Inspirierende Bildungsbauten, gewitzte Umgestaltungen und ein Experiment – der Bauherrenpreis 2022

Manuel Pestalozzi
18. noviembre 2022
Bildungscampus Nüziders, Architektur: Fink Thurnher Architekten, Bauherrschaft: Gemeinde Nüziders (Foto © Finkthurnher Mackowitz)

Die Zentralvereinigung der ArchitektInnen Österreichs würdigt mit ihrem Bauherrenpreis schon seit den 1960er-Jahren nicht nur Architekturschaffende, sondern vor allem auch Auftraggeber, ohne deren Vertrauen und Einsatz herausragende Architektur nicht entstehen könnte. Dieses Jahr wurden 86 Bauten eingereicht. 18 Projekte wurden von den Nominierungsjurys in den Bundesländern ausgewählt. Die Hauptjury, bestehend aus dem Architekturjournalisten Wojciech Czaja, dem Schweizer Architekten Armando Ruinelli und der Südtiroler Architektin Michaela Wolf, bestimmte schließlich fünf Preisträger. 

Die Hälfte der 18 nominierten Projekte ist im Bereich Bildung angesiedelt. Es handelt sich um Kindergärten, Volks-, Mittel- und Fachhochschulen, Universitäten sowie Forschungseinrichtungen. Das sei überproportional viel, meinte Wojciech Czaja. Dies habe die Jurymitglieder hoffnungsvoll gestimmt, denn diese Bauten seien eine gute Investition in die Zukunft der Baukultur. Er erhofft sich, dass Architekturschaffende und Auftraggeber der nächsten Generation durch sie noch sensibler, noch wissender und noch kompetenter sein werden. Die fünf ausgezeichneten Projekte sind über das ganze Land verteilt, doch die Stadt Salzburg konnte einen »Doppelerfolg« feiern. 

Modernisierung und Aufstockung einer Wohnanlage in Salzburg, Architektur: cs-architektur mit stijn nagels | architecture atelier, Bauherrschaft: Heimat Österreich (Foto © Volker Wortmeyer)
Modernisiert und aufgestockt

Anstatt die 1985 errichtete Wohnanlage an der Friedrich-Inhauser-Straße in Salzburg abzureißen oder lediglich thermisch zu sanieren, entschied sich der gemeinnützige Bauträger Heimat Österreich für ein Forschungsprojekt: Das Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen erstellte zwei Studien unter dem Titel »ZeCaRe« (Zero Carbon Refurbishment) beziehungsweise »ZeCaMo« (Zero Carbon Mobility). Die Forschenden gingen der Frage nach, wie man die Bestandsbauten ertüchtigen und mit innovativen Mobilitätsdienstleistungen aufwerten könnte, ohne dabei einen großen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen. 

Während der Bauzeit bekamen die Mieter*innen Ersatzwohnungen angeboten und wurden ausgesiedelt. Die Dächer wurden entfernt, die Geschosse komplett entkernt und die Grundrisse auf den heutigen Stand der Wohnkultur gebracht. Im Sinne der innerstädtischen Verdichtung bekam jedes Haus zudem eine zweigeschossige Aufstockung. Auf diese Weise wurde die Anzahl der Wohnungen von 75 auf 99 erhöht. Die alte Silhouette blieb dank der Gestaltung der Büros cs-architektur und stijn nagels | architecture atelier an den Fassaden ablesbar. In Zusammenarbeit mit der Salzburger Soziologin Rosemarie Fuchshofer ist es gelungen, 25 Prozent der ehemaligen Mieter*innen anschließend zurückzugewinnen.

Umbau der Pädagogischen Hochschule Salzburg, Architektur: riccione architekten, Bauherrschaft: BIG Bundesimmobiliengesellschaft (Foto © Gregor Graf)
Lückenschluss

Auch bei der zweiten Preisträgerin aus Salzburg handelt es sich um einen Umbau: Die Pädagogische Hochschule, Teil eines größeren Schulkomplexes im Salzburger Nonntal, wurde in den späten 1960er-Jahren errichtet. Die Bundesimmobiliengesellschaft untersuchte zunächst zwei Szenarien: Abbruch und Neubau einerseits, Sanierung und Erweiterung andererseits. Schließlich überließ sie die Entscheidung aber den 64 Teilnehmenden des EU-weiten Wettbewerbs. 

riccione architekten gewannen diesen mit einem ganzheitlichen, nachhaltigen Ansatz: Die beiden Gebäudetrakte mit den charakteristischen Betonplatten an der Fassade wurden erhalten. Ein neuer Bau mit einer Aula, Lernzonen und einem abgesenkten Hörsaal für 400 Personen verbindet sie nun miteinander. Der Altbestand wurde entkernt, die Zwischendecken entfernte man. Übrig blieb eine rohe, archaische Struktur, die mit neuen Elementen gefüllt wurde.

