Traditionspflege und Gestaltungswille

Manuel Pestalozzi
23. 5月 2023
Ein neues Wohnhaus ergänzt das historische Ensemble auf dem Mettenweg-Areal, das am Rande von Stans liegt. Zu der Anlage gehört auch eine Kapelle aus dem Jahr 1692. (Foto: Roger Frei)

Die Gebäudegruppe Mettenweg befindet sich an der Buochserstraße rund 750 Meter nordöstlich vom Stanser Ortskern. Seit Jahrhunderten dient sie dem Wohl der Bedürftigen: Das alte Wohnhaus Mettenweg stammt aus dem 16. Jahrhundert und ist ein ehemaliges Bürgerheim. Zu dem Ensemble im Nidwaldner Talboden, das von landwirtschaftlich genutzten Parzellen mit Obstbäumen umgeben ist, gehört auch eine im Jahr 1692 erbaute Kapelle. Über die Zeit kamen diverse Ökonomiegebäude hinzu, und 1903 wurde ein Waisen- und Kinderheim errichtet. 1997 entstand am nordwestlichen Rand des Areals zuerst ein Wohnhaus für Menschen mit Beeinträchtigung, 2016 wurde dann eine moderne Tagesstätte gebaut. Beide werden von der Stiftung Weidli betrieben. 

Diesen März nun wurde ein neues Wohnhaus der Gemeinde Stans eingeweiht. Es ersetzt das bisherige Wohn- und Betreuungsangebot im eingangs erwähnten historischen Gebäude. Der Neubau ist das Resultat eines Projektwettbewerbs im einstufigen Verfahren mit Präqualifikation, der 2018 vom Zürcher Büro Bob Gysin Partner (BGP) gewonnen wurde. 

Zwischen dem Gebäudekern und den peripheren Volumina der Wohngruppen erstreckt sich eine umlaufende Zwischenzone, die zu Aussichtspunkten und Loggien führt. (Foto: Roger Frei)
Von Gemeinschaftsbereichen und Privatheit

Das neue Wohnhaus besetzt auf dem Areal eine bisher unbebaute Leerstelle im südöstlichen Teil. Das alte Wohnhaus und der »Gaden«, ein einstiges Ökonomiegebäude, in dem heute ebenfalls gewohnt wird, schirmen es gegen die Buochserstraße ab. Nach Südwesten grenzt der Neubau an die zentrale Freifläche des Geländes, die von zwei alten Linden dominiert wird. 

Das Konzept von BGP kombiniert eine Großform mit Kleinteiligkeit; die Organisation als kompaktes Punkthaus erleichtert im Verbund mit klar identifizierbaren Bereichen die Orientierung. Vier rechteckige Volumina sind um einen zentralen Kern angeordnet. Diese geschlossenen Bereiche lassen zwischen sich ein Raumkontinuum mit verschiedenen Aussichtspunkten entstehen, das sich in jedem der vier Geschosse als Flanier-Rundkurs interpretieren lässt. Diese Anordnung erzeugt einen facettierten Baukörper; durch die Drehung der besagten Volumina definiert das Gebäude den Hauptplatz des Mettenweg-Areals. Auf der gegenüberliegenden Seite öffnet es sich in Richtung Großried und Bürgenberg. Versätze in den Seitenfassaden schaffen in Verbindung mit den benachbarten Gebäuden subtile Nischen.

Die vier abgegrenzten Volumina sind von der Gemeinschaftszone über einen »Filterbereich« mit geteilten Bädern erschlossen. (Regelgrundriss: © Bob Gysin Partner Architekten)

Das Gebäude beherbergt acht Pflegewohngruppen mit insgesamt 48 Zimmern. Der Zutritt erfolgt jeweils über einen »Filterbereich« mit Verweilmöglichkeiten und geteilten Bädern. Dies schafft einen sanften Übergang zwischen den öffentlichen Gemeinschaftsbereichen in der Zwischenzone und dem privaten Zuhause. 

In dem neuen Wohnhaus leben Menschen jeden Alters, die besondere Betreuungs- und Pflegebedürfnisse haben und auf Unterstützung in der Tagesgestaltung angewiesen sind. Bei jeder Wohngruppe wird der Alltag auf die Bedürfnisse der Bewohnenden ausgerichtet.

Wie in den Gemeinschaftsbereichen sind in den Zimmern der Wohngruppen Holzoberflächen ein prägendes Element. (Foto: Roger Frei)
Der traditionelle Holzbau als Vorbild

Um an die örtliche Bautradition anzuknüpfen, ist das Haus als sichtbarer Holzbau auf mineralischem Sockel gestaltet. Auch beim Innenausbau wurde vielfach auf Holz gesetzt. Das erzeugt eine warme und vertraute Atmosphäre. Bei der Ausgestaltung der Fassaden und der Konstruktion orientierte sich das Entwurfsteam an der Logik des traditionellen Holzbaus mit konstruktivem Holzschutz. 

Das Erdgeschoss aus Ortbeton und vorfabrizierten Betonelementen bildet bei dem unterkellerten Gebäude den Sockel für den darüberliegenden Holzbau. Getragen von Stützen und Unterzügen aus Nadelholz, erfüllen Holz-Beton-Verbunddecken (Bresta) statische und akustische Funktionen. Der Einsatz einer Sprinkleranlage ermöglichte es, diese Tragstruktur im Innenraum sichtbar zu belassen. 

Auch im Entrée ist der Kernbereich mit der Vertikalerschließung teilweise mit Holz verkleidet. (Foto: Roger Frei)

Das Entwurfsthema Holz wurde bis hin zur Brettschalung der innenliegenden Betonelemente konsequent verfolgt. Ergänzt durch grüne und blaue Akzente, bestimmen die Naturtöne der verwendeten Materialien die Farbgebung des Gebäudes. In der sorgfältigen Fügung und den feinen Details zeigt sich ein hohes Maß an handwerklicher Präzision. 

Massive Lisenen strukturieren die Fassade und schaffen eine Verbindung zwischen den Geschossen. Das auskragende Opferbrett auf jedem Geschossriegel entspringt dem Wunsch, in die Jahre gekommene Bauteile einfach austauschen zu können. Aufgrund der direkten Bewitterung wird man die Opferbretter nach 15 bis 20 Jahren erneuern müssen. Der darunterliegende Geschossriegel, welcher die Fassadenverkleidung schützt, bleibt hingegen langfristig erhalten. Ein chemischer Holzschutz wurde nur bei stark beanspruchten Bauteilen eingesetzt. Die Gestalter verfolgten dabei den Grundsatz: »So wenig wie möglich, so viel wie nötig.« 

Maßnahmen wie eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung reduzieren den Energiebedarf wesentlich. Eine Grundwasserwärmepumpe und eine Photovoltaikanlage decken den verbleidenden Heizwärme- und Strombedarf des Wohnbaus.

Explosionszeichnung (© Bob Gysin Partner BGP Architekten)

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