondern soll denen, die unsere Gebäude nutzen, zugutekommen, indem sie unsere Gebäude erobern, aneignen und zu ihren machen. Im Inneren sieht man das an den vielen kleinen Dingen wie etwa den Vorhängen, Pinnwänden und Möbelstücken, in die wir viel Grips und Entwurfszeit gesteckt haben und die eine möglichst vielfältige, energievolle, aber auch kleinteilige und langfristige Aneignung durch die Schüler*innen möglich machen sollen.

Foto: David Schreyer
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Ja, sehr! An der Schule konnten sowohl sichtbare als auch unsichtbare Materialien natürlicher Herkunft verbaut werden. Neben den schon genannten Oberflächen wurde im Ausbau Hanfwolle in Wänden und Decken eingesetzt. Außerdem wurden mit Lehm ummantelte Holzspäne und Holzweichfaserplatten im Fußbodenaufbau verarbeitet.

Von Anfang an war uns wichtig, im Projekt eine nachhaltige Bauweise zu integrieren. Viele Entscheidungen in diesem Sinne konnten wir ins ursprüngliche Budget integrieren. Das ist nicht immer einfach, da nachhaltiges Bauen oft nicht in den Baukosten berücksichtigt ist. Dank der Gelder des Klimafonds konnten wir dann sogar noch einen Schritt weiter gehen: Über einen Tiefbrunnen und eine Photovoltaikanlage wird erneuerbare Energie für die Heizung und Kühlung ohne Verbrennungsprozesse gewonnen. Die automatisierte Fensterspaltlüftung sowie Grüninseln und zusätzliche Bäume wirken gegen die Überhitzung im Sommer und helfen, Wasser zurückzuhalten. Zusätzlich wird durch die Verwendung von erneuerbaren Rohstoffen graue Energie gespart. Somit werden Schad- und Störstoffe vermieden. Baustoffe wie Lehm und Holz sorgen für ein behagliches Raumklima und letztendlich eine einfache Entsorgung. Diese Entscheidungen mussten schon sehr früh getroffen werden. Denn beispielsweise die Minimierung des Einsatzes von Sichtbeton, die Nutzung von 50 Zentimeter starken Dämmziegeln und eine nur minimale Überdämmung müssen statisch und bauphysikalisch grundlegend berücksichtigt werden. Unter dem Estrich haben wir, wie eben bereits angedeutet, mit Lehm ummantelte Holzspäne sowie Holzweichfaserplatten eingesetzt. Am Dach wurden eine Photovoltaikanlage sowie ein zusätzlicher, intensiv begrünter Garten eingeplant. 

In den Innenräumen dominiert der Werkstoff Holz. So besteht die Holz-Lamellendecke aus Fichte, und die Wandverkleidungen sind in Weißtanne ausgeführt. In den Obergeschossen wurde Eichenparkett verlegt, und auch die Wände des Turnsaals sind mit Holz verkleidet. Einen Kontrast dazu bilden die Erschließungskerne, die aus statischen Gründen in Beton ausgeführt wurden. Diesen haben wir bewusst sichtbar belassen.

Lageplan
Grundriss Erdgeschoss
Grundriss 1. Obergeschoss
Grundriss 2. Obergeschoss
Schnitt
Bauwerk
Bildungscampus Graz-Puntigam
 
Standort
Gradnerstraße 24, 8055 Graz
 
Nutzung
Bildungsbau
 
Auftragsart
EU-weit offener Wettbewerb
 
Bauherrschaft
GBG Gebäude- und Baumanagement Graz GmbH
 
Architektur
Franz und Sue ZT GmbH, Wien
Martino Libisch (Projektleiter), Silvia Mládenková, Tomasz Przybyła, Thomas Huck, Liča Anić, Philip Bato, Claude Probst und Hana Benova
 
Fachplaner
Statik: Petz
Bauphysik: Pilz und Partner 
Gebäudetechnik: Lauer-Pelzl-Stadlhofer, Ogrisek und Knopper, Bauklimatik Landschaftsplanung: EGKK
Brandschutzplanung: Norbert Rabl 
 
Jahr der Fertigstellung
2022
 
Maßgeblich beteiligte Unternehmer 
Projektsteuerung: Lugitsch und Partner
 
Fotos
David Schreyer

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