Architekt Tilwin Cede erläuterte das Projekt im Sommer dieses Jahres in unserer Rubrik »Bau der Woche« und gab Einblick in den Entwurfsprozess.

Umgemodelt und gestärkt

Nachdem der Schulcampus der Vorarlberger Gemeinde Nüziders zu klein geworden war, musste die Anlage erweitert werden. Nüziders schrieb einen zweistufigen, EU-weiten Wettbewerb aus. Die Gemeinde definierte, welche Trakte unbedingt erhalten werden müssen und welche technisch und funktional veralteten Gebäudeteile für den Abbruch infrage kommen. Sie entschied auch, die Schulbibliothek mit der öffentlichen Dorfbücherei in einem Raum zusammenzulegen, und lud den einstigen Architekten Bruno Spagolla ein, den Juryvorsitz zu übernehmen. 

Fink Thurnher Architekten stellten auf raffinierte Weise das Raumprogramm auf den Kopf, ohne dabei den Charakter des Ensembles zu beeinträchtigen. Kindergarten und Turnhallentrakt wurden abgerissen und durch zwei neue Bauten ersetzt. Im Süden entstanden abgesenkte Turn- und Bewegungshallen sowie ein Probenraum für den örtlichen Musikverein. Im nördlichen Teil wurde ein zweigeschossiger Neubau errichtet, der fast nahtlos an den Bestand anschließt. Während dort nun die Volksschule samt Bücherei untergebracht ist, übersiedelte der Kindergarten in die ehemaligen Schultrakte.

IKEA Wien Westbahnhof, Architektur: querkraft architekten (Foto © Christina Häusler)
Ein Möbelhaus mit Mehrwert

Im Gegensatz zur klassischen blau-gelben Möbelkiste am Stadtrand gleicht das Gebäude der Möbelkette IKEA am Wiener Westbahnhof einem weißen Regal, in dessen Fächern Erker, Lifte, Stiegenhäuser, Lüftungsrohre und eingetopfte Bäume platziert und diverse Gräser, Stauden und Beeren angepflanzt sind. 160 Stahl-Pflanzkübel sind mit Feuchtigkeitssensoren und automatischer Be- und Entwässerung ausgestattet. Durch atriumartige Einschnitte gelangt ausreichend Tageslicht ins Innere. 

Die österreichische Geschäftsniederlassung von IKEA entwickelte mit der neuen Filiale einen Bau, der nicht allein den Prinzipien Effizienz, Neuromarketing und Umsatzsteigerung folgt, sondern sich als Experiment versteht und neue Varianten des innerstädtischen Möbelhandels austestet. Im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages mit der Stadt Wien verpflichtete sich IKEA, die Dachterrasse öffentlich zugänglich zu machen und für das Projekt einen internationalen Wettbewerb auszuschreiben.

Weinhof Locknbauer, Tieschen, Architektur: Mascha Ritter, Bauherrschaft: Lukas Jahn (Foto © Simon Oberhofer)
Doppeltes Erstlingswerk

»Er hat noch nie zuvor ein Bauprojekt in Auftrag gegeben. Sie hat noch nie zuvor etwas gebaut.« So beginnt die Beschreibung des fünften ausgezeichneten Projekts durch die Jury. Nach einem gemeinsamen Abendessen in einer Berliner WG entschieden sich Lukas Jahn und Mascha Ritter, bei diesem Umbauprojekt einen kleinen, intakten Teil eines bestehenden Kuhstalls zu erhalten und sich bei den neuen Zu- und Anbauten an der Silhouette des bisherigen Wirtschaftsgebäudes zu orientieren. Ihr gemeinsames Ziel war es, regionale Bautypologien sensibel neu zu interpretieren. 

Im Norden des 50 Meter langen Gebäudes befindet sich die Verarbeitung samt Pressbereich und Kühlhaus. In der Mitte ist der Weinkeller mit Verkauf- und Verkostungsbereich untergebracht. Am südlichen Ende befindet sich die Buschenschank, für die Lukas Jahn ein eigenes Gastronomiekonzept entwickelt hat. Nachhaltigkeit bezieht sich bei diesem Projekt nicht nur auf die Wein- und Speisekarte. Sie zeigt sich vielmehr auch im Einsatz von Holz, in der intensiven Zusammenarbeit mit lokalen Handwerker*innen, im generellen Verzicht auf Kunststoffe, in der Errichtung einer unterirdischen Regenwasserzisterne für die Bewässerung der Weinreben und im zimmermannsmäßigen Dachstuhl mit seinen Hunderten Stabdübeln.

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