Blütezeit im ehemaligen Kloster St. Katharinental

Daniela Meyer
29. 9月 2022
Aus der Vogelperspektive ist die Struktur des Klosterhofes, die sich an den ursprünglichen Zustand anlehnt, besonders gut erkennbar. (Foto: Hanspeter Schiess)

Dieser Beitrag wurde aus der Artikelserie »Gutes Bauen Ostschweiz« übernommen, die seit September dieses Jahres bei unserem Schweizer Partnermagazin auf swiss-architects.com ein neues Zuhause erhalten hat und dort in einer eigenen Rubrik erscheint. Mit dem Format leistet das Architektur Forum Ostschweiz seit 2011 einen wichtigen Beitrag zur Architekturvermittlung. In den Beiträgen werden Bauten, Landschafts- und Ortsplanungen in den Schweizer Kantonen Schaffhausen, Thurgau, St. Gallen, beider Appenzell, Glarus, Graubünden sowie im Fürstentum Liechtenstein besprochen, aber auch drängende Zukunftsthemen. Dies soll zu einer lebendigen Debatte um die Baukultur beitragen, zu der nicht nur Expert*innen, sondern alle eingeladen sind.
 
Die bisher publizierten Artikel finden Sie in zwei Bänden, die beim Schweizer Verlag Triest erschienen sind: »Raum. Zeit. Kultur« und »Stadt und Landschaft denken«.
 
Das Format wird getragen vom Bund Schweizer Architektinnen und Architekten (BSA), dem Bund Schweizer LandschaftsarchitektInnen (BSLA), dem Verband freierwerbender Schweizer Architekten (fsai), dem Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein (SIA), Swiss Engineering (STV) und dem Schweizerischen Werkbund (SWB) sowie von den Ostschweizer Kantonen und dem Fürstentum Liechtenstein.

Ist in der Schweiz von Denkmalschutz die Rede, denkt man in erster Linie an Baudenkmäler. Der Begriff Gartendenkmalpflege existiert zwar, doch Tatsache ist, dass bisher nur wenige Gärten in die Inventare der kunst- und kulturhistorischen Schutzobjekte aufgenommen und damit als Grünräume oder Rückzugsorte gesichert wurden. Erst vor wenigen Jahren haben einzelne Kantone und Gemeinden damit begonnen, Garteninventare zu erstellen. Im Thurgau kennt man eine solche Praxis bisher nicht. Dennoch haben das kantonale Hochbauamt und die Denkmalpflege erkannt, dass den Freiräumen des ehemaligen Klosters St. Katharinental in Diessenhofen eine besondere Bedeutung zukommt.

Das Parkpflegewerk macht Vorgaben zur Gesamtanlage, die vom Garten des Verwalterhauses (im Bildvordergrund) über den Klosterhof bis zum Klostergarten reicht. (Foto: Hanspeter Schiess)

Gerade beim Bautyp Kloster spielten die verschiedenen Nutz- und Ziergärten stets eine wichtige Rolle innerhalb der Gesamtkomposition. Doch meist sind nur die Gebäude erhalten geblieben, während die Gärten umgestaltet, zu Parkplätzen umgenutzt oder gar überbaut wurden. Exemplarisch für diese Transformation steht das am Rhein gelegene Kloster St. Katharinental. Mit der 1848 im Kanton Thurgau beschlossenen Aufhebung der Klöster ging die barocke Anlage, deren Anfänge bis in das 13. Jahrhundert zurückreichen, in den Besitz des Kantons über. Rund zwanzig Jahre später brachte dieser ein sogenanntes »Kranken- und Greisenasyl« darin unter. Dabei hat sich insbesondere der Klosterhof verändert. Die zuvor in einen Friedhof und einen Kreuzgarten zweigeteilte Struktur wurde aufgehoben. An ihre Stelle trat ein kasernenartiger Platz, bestückt mit Platanen. Die weiteren Freiräume, die das ehemalige Konventgeviert umgaben, wurden mit einfachen Mitteln den neuen Bedürfnissen angepasst, ohne dabei strukturelle Veränderungen vorzunehmen. Erst mit dem Umbau des Klosters zu einem Alters- und Pflegeheim in den 1970er-Jahren fanden tiefgreifende Eingriffe statt. Asphaltierte Zufahrten und zahlreiche Parkplätze sollten das Gelände den Autos zugänglich machen. Seit 1993 befindet sich eine Rehabilitationsklinik auf dem historischen Gelände. Deren Entwicklungspläne veranlassten das Hochbauamt 2017 dazu, einen Landschaftsarchitekten beizuziehen und ein Parkpflegewerk erstellen zu lassen. Dieses fungiert als Leitbild für die Weiterentwicklung der Außenräume und hält zudem fest, wie diese in der Praxis gepflegt werden sollen.

