Die europäische Stadt als Passion – zum Tod von Bernd Albers

Falk Jaeger
28. April 2022
Bernd Albers erlag am 19. April in Berlin einem Krebsleiden. (Foto: Bernd Albers Gesellschaft von Architekten)


Bernd Albers war einer jener Architekten, die nicht nur bestrebt sind, möglichst zahlreiche bedeutende Projekte geschmeidig abzuwickeln, sondern die sich mit Engagement und Überzeugung in die Entwicklung der Stadt einbringen. Städtebau – in Albers’ Sinne die Rekonstruktion der Stadt, die Rückgewinnung urbaner Qualitäten, die Schönheit der Stadt – war seine Passion.

Geboren im westfälischen Coesfeld, studierte er von 1980 bis 1987 an der UdK Berlin und an der TU Berlin. Anschließend kam er in die Schweiz und begann seine Hochschulkarriere an der ETH Zürich. Später lehrte er an den Universitäten von Bologna und Neapel und übernahm schließlich 1996 den Lehrstuhl für Entwurf und Baukonstruktion an der FH Potsdam. Sein erstes Büro eröffnete Albers 1988 in Zürich. 1993 erfolgte der Umzug nach Berlin. Die Bernd Albers Gesellschaft von Architekten wird künftig von seinen Partnern Silvia Malcovati und Stefan Lotz weitergeführt.

 

Braubachstraße 23a und 25b, Dom Römer, Frankfurt am Main (Foto: Stefan Müller)
Braubachstraße 29, Frankfurt am Main (Foto: Stefan Müller)

Geprägt von Hans Kollhoff, in dessen Büro er als freier Mitarbeiter tätig war, entfernte Albers sich in seiner architektonischen und stadtplanerischen Ausrichtung vom Modernismus und schloss sich in Berlin einer Tendenz an, die mit dem Namen des Senatsbaudirektors Hans Stimmann verbunden ist. Kritiker sprechen auch vom »steinernen Berlin«. Es kam zu einer Polarisierung gegenüber jenen Architekten in der deutschen Hauptstadt, die sich nach wie vor der Moderne verpflichtet sahen. Zu der informellen Gruppe gehören Architektenkollegen wie Johannes Modersohn und Antje Freiesleben, Christoph Sattler und Thomas Albrecht, Tobias Nöfer, Petra und Paul Kahlfeldt sowie andere mehr. Publizistisch begleitet wurde ihre Arbeit von den Theoretikern Fritz Neumeyer, Martin Kieren, Gerwin Zohlen und Rainer Haubrich.

Was seine architektonische Haltung betrifft, gehörte Albers nicht zu den dogmatischen Exponenten wie etwa die Gebrüder Patzschke (Hotel Adlon). Wenngleich er die in Berlin gern «Traditionalismus» genannte Gestaltungsweise nicht wie diese als unverzichtbaren «Baustil» verstand und seine Häuser (mit wenigen Ausnahmen wie seine Bauten der neuen Altstadt Frankfurts) nicht als historistische Wiedergänger auftreten, war er doch 1:1-Rekonstruktionen nicht abgeneigt. – Wenn sie denn wegen der Bedeutung am Ort des Geschehens begründbar schienen. So entstand 2012 in Potsdam die Replik des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Palais Barberini als Kunstmuseum der Sammlung des SAP-Gründers Hasso Plattner – ein Publikumsrenner.

Das Gerber, Stuttgart (Foto: Stefan Müller)
Elpro-Haus, Berlin (Foto: Stefan Müller)

Mit dem Stresemann-Quartier beteiligte sich Albers am Wiederaufbau des Potsdamer Platzes in Berlin und präsentiert eine Melange aus Historismus, früher Moderne und Art Deco. In Stuttgart konnte er beim Österreichischen Platz in der Innenstadt fast einen ganzen Straßenblock gestalten – mit einem mächtigen, für die Nesenbachmetropole vielleicht ein wenig zu imperialen Auftritt; ein Projekt von geradezu städtebaulichem Zuschnitt also. Dem Städtebau, obwohl nicht seine Hausdisziplin, sah er sich immer verbunden.  

Als der Senat von Berlin 1995 die Aufwertung der Citybereiche beschloss, initiierte Senatsbaudirektor Stimmann das »Planwerk Innenstadt« als strategische Initiative zur Zusammenfassung verschiedenster Entwicklungsmaßnahmen in einer ganzheitlichen Planung. Die Verfasser des Planwerks für den Bereich der historischen Mitte: Dieter Hoffmann-Axthelm und Bernd Albers. Schwerpunkt der vorgeschlagenen Planung ist die weitgehende Rekonstruktion der zu DDR-Zeiten devastierten Stadträume.

 

Galerie Bob van Orsouw, Zürich (Foto: Heinrich Helfenstein, gta Archiv / ETH Zürich)
Molkenmarkt, Berlin, Wettbewerb 2021 (Visualisierung: Bernd Albers Gesellschaft von Architekten)

Für einen Teilbereich, den Molkenmarkt, gewann Albers in Zusammenarbeit mit Vogt Landschaftsarchitekten (Zürich) vergangenen Dezember als einer von zwei Siegern den offenen städtebaulichen Wettbewerb. Der Entwurf mit dem »starken Bezug zum historischen Ort« (Jury) soll in einem Werkstattverfahren mit den »innovativen Ansätzen« (Jury) des Büros OS arkitekter aus Kopenhagen kombiniert realisiert werden.

Auch in Dresden waren seine städtebaulichen Ideen gefragt. Dort gewann er 2019 den Wettbewerb zur Neugestaltung von Königsufer und Neustädter Markt. Einen weiteren bemerkenswerten Erfolg konnte Albers in Zusammenarbeit mit Silvia Malcovati (Mailand/Potsdam) und Vogt Landschaftsarchitekten 2020 beim «Internationalen Städtebaulichen Ideenwettbewerb Berlin-Brandenburg 2070« einfahren. Dabei ging es um Ideen zum Zusammenwachsen von Landschaft und Stadt in und um Berlin.  

Bernd Albers erlag am 19. April in Berlin einem Krebsleiden. Die Stadt, ihre Bauverwaltung und die Stadtöffentlichkeit verlieren mit ihm einen unermüdlichen Ideengeber, Antreiber und Kämpfer für eine lebenswerte Urbanität und eine identitätsstiftende und -erhaltende planerische Fortentwicklung im Sinne der Idealvorstellung der »europäischen Stadt«.

 

Stresemann-Quartier, Berlin (Foto: Stefan Müller)
Townhaus Friedrichswerder, Berlin (Foto: Stefan Müller)

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