Zwischen Privatsphäre und Nachbarschaft

Ulf Meyer
26. août 2021
Foto © David Schreyer

Mit der ganzen Großfamilie zusammenzuwohnen ist eine romantische Vorstellung. Doch so schön die Idee auch ist, sie hat ihre Tücken, wie man sich leicht ausmalen kann: Zwar sind die Wege kurz und die Kinder können miteinander spielen, aber das Bedürfnis nach Privatsphäre gibt es freilich dennoch. Beiden Wünschen – jenem nach Gemeinschaft und jenem nach einem eigenen Raum – gerecht zu werden, war das Ziel des Bregenzer Büros Hein Architekten, als das Team das »Haus für Familie W.« gestaltet hat. Der schlicht-elegante Holzbau bietet vier Generationen Platz. Das Haus steht am Stadtrand von Feldkirch.

Die Bauherrschaft besaß dort bereits ein Grundstück in bester Lage, umgeben von Häusern der Verwandtschaft. Um ein »nachhaltiges, zeitloses Gebäude« zu errichten, hat Matthias Hein zusammen mit seiner Projektleiterin Ligia Tarcea ein Haus entworfen, das aus zwei Riegeln besteht – einer wird nicht geheizt und dient als Garage, Lager und Sauna, der andere Gebäudeteil nimmt alle Wohnräume auf. Ein gedeckter Übergang verbindet beide im Bereich des Eingangs. Beide Riegel haben Satteldächer und setzen damit die Bebauungsstruktur rundherum fort. Das benachbarte Elternhaus der Bauherren mit Arztpraxis wurde 1988 von Roland Gnaiger entworfen. An ihm orientieren sich nun Form und Dachneigung des Neubaus. Gnaiger sei ein Vorbild, »jemand, den man gerne architektonisch beerben würde«, sagt Matthias Hein dazu. 

Die Konfiguration des neuen Hauses lässt abwechslungsreiche Außenräume entstehen: ein Art zentralen Hof für die Großfamilie, einen beschaulichen Garten und einen Vorplatz an der Lindenallee. Die gedeckte Terrasse orientiert sich dabei zum Hof. Dazu gibt es zum Garten hin einen weiteren gedeckten Außensitzplatz.

Die beiden Gebäudeteile sind durch ein schlankes Vordach miteinander verbunden. (Foto © David Schreyer)
Die Fassade besteht im oberen Teil aus sägerauen Tannenbrettern. (Foto © David Schreyer)
Zum Garten hin verfügt das Haus über eine gedeckte Terrasse. (Foto © David Schreyer)

Auf Wunsch der Auftraggeber wurde das Haus in Holzbauweise errichtet. Die Tragkonstruktion wurde innerhalb von nur zwei Tagen aufgestellt. Das Tannenholz der Schirmfassade ist im Erdgeschoss gehobelt, während es im Bereich des Obergeschosses sägerau geblieben ist. Erst mit den Jahren wird der natürliche Alterungsprozess diesen Unterschied in der Oberflächenstruktur voll zur Geltung bringen. 

Im Esszimmer gibt es ein Canapé am Fenster. (Foto © David Schreyer)
Foto © David Schreyer
Die Oberflächen im Inneren des Baus bestehen aus unbehandeltem Holz. (Foto © David Schreyer)

Im Inneren wurde indes Wert auf Tageslicht, Ausblicke auf die nahen Berge und reichhaltige Raumerlebnisse gelegt. Die Kinderzimmer im Obergeschoss entwickeln sich über eine zweite Ebene bis unter das Dach und werden aus zwei Himmelsrichtungen belichtet. Die Oberflächen bestehen aus Holz, der Boden etwa aus Esche. Sie sollen ausdrücklich altern und Patina ansetzen. 

Weiße Putzwände kontrastieren im Obergeschoss mit den hölzernen Oberflächen. (Foto © David Schreyer)

Die Zusammenarbeit zwischen der Bauherrschaft, seinem Büro und der Zimmerei als Generalunternehmerin sowie den Handwerkern sei respektvoll und effizient gewesen, resümiert Matthias Hein. Als »Planung light« bezeichnet er sein Konzept, möglichst viele Werkpläne von der Zimmerei anfertigen zu lassen. Doch darf man sich nicht täuschen lassen und dies als ein Abgeben von Verantwortung auslegen: Auf alle Details und die Einbaumöbel hatte der Architekt die ganze Zeit über ein genaues Auge. 

Lageplan
Grundriss Erdgeschoss
Grundriss Obergeschoss
Querschnitt

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