Neubau Kinderzentrum Bethel in Bielefeld

Kleinteilige Baukörper

Peter Petz
10. May 2017
Blick auf den Haupteingang

Peter Petz: Durch einen Ersatzneubau soll in Bielefeld mit dem Kinderzentrum Bethel ein vorbildliches Kinderkrankenhaus entstehen. Welche Ausgangssituation haben Sie vorgefunden?
Rainer Hascher: Die Architektur des derzeitigen Kinderzentrums stammt aus dem Jahr 1969; trotz laufender Anpassungen und Erweiterungen ist das Raum- und Funktionskonzept nicht mehr zeitgemäß. Hinzu kommen die aktuellen Vorgaben zur Energieeffizienz und zum Brandschutz sowie die Anforderungen zur modernen Hygiene: Diese neuen Verordnungen wären im Bestandsgebäude langfristig nur mit einem hohen finanziellen Aufwand zu erfüllen.
Das damalige Baukonzept sah eine strikte Trennung der Kinder von ihren Eltern vor. Besuche wurden, wenn überhaupt, nur stundenweise zugelassen. Übernachtungsmöglichkeiten für Eltern waren damals gar nicht vorgesehen. Deshalb sind die Patientenzimmer im derzeitigen Kinderzentrum gemäß den heutigen Bedürfnissen deutlich zu klein.
Um den jungen Patientinnen und Patienten und ihren Eltern die beste Behandlung in einer individuellen, den Bedürfnissen angemessenen Atmosphäre zu ermöglichen, ist der Bau eines neues Kinderzentrum aus diesen gerade genannten Gründen unerlässlich. Es soll dabei eine baulich attraktive und gleichzeitig kostengünstige Lösung realisiert werden. 

Bestand (Bild: TIM-online NRW)

Wie binden Sie das Kinderzentrum in den städtebaulichen Kontext ein?
Das Baufeld befindet sich in einer Talsohle, die sich entlang des Sparrenbergs erstreckt. Es wird von der bewegten Topographie und den umgebenden Grünräumen geprägt.
Der Entwurf zeichnet sich durch eine fein gegliederte Baukörperstrukur einzelner kleinerer, gegeneinander verdrehter Pavillons aus, die sich entlang einer großzügigen Magistrale entwickeln. Die Auflösung in kleinteilige, einzelne Baukörper nimmt die umgebende städtebauliche Körnung auf und schafft einen kindgerechten Maßstab. Die Magistrale folgt dem Lauf der Talsohle und bildet das Rückgrat des gesamten Gebäudekomplexes. Sie weitet sich zur Eingangshalle hin auf, verjüngt sich im weiteren Verlauf und knickt gegenläufig. So entstehen Räume für Spielzonen und Aufenthaltsbereiche. Durch die geknickte Form der Magistrale und die Anlagerung der quadratischen Pflegepavillons entstehen «tanzende Baukörper», die Bezug zu den verspringenden Baufluchten auf der anderen Straßenseite des Bethesdaweges aufnehmen und der Kinderklinik eine spannungsvolle und spielerische Erscheinung verleihen.

Lageplan

Wie organisieren Sie das Kinderzentrum?
Die Funktionen des Neubaus werden auf drei Obergeschossen verteilt. Im Erdgeschoss befinden sich alle Untersuchungs- und Behandlungsbereiche. Notfall, Radiologie sowie die Ambulanzmodule liegen auf der Nordseite der Magistrale, Schulungs- und Beratungszentrum sowie das Therapiezentrum werden südlich der Magistrale zum Grünraum hin angeordnet. Auch die hellen Wartebereiche im Zentrum der Magistrale sowie die Cafeteria mit ihrer vorgelagerten Außenterrasse öffnen sich zum südlich angrenzenden Grünraum.
Im ersten Obergeschoss liegen die 6 Teilstationen der Kinderkrankenpflege, im darüber liegenden Geschoss werden die Neonatologie, die Intensiveinheiten sowie benachbart der OP mit Endoskopie platziert. Der OP ist über die Vertikalerschließung auf direktem Wege mit dem Notfall verknüpft.
Aufenthalts- und Spielbereiche befinden sich zwischen den jeweiligen Teilstationen der Pflegestationen in der Magistrale. Den Spielbereichen sind jeweils Außenterrassen mit Spielzonen zum südlich gelegenen Grünraum vorgelagert. Die helle lichtdurchflutete Magistrale ist mit dem darüber liegenden Geschoss über Lufträume verbunden und erhält eine hohe Aufenthaltsqualität. Auch die Neonatologiestationen im 2. Obergeschoss erhalten jeweils eine Terrasse nach Süden ins Grüne. Das modulare Konzept berücksichtigt in allen Bettenzimmern die Unterbringung von Eltern.

