Transformation Schlosserhof in Stuttgart von InteriorPark

Neues Leben für Ruine

Thomas Geuder
16. April 2018
Im Stuttgarter Lehenviertel ist in einem Hinterhof ein fast gänzlich verfallenes Werkstattgebäude von InteriorPark wieder zum Leben erweckt worden. (Bild: Andreas Körner, bildhübsche fotografie)

Projekt: Transformation Schlosserhof (Stuttgart, DE) | Architektur: InteriorPark (Stuttgart, DE) | Bauherr: privat | Hersteller: diverse | weitere Projektdaten siehe unten

Der Stuttgarter Süden ist – wegen der beengten Kessellage eigentlich wie ganz Stuttgart – eines der am dichtesten bebauten Wohngebiete in Deutschland. Großzügige Hinterhöfe gibt es hier trotz gründerzeitlicher Blockrandbebauung nicht, da auch diese im Laufe der Zeit mit oft ebenso hohen Häusern zugebaut wurden. Manchmal findet man hier auch nur einstöckige Anbauten, in denen sich dann kleine handwerkliche Betriebe ihr Heim schufen. So auch bei dem Projekt „Schlosserhof“, das von dem Architekturbüro InteriorPark (ebenfalls aus Stuttgart) gestemmt wurde. Das einstöckige Bestandsgebäude aus dem Jahr 1904 war bei Beginn des Projekts im Jahr 2015 allerdings fast ganz verfallen, eine Ruine, die dennoch unter Bestandsschutz stand. Aufgabe war, diesen Innenhof-Annex mit dem unteren Geschoss eines Mehrfamilienhauses direkt daneben zu verbinden, um so eine großzügige und im Notfall zweiteilbare Wohnung zu erhalten. Angesichts der doch recht aussichtslosen baulichen Ausgangssituation war von Anfang an klar, dass das kein leichtes Unterfangen werden würde.

Trotz fortgeschrittenem Zerfall und eingestürztem Dach stand das ehemalige, ca. 1904 erbaute Gebäude unter Bestandschutz. (Bild: Andreas Körner, bildhübsche fotografie)

Das Konzept der Architektin Tina Kammer zur Lösung des gestalterischen wie konstruktiven Problems bestand denn auch aus zwei Teilen: Ihr ging es zum einen (und wegen des Bestandsschutzes) um den Erhalt der historischen Bausubstanz und gleichzeitig um die Neuinterpretation des historischen Werkstattcharakters. Und – was bei InteriorPark stets mitschwingt – um den Einsatz lokaler und natürlicher Materialien, damit drinnen ein gesundes Wohnraumklima entsteht. Der individuelle Charakter der einzelnen Bereiche sollte so neu interpretiert und der historische Charme in die Neuzeit transferiert werden, mit dem Ziel, eine (laut Architektin) „individuelle Wohlfühloase im urbanen Kontext zu erschaffen“. Das erforderte vor allem in der Rohbauphase einen sensiblen Umgang mit dem Bestand, denn mit einem Einsturz wäre auch der Verlust der Baugenehmigung verbunden gewesen. Aus statischen Gründe war auch die Adaption der Grundrisse des Hinterhauses nicht möglich, weswegen – was durchaus als Überspitzung der baulichen Situation gesehen werden kann – alle Wände vom Putz befreit wurden, um die originale Bachsteinwände mit allen Imperfektionen immer wieder sichtbar zu machen.

