Jubiläumssause

Katinka Corts
21. 6月 2019
Sitzungssäle in der Alten Börse in Wien, 2018 (Foto: tschinkersten fotografie)

Bekannt geworden ist das Büro AllesWirdGut unter anderem durch das geförderte Wohnquartier D9 in der Seestadt Aspern und Österreichs größtes Passivbürogebäude in Krems. Auch in Deutschland ist man erfolgreich: In Erlangen wurde vergangenes Jahr das Landratsamt nach den Plänen des Büros fertiggestellt und kürzlich die Firmenzentrale der Funke Mediengruppe in Essen. Aktuell seien Projekte in Deutschland, Luxemburg, Österreich und der Slowakei geplant, sagt Herwig Spiegl, bei alle handelt es sich um Wohn-, Büro- und Bildungsbauten. »Heute führen wir zwei Standorte und beschäftigen in Wien und München 70 Leute«, erzählt er. »Unvorstellbar zu Beginn des Büros!«

Das Haus des Lebens in der Seestadt Aspern, 2015 (Foto: tschinkersten fotografie)
Unerfüllte Prophezeiung und die neue Zeit

Viele Trends kamen und gingen und beeinflussten auch das Werden des Büros. Doch nicht alle Verheißungen gingen in Erfüllung: So habe zu ihren Studienzeiten jeder von einem »neuem Nomadentum« gesprochen. Ohne festen Wohnsitz würde man leben, zu Zeiten der Globalisierung so mobil sein wie nie zuvor. »Das hat sich rückblickend – zum Glück für uns – nicht bewahrheitet«, so Spiegl. Andere Themen seien hingegen fest im Büro verankert, wie die Nachhaltigkeit beispielsweise. »Das kam damals, als wir das Büro gründeten, überhaupt erst in der Breite auf. Ein ähnliches Gefühl habe ich momentan bezogen auf BIM – man wird sehen, wo das alles hingeht.« Eine wichtige Neuerung war auch der Bereich Marketing in der Architektur, der in den vergangenen Jahren beständig wuchs. Als etwa ein Jahr nach Gründung des Büros eine Architekturzeitschrift erstmals über dessen Arbeit berichtete, habe sich das wie ein Ritterschlag angefühlt, erinnert sich Spiegl. Heute arbeitet ein eigenes Team im Bereich Publizieren und Marketing.

Das Landratsamt der bundesdeutschen Stadt Erlangen, 2018 (Foto: tschinkersten fotografie)
Das Kind braucht einen Namen

Der Zeitgeist trug dazu bei, dass die fünf Gründungspartner das Büro nicht mit ihren Initialen tauften. Man musste nicht mehr dieser oder jener sein, man gehört zu einem Büro und identifizierte sich mit ihm. Es war ein Weg, sich von der vorherigen Generation auch nach außen hin klar abzusetzen. »Die Jungen wollen immer anders sein«, lacht Spiegl. Bereits in den 1960er-Jahren hatte es Kollektive mit abstrakten Namen gegeben, später kamen jedoch wieder Büros auf, bei denen die namensgebenden Architekten im Vordergrund standen. Das Prinzip der Namensreihung wurde dabei nicht selten überstrapaziert. Bei AllesWirdGut war die Benennung auch dem Umstand geschuldet, dass einige der Gründer 1999 noch studierten. »Zu Beginn hatten wir nur ein kleines Projekt, das nicht fünf Leute beschäftigen und ernähren würde. Wir überlegten, wie wir kommunizieren wollen: Sollte man nur die nennen, die aktiv an einem Projekt zeichnen, oder alle, die allgemein involviert sind?«, erklärt Spiegl. Dann die Entscheidung: Jeder trägt zum gemeinsamen Erfolg bei. »Darum nennen wir auch heute jeweils die Mitarbeiter am Projekt, die Partner jedoch nicht.«