Grundriss Erdgeschoss
Schnitt

Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?
Drei Themen waren ausschlaggebend für den Entwurf: Die harmonische Verbindung mit der Umgebung, eine kindgerechte Gestaltung und die Zukunftsfähigkeit durch den möglichen Anschluss an das neue Erwachsenenklinikum Gilead I.
Die Verbindung mit der Umgebung wird durch die moderate ein- bis dreigeschossigen Gebäudehöhe und durch die Integration in den vorhandenen Grünraum und städtebaulichen Kontext erzeugt. Durch die Einbettung des Erdgeschosses in den Hang, tritt nur ein geringer Anteil des wirklichen Gebäudevolumen in Erscheinung. Die feingliedrige Baukörperstruktur, gepaart mit der farbig gestalteten Fassade, lassen ein stimmiges Gesamtbild mit der Umgebung entstehen. Des Weiteren ermöglicht die Kleinteiligkeit der «tanzenden Baukörper» zusammen mit den großzügigen Spielbereichen der geknickten Magistrale eine kindgerechte räumliche Gestaltung.
Für den längerfristigen Erweiterungsbau Gilead I werden alle zu verknüpfenden Funktionsbereiche des neuen Kinderzentrums am nordwestlichen Ende des Baugebietes, nahe dem Baufeld für den Erweiterungsbau positioniert: OP, Neonatologie, Notaufnahme, Radiologie, Eingangsbereich sowie der Ver- und Entsorgungsbereich können mit dem Erweiterungsbau auf den verschiedenen Geschossen verbunden werden. 

Ansicht

Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?
Das gestalterische Prinzip und der architektonische Ausdruck des Baukörpers und Fassade beruhen nicht auf der Wirkung des Einsatzes teurer Materialien oder Oberflächen, sondern auf der Kombination natürlicher, umweltverträglicher und unbehandelter Baustoffe, die die Materialität und Farbigkeit der Umgebung aufnehmen.

Detail

Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Die Fertigstellung des Kinderzentrums Bethel ist 2022 geplant.

Modell

Neubau Kinderzentrum Bethel, Bielefeld
Nichtoffener Realisierungswettbewerb

Auslober/Bauherr: Evangelisches Krankenhaus Bielefeld gGmbH, Bielefeld
Betreuer: Drees & Huesmann Planer, Bielefeld

Jury
Prof. Eckhard Gerber, Vors. | Georg Brechensbauer | Jochen König | Joachim Staudt | Nikolaus Kaltenbach

1. Preis
Architekt: HASCHER JEHLE Architektur, Berlin
Architekt: Monnerjan Kast Walter Architekten, Düsseldorf

2. Preis
Architekt: crayen + bergedieck Architekten Stadtplaner, Bielefeld
Architekt: tsj tönies + schroeter + jansen freie architekten, Lübeck, Hannover
Landschaftsarchitekt: Peters + Winter Landschaftsarchitekten BDLA, Bielefeld
TGA: PGMM Planungsgruppe M+M AG, Böblingen, Naumburg, Dresden, Hamburg, Eschborn, Leipzig, München
Tragwerksplaner: WTM Engineers, Hamburg, Berlin, München

3. Preis
Architekt: Heinle, Wischer und Partner Freie Architekten, Berlin, Stuttgart, Köln, Dresden, Breslau, Berlin, Berlin
Landschaftsarchitekt: UKL Ulrich Krüger Landschaftsarchitekten, Dresden

4. Preis
Architekt: Freudenfeld + Krausen + Will Architekten, München
Landschaftsarchitekt: Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten und Stadtplaner, München, Berlin
TGA: Bloos Däumling Huber, München