Architektur der Lustgefühle

Ein Nachruf auf Gustav Peichl

Falk Jaeger
20. novembre 2019
Aufnahme Gustav Peichls am 12. Juni 2013 im Roten Salon des Wiener Rathauses (Foto: Franz Johann Morgenbesser/CC BY-SA 2.0)
»Eine Architektur, die keine Lustgefühle erzeugt, ist keine Architektur.«

Gustav Peichl

In ein Schema ließ er sich nicht pressen, der 1928 in Wien geborene Gustav Peichl. Vielleicht war er anfangs zu den »Technizisten« zu zählen. Er war bekannt geworden mit den Studiobauten für den ORF in Linz, Salzburg, Innsbruck und Dornbirn. Alle folgen dem selben Entwurfs- und Konstruktionsprinzip, bei dem Büros als Kreissektoren um eine zentrale Halle angeordnet sind. Das Design der Gebäudeteile erinnerte an Modul-, Fahrzeug- und Schiffsbauten. Mit den chromblitzenden Installationen, Relings und Antennen, die durch bewusste gestalterische Umformung als architektonische Elemente eingesetzt sind, nahm er Ende der 1960er-Jahre die amerikanische High-Tech-Bewegung vorweg.

Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn (Foto: Raimond Spekking via Wikimedia Commons)

In Berlin-Tegel entstand 1985 im Rahmen der IBA die Phosphateliminationsanlage, ein signifikanter Bau, der es als profane Kläranlage zu höchsten architektonischen Ehren brachte. Wie ein Frachter an Land, so erscheint er. Die Schiffsmetapher entsprang der reinen Lust an der signifikanten Form in einer langweiligen Umgebung. »Eine Architektur, die keine Lustgefühle erzeugt, ist keine Architektur«, so eine von Peichls Thesen. Um dieses Lustgefühl zu erzeugen, ließ er schon mal die Pausenhalle einer Grundschule mit hellblauem Wölkchenhimmel ausmalen.

Wenn er auch dem Narrativen frönte, als Postmoderner wollte er partout nicht gelten, da hob er unmerklich die linke die Augenbraue und fixierte einen durch die schwarze Le Corbusier-Brille. Vielmehr propagierte er den Begriff der »Paramoderne«, der sich aber nicht durchsetzte, wie man weiß.

ORF-Landesstudio Burgenland (Foto: Deneb [Public domain] via Wikimedia Commons)

Gezeichnet hat er, anders als damalige Kolleg*innen, nicht fürs Museum. Zeichnend jedoch ließ er seinem hintergründigen Humor freien Lauf, als Karikaturist unter dem Pseudonym »Ironimus« ab 1954 für die Wiener Presse und ab 1960 für die Süddeutsche Zeitung. Gustav Peichl war waschechter Wiener, humorvoll, ein wenig frivol, aber manchmal ganz schön ätzend, in den maßgeblichen Zirkeln eng vernetzt.

Durch sein politisches Engagement für die ÖVP kam er auch mit dem deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl in Verbindung, zu dessen Berater in Sachen Architektur er avancierte, etwa als es um den Bau des Deutschen Historischen Museums in Berlin ging. Später errichtete er in Bonn die Bundeskunsthalle (1992) und für den Bundestag in Berlin den Kindergarten neben dem Abgeordnetenhaus (1999) – mit zwei Kuppeln, die unzweideutig an die stillende Mama erinnern.

1973 bis 1996 war er Professor und Leiter der Meisterschule für Architektur an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Seit 1984 war er Mitglied der Akademie der Künste in Berlin.

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