Das Funke Media Office in Essen, 2019 (Foto: tschinkersten fotografie)
»Es ist nicht selbstverständlich, dass man etwas anfängt und es 20 Jahre später noch mag. Immer noch verstehen wir uns blind, wollen gern noch mindestens weitere 20 Jahre so weitermachen.«

Herwig Spiegl

Von der Webseite zum Instagram-Profil

Den Titel AllesWirdGut noch im Hinterkopf, liest man von 70 gleichberechtigten Freund*innen, hört von überstundenfreien Arbeitszeiten und in der Teamliste tragen die Bürohündinnen Miuda und Traudel Partyhüte. Alles eitel Sonnenschein im Projektalltag also? »Natürlich nicht«, gibt Spiegl zurück. »Aber es dreht sich doch alles immer wieder um die Frage, wie man die Beteiligten für ein gemeinsames Ziel begeistert. Wir verhandeln in unserem Beruf Befindlichkeiten, das hat viel mit Emotionen und Sinnlichkeit zu tun. Deshalb versuchen wir, grundsätzlich optimistisch an Dinge heranzugehen und das Bestmögliche zu erreichen.«

Nach außen kommuniziert AllesWirdGut vielfältig – auch ein Bereich, der sich in den letzten Jahren stetig gewandelt hat. »Wir wollen die Wertschätzung der Projekte und der Mitarbeiter zeigen – aber natürlich hat es auch mit Eitelkeit und Selbstdarstellung zu tun«, so Spiegl augenzwinkernd. Die Bürogründer gehören zu der Generation, in der Büros anfingen, eigene Webseiten aufzubauen. Die Blüten dieser neuen Welt habe man interessiert verfolgt und sich angepasst: Was mit der eigenen Webseite und einem Facebook-Account anfing, umfasst heute auch die Plattformen Instagram und Pinterest. Bald habe man aber auch festgestellt, wie kurzlebig die sogenannten Sozialen Medien seien und wie breit man dort auftreten könne, wenn man wolle. »Das muss man sich aber auch leisten können und man muss all diese Kanäle – neben dem Tagesgeschäft, denn wir wollen ja bauen – bewirtschaften wollen«, relativiert der Architekt. Wichtig bleibe dem Büro aber auch das Medium der Postkarte. Unzählige hat man mittlerweile herausgebracht. »Das ist vielleicht eher für eine andere Generation passend, aber die versenden wir gern als Ergänzung.« 

Schulcampus in Hamburg, 2019. (Foto: tschinkersten fotografie)
Wettbewerb um junge Architekt*innen

Die Wörter »überstundenfrei« und »Architekturbüro« scheinen irgendwie schwer unter einen Hut zu passen. Ich hake nach. Doch Spiegl relativiert nicht, sondern konkretisiert: Alle sollen die Arbeitszeit einhalten und nicht abends lange sitzen. »Wir machen das nicht, weil wir alle so nett sind, sondern weil wir glauben, dass dadurch alle ausgeruhter, frischer und engagierter arbeiten«, erläutert Spiegl. »Der autoritäre Chef funktioniert heute nicht mehr! Heute muss man um Mitarbeiter buhlen, es herrscht ein Wettbewerb. Wir wollen guten Köpfen das Beste bieten.« Mittlerweile werde nicht mehr nur das Geld verhandelt, sondern auch viele andere Aspekte spielten für junge Architekt*innen eine Rolle bei der Entscheidung für oder gegen ein Büro. Den meisten sei es viel wert, wenn ihnen klar versprochen werde, dass normale Arbeitszeiten gelten. Hobbys sollten gelebt werden, denn davon würden laut Spiegl alle profitieren: »Die Leute brauchen ihren Ausgleich.«

