Sinnliche Botschaft

Carsten Sauerbrei
11. August 2017
Das Ausbildungs- und Begegnungszentrum konzipierten die Architekten als kubischen Solitär im städtebaulich heterogenen Umfeld der Lehrter Straße in Berlin-Moabit. (Bild: Werner Huthmacher)

Wie gibt man einem Haus, das ein Beratungszentrum für Kinder und Jugendliche mit Förderbedarf, Hotel mit Tagungsräumen und ein Ausbildungsrestaurant in sich vereint, eine klare, architektonische Identität? Dieser Aufgabe musste sich das Berliner Büro Ludloff + Ludloff Architekten mit dem Mitte Juli in Berlin-Moabit eröffneten Neubau für den Verein SOS-Kinderdorf Berlin stellen. Sie fanden eine hervorragende Lösung, indem sie Material- und Farbenvielfalt mit präzisen Konstruktionen und dem zum Haus passenden Thema der räumlichen Begegnung verknüpften.

Die Fassade des 3. bis 6. Obergeschosses bilden Holzrahmenelemente mit Robinienverkleidung und mit transluzentem Glasfaser- Gittergewebe bespannte und teils verschiebbare Paneele. (Bild: Werner Huthmacher)

Schon im äußeren Erscheinungsbild des sechsgeschossigen Gebäudes, das das deutsch-österreichische Architektenduo als markanten Solitär im heterogenen Umfeld der Lehrter Straße konzipierte, zeichnet sich ihr Verständnis von Architektur als sinnlichem Ereignis und ihr Entwurfskonzept, Begegnung räumlich zu gestalten, klar ab. Das Erdgeschoss bildeten sie als gläserne, einladende Zone mit öffentlichen Nutzungen wie dem Ausbildungsrestaurant aus. Die darüber liegenden Geschosse schützen sie dagegen mit nach unten immer stärker schräg angebrachten, mit transluzentem Glasfaser-Gittergewebe bespannten und teils verschiebbaren Tafeln vor allzu viel Sonnenlicht und unerwünschten Einblicken. Ab dem dritten Geschoss verwendeten sie statt Vollverglasung Holzrahmenbauelemente mit Robinienverkleidung als Fassadenkonstruktion und vervollständigen damit die überaus attraktive Komposition aus Material und Form.

Eine geschwungene Treppe verbindet das ebenerdig gelegene Ausbildungsrestaurant mit dem Konferenzbereich im Obergeschoss. (Bild: Werner Huthmacher)

Im Inneren tritt noch stärker die sinnliche Formensprache, die die Architektur von Ludloff + Ludloff unter anderem auszeichnet, in den Vordergrund, und zwar mit einer gelungenen Kombination von Sichtbetonflächen mit Holzverkleidungen und farbigen Böden, Decken und Wänden sowie teils offen gezeigter, teil transluzent verkleideter Haustechnik. Mit einer geschwungenen Treppe und geschossübergreifenden Durchblicken schaffen die Architekten eine Verbindung zwischen dem Restaurant im Erdgeschoss und dem Konferenzsaal im Obergeschoss. Darüber befinden sich Ausbildungs- und Beratungsräume, 28 Hotelzimmer mit Tagungsbereich und – als Krönung des Hauses - eine Bar mit Dachterrasse. Mit dem Neubau zeigen Ludloff + Ludloff eindrucksvoll, wie räumliche Vielfalt und sinnliche Formensprache trotz knappem Budget und nur 4.354 Quadratmeter Bruttogeschossfläche möglich ist.

Die Innenräume wie zum Beispiel den Konferenzsaal gestalteten Ludloff + Ludloff mit einer präzisen Vielfalt an Farben, Formen und Materialien. (Bild: Werner Huthmacher)