Blick auf den kreuzförmig angelegten Staudengarten, der gleichzeitig ein Therapiegarten ist. (Foto: Hanspeter Schiess)
Historische Struktur mit zeitgemäßen Mitteln aufleben lassen

Erarbeitet wurde das Parkpflegewerk von Johannes Stoffler und seinem Team (SMS Landschafsarchitektur, Zürich). Zuerst musste er sich einen Überblick verschaffen, welche Eingriffe über all die Jahre vorgenommen wurden und welche Elemente dabei erhalten blieben. Dabei zeigte sich, dass die barocke Prägung der Freiräume und die räumliche Struktur, wie sie zu Zeiten des Klosters angelegt wurde, noch erkennbar waren. Die vorhandenen Pflanzen hingegen boten kaum mehr Anknüpfungspunkte an die Vergangenheit. Längst mussten die Nutzbeete und Ziergärten pflegeleichten Rasenflächen und Sträuchern weichen. Dies soll sich nun schrittweise wieder ändern. Ihren Anfang nimmt die Umsetzung des Parkpflegewerks im Zentrum der Anlage, im Hof des dreigeschossigen Klosters.

Wer durch die dicken Mauern in den Hof tritt, erkennt zwei Bereiche: Einen üppig bepflanzten Garten auf der einen Seite, ein grünes Rasenfeld auf der anderen. Darin steht eine mächtige Platane, die unweigerlich den Blick auf sich zieht. Es ist der einzige Baum, der seit der Zeit des Krankenasyls erhalten geblieben ist und somit etwa 150 Jahre alt sein dürfte. Beim Durchschreiten des Hofes knirscht der Sand der chaussierten Wege unter den Schuhsohlen. Ein Schritt auf das weiche Rasenfeld und es wird still. Ins Gras eingelassene Sandsteinplatten bilden ein abstraktes Muster und wecken Assoziationen zu Grabtafeln. Tatsächlich befand sich in der östlichen Hälfte des Klosterhofes einst der Friedhof. Eine Inschrift auf der größten Platte erinnert daran, dass unter dieser Erde immer noch Klosterfrauen begraben liegen. Drei mehrstämmige Kornelkirschen machen aus dem ehemaligen Friedhof einen Obstgarten. Damit greifen die Landschaftsarchitekten eine Idee aus dem St. Galler Klosterplan auf und verweisen auf den Zyklus des ewigen Werdens und Vergehens.

Die im Rasen eingelassenen Steinplatten erinnern daran, dass sich hier einst der Friedhof des Klosters befand. (Foto: Hanspeter Schiess)

Auch der Staudengarten in der westlichen Hofhälfte verändert sein Erscheinungsbild im Laufe der Jahreszeiten. Im Spätsommer blühen hier goldgelbe Rudbeckien, die ziegelrote Sonnenbraut und weiße Flammenblumen in den Farbtönen der Klosterfassaden. Blauer Salbei verströmt einen intensiven Duft. Die bunten Stauden und die filigranen Gräser, die sanft im Wind wiegen, reichen bis zur Brust. Zwischen den Pflanzen fällt ein hölzerner Handlauf einer kleinen Brücke auf. Doch Wasser gibt es hier keines. Die vier Treppenstufen und die sanft abfallende Rampe bilden eine Übungsstation für die Patient*innen der Rehaklinik. Der wild anmutende Garten ist nämlich gleichzeitig ein Therapiegarten, der im Klinikalltag eine wichtige Rolle spielt. Wer genau hinschaut, entdeckt zwischen den dicht bepflanzten Beeten geschwungene Wege, die aus verschiedenen Belägen bestehen: An die Steinplatten schließt ein Rasenteppich an, gefolgt von ein paar Holzlatten. Hier wird das Gehen auf verschiedenen Oberflächen geübt. Ein Brunnen und zwei Sitzbänke laden danach zu einer Pause ein.

Die Zufahrt zur Klinik zeugt von den Eingriffen der 1970er-Jahre, als das Areal auf den Autoverkehr ausgerichtet wurde. (Foto: Hanspeter Schiess)
Lebendiges Denkmal

Der kreuzförmig angelegte Garten greift eine alte Geometrie auf, die nur noch auf Plänen zu finden war. Die Tatsache, dass hier von den ursprünglich durch die Nonnen angelegten Gärten kaum mehr etwas übrig war, bot den Landschaftsarchitekten einen großen Interpretationsspielraum bei der Entwicklung des Parkpflegewerks und der Neugestaltung des Hofes. Basierend auf einer fundierten Analyse der Gesamtanlage ist so in einem ersten Schritt ein attraktiver Außenraum für Therapie und Erholung entstanden. Egal, ob es sich um ein Gebäude oder einen Garten handelt: Im Umgang mit Denkmälern gilt es einen Weg zu finden, um einerseits an die Vergangenheit zu erinnern und andererseits auf heutige Bedürfnisse einzugehen. Nur wenn es gelingt, dass Denkmäler weiterhin eine bedeutende Rolle in unserem Alltag spielen, bleiben diese lebendig und können von ihrer Geschichte erzählen – so wie dies der Klosterhof im St. Katharinental tut.

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