»Es tut gut, auch mal nicht verfügbar zu sein.«

Herwig Spiegl

Das starke Miteinander stelle man über alles, auch im Büro- und Projektalltag. Zweimal wöchentlich werde daher ein Workshoptag eingelegt, an dem die Chefs im Büro verfügbar seien. Die Projektteams buchen sich Termine, zu denen alle gemeinsam über die anstehenden Fragen diskutieren. Die vier heute im Büro verbliebenen Gründer (Ingrid Hora verließ 2001 das Team), die von Beginn an diese Diskussionskultur etabliert haben, stehen zum System. »Es tut gut, die andere Meinung anzuhören und sie in die eigene Meinungsbildung zu integrieren«, erläutert Spiegl. »Das war etwas, das wir von der Uni mitbrachten, und so haben es all die Jahre weitergetragen.«

alles isst gut – die Kantine von AllesWirdGut, 2018 (Foto: tschinkersten fotografie)
Alles isst gut

Bei diesem Ansatz verwundert es auch nicht, dass AllesWirdGut vergangenes Jahr einen weiteren Schritt ging und eine Bürokantine eröffnete. »Wir hatten mit den Jahren das gemeinsame Mittagessen, das zu Beginn unseres Büros Usus war, sehr vermisst. Aber in der Umgebung täglich gemeinsam essen zu gehen, war sowohl finanziell als auch logistisch unmöglich.« Als sich die Gelegenheit bot, Räume im Erdgeschoss jenes Hauses zu übernehmen, in dem sich das Büro eingemietet hat, zögerte man nicht lange. Die Kantine ist ein Ort, der mit dem Büro verbunden ist und gleichzeitig den Abstand vom Alltagsgeschäft ermöglicht. Alle Mitarbeiter*innen können hier frisch, gut und günstig essen. Zudem nutzt AllesWirdGut den neuen Ort für eigene Feste wie das alljährliche »Forum«, für Geburtstagspartys oder Netzwerkanlässe. »Wir haben so viel positives Feedback dazu erhalten wie in den 19 Jahren zuvor nicht«, freut sich Spiegl.

Das Team von AllesWirdGut (Foto: tschinkersten fotografie)
Groß gefeiert wurde im Mai

Auch hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf steht das Büro gut da. In Österreich gibt es neben dem Mutterschutz auch die Väterkarenz. Gemäß Bürophilosophie muss aber auch der reibungslose Wiedereinstieg der Frauen sichergestellt sein. »Wir waren schließlich auch mal in der Situation und haben über die Jahre unterschiedliche Teilzeitmodelle für Väter und Mütter entwickelt, um sicherzustellen, dass unsere Mitarbeiter auch wiederkommen.« Die hohe Anzahl junger Leute – das Durchschnittsalter liegt nach eigenen Angaben bei 36,3 Jahren – und die dennoch geringe Fluktuation im Büro bestätigen das.

Am 1. Mai 2019, was Spiegl im Hinblick auf das Zusammenfallen mit dem Tag der Arbeit als amüsanten Zufall bezeichnet, jährte sich die Gründung des Büros zum 20. Mal. Mitte Mai wurde das groß gefeiert. Wie die Zukunft aussehen könnte, dazu habe man keine strategische Planung. »Die Maschine läuft ganz wunderbar und gut«, meint Spiegl zufrieden. Künftig werde das Thema der Nachfolge aufkommen, denn die Partner fänden es schön, wenn ihr Büro noch lange bestehen könnte. »Als Chef wünscht man sich wohl oft, stärker zurück zu den Wurzeln zu kommen – das Bild vom Stift in der Hand und der Skizzenrolle auf dem Tisch«, so Herwig Spiegl. »Trotz dieser Sehnsucht sind wir gleichzeitig wahnsinnig gespannt, was zukünftig alles passieren wird hinsichtlich der Digitalisierung der Architektur.«

Wir gratulieren herzlich zum Jubiläum, wünschen viele weitere interessante und zugleich fordernde Projekte und weiterhin ein so sympathisches Miteinander! 

Open Air Festspiel Arena in St. Margarethen, 2008. (Foto:: Hertha Hurnaus)
Der Stahlhof Belval-Ouest in Esch-sur-Alzette in Luxemburg, 2011 (Foto: Roger Wagner)

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