Links zwischen Werkstattgebäude und Mehrfamilienhaus, in dem sich der größte Teil der Wohnung befindet, sind die beiden durch einen Anbau ergänzt, der fortan als Eingangsbereich dient. (Bild: Andreas Körner, bildhübsche fotografie)

„Bei der Auswahl aller Materialien lag der Fokus auf der Nachhaltigkeit“, beschreibt Tina Kammer ihr Materialkonzept. Im Einzelnen bedeutet das: Die Fensterrahmen aus massiver, geölter Eiche wurden von einem lokalen Handwerksbetrieb gefertigt. Douglasie aus nachhaltiger Forstwirtschaft im Schwarzwald (pur natur) wurde in der Küche verwendet. Natürliche Materialien wie Lehm (Claytec), Kalkputz, Kalkfarbe, Holzfaserdämmung und Linoleum (Forbo) erzeugen ein gesundes Innenraumklima. Die Armaturen (Dornbracht), Griffe (FSB), Rauchmelder und Steckdosen (Jung) stammen von deutschen Traditionsunternehmen mit nachhaltiger Produktion. So werden der Entwurf und die Ausführung durch eine gänzlich reduzierte Form- und Materialsprache bestimmt, mit der die Architektin eine stimmige Antwort auf den schwierigen Spagat zwischen nahezu abbruchreifem Bestand und dem Anspruch einer modernen, zeitlosen Gestaltungssprache findet.

Die ehemalige Werkstatt ist nun ein großer, heller Raum mit zwei jeweils 2 x 4 m großen Oberlichtern, die in Anlehnung an die vorherige Substanz ins Dach integriert wurden. (Bild: Andreas Körner, bildhübsche fotografie)
Zum unteren Geschoss im direkt benachbarten Mehrfamilienhaus gibt es jetzt einen Durchgang, der gleichzeitig Eingangsbereich zur gesamten Wohnung ist. (Bild: Andreas Körner, bildhübsche fotografie)
Von einem Podest in der Küche aus hat man den weiten Blick zurück in den großen Raum der ehemaligen Werkstatt. (Bild: Andreas Körner, bildhübsche fotografie)
Neben dem großen, zentralen Bad gibt es noch eine Gästetoilette direkt im Eingangsbereich und eine weitere Toilette mit Dusche im hinteren Bereich. (Bild: Andreas Körner, bildhübsche fotografie)
Der zweite größere Raum ist mit großen Fensteröffnugnen ebenfalls sehr hell gestaltet. (Bild: Andreas Körner, bildhübsche fotografie)
Links geht es Richtung Hauptküche, rechts befindet sich die zweite Küche, hinter dem transluzenten Glas in der Mitte befindet sich die Dusche des kleinen Bades. (Bild: Andreas Körner, bildhübsche fotografie)

Vergleich vorher – nachher im Blid: Transformation Locksmithery - Transformation Schlosserhof (Interiorpark, Dauer: 3:55 min.)

Lageplan (Quelle: InteriorPark)
Grundriss (Quelle: InteriorPark)
Schnitt (Quelle: InteriorPark)
Eine fast gänzlich verfallene Ruine war das ehemalige Werkstattgebäude. (Bild: Andreas Körner, bildhübsche fotografie)
Das Dach war schon vor Jahren eingestürzt, die drei verbleibenden Wände mussten gegen Einsturz gestützt werden. (Bild: Andreas Körner, bildhübsche fotografie)

Projekt
Transformation Schlosserhof
Stuttgart, DE

Architektur
InteriorPark
Tina Kammer
Stuttgart, DE

Bauherr
privat

Hersteller
Fenstergriffe, Türgriffe:
FSB – Franz Schneider Brakel GmbH & Co. KG
Brakel, DE

Armaturen:
Aloys F. Dornbracht GmbH & Co. KG
Iserlohn, DE

Douglasie Holz:
pur natur Holzprodukte Ruthard Männle e. K.
Zell am Harmersbach, DE

Linoleum:
Forbo Flooring GmbH
Paderborn, DE

Rauchmelder, Steckdosen:
Albrecht Jung GmbH & Co. KG
Schlksmühle, DE

Lehmputz:
Claytec e. K.
Viersen, DE

Wohnfläche
200 m²

Deckenhöhen
2,50 m bis 4,80 m

Fertigstellung
2017

Fotografie
Andreas Körner, bildhübsche fotografie


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