Neue Unterrichtsformen architektonisch unterstützen

Dietrich | Untertrifaller
9. oktober 2020
Der flache Schulbau fügt sich harmonisch in die locker mit Einfamilienhäusern bebaute Umgebung ein. (Foto: Bruno Klomfar)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Das pädagogische Konzept der »Clusterschule« zeichnet sich durch spielerisches Lernen in überschaubaren, familiären Gruppen aus. Diese sind in eigenen »Häusern« auf der Ostseite des Gebäudes untergebracht. In jedem der vier Cluster sind zwei Klassenzimmer, Gruppen- und Ruheraum um einen zentralen, mit einem überhohen Dach akzentuierten Aufenthaltsraum angeordnet. Räumliche Vielfalt und gute Überschaubarkeit ergeben eine abwechslungsreiche, flexible Lernlandschaft. Die Sonderklassen und die Verwaltung liegen gegenüber auf der Westseite und sind durch eine großzügige Aula mit der abgesenkten Turnhalle verbunden. Durch verschiebbare Elemente kann die Aula funktionell vom eigentlichen Schulbereich getrennt und für externe Veranstaltungen wie Vorträge, Lesungen und Ähnliches mit maximal 120 Personen genutzt werden. Da die Turnhalle samt Nebenräumen außerhalb der Schulzeiten unabhängig erschlossen ist, kann sie von Sportvereinen störungsfrei bespielt werden. 

Großflächige Verglasungen sorgen für die nötige Transparenz, damit die Lehrer*innen ihre Schüler*innen stets im Blick haben, wenn diese in Kleingruppen in unterschiedlichen Räumen lernen oder spielen. Diese Sichtachsen sind auch eine ständige Einladung, den Raum in der Mitte zu nutzen, und stärken das Gemeinschaftsgefühl innerhalb des Clusters. Gärten und Outdoor-Klassen mit direktem Zugang von jedem Cluster aus verwischen die Grenzen zwischen innen und außen und integrieren die Natur in das Lernumfeld. 

In jedem der vier Cluster sind zwei Klassenzimmer, Gruppen- und Ruheraum um einen zentralen, mit einem überhohen Dach akzentuierten Aufenthaltsraum angeordnet. (Foto: Bruno Klomfar)
Die Außenbereiche sind von jedem Cluster aus zugänglich. Die Grenzen zwischen innen und außen verwischen, und die Natur wird ins Lernumfeld integriert. (Foto: Bruno Klomfar)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?


Mit unseren Schulbauten wollen wir neue Unterrichtsformen auch architektonisch unterstützen und Inklusion – also die gleichberechtigte Teilhabe aller Schüler*innen und einen auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnittenen Unterricht – erleichtern. Clusterschulen bieten dafür beste Voraussetzungen.

Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Der flache Schulbau fügt sich harmonisch in die mit Einfamilienhäusern locker bebaute Umgebung ein. Der Pausenhof vor der Aula ist durch zahlreiche Wege mit dem gewachsenen Wegenetz von Unterdorf verbunden. Teile der Außenflächen und Sportanlagen stehen der örtlichen Bevölkerung als frei zugängliches Spiel- und Freizeitareal zur Verfügung.

Dank großflächigen Verglasungen haben die Lehrer*innen ihre Schüler*innen jederzeit im Blick. (Foto: Bruno Klomfar)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Eine Arbeitsgruppe aus Lehrerinnen, Gemeindevertretern und Beraterinnen war von Anfang an in die Wettbewerbsausschreibung sowie in die Planung eingebunden und hat auch regelmäßig an den Baubesprechungen teilgenommen. Diese enge Zusammenarbeit war ein wesentlicher Faktor für die erfolgreiche Umsetzung.

Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?


Schulen und Universitätsbauten nehmen in unserem Werk seit Gründung unseres Büros im Jahr 1994 viel Raum ein. Unser Know-how in der Verwendung von Holz hat uns international einen hervorragenden Ruf eingebracht – insbesondere bei unseren Entwürfen für Bildungs­bauten, bei denen wir fortgesetzt daran arbeiten, neue Maßstäbe im Holzbau zu setzen.

Die zweigeschossige Turnhalle ist abgesenkt, um das Gebäude flach zu halten. Da sie unabhängig erschlossen ist, kann sie auch außerhalb der Schulzeiten von Sportvereinen ohne weiteres genutzt werden. (Foto: Bruno Klomfar)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Die Materialwahl basiert auf dem Prinzip der Nachhaltigkeit und der ökologischen Optimierung. Die graue Energie konnte durch den nachwachsenden, regionalen Baustoff Holz drastisch reduziert werden. Beim Kommunalen Gebäudeausweis des Landes Vorarlberg hat die Schule mit 940 Punkten einen der bisher höchsten Werte für einen Neubau erhalten.

Der gesamte Schulbau wurde energetisch und haustechnisch optimiert. Die Merkmale: hochwärmegedämmte Bauteile, passivhaustaugliche Fenster mit Dreifach- Isolierverglasung, Niedrigtemperatur-Beheizung über den Fußboden, Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und Luftmengensteuerung per CO2-Fühler, Free Cooling über Grundwassersonde, Nachtlüftung zur Abkühlung im Sommer. Der Heizenergiebedarf liegt bei 16 kWh/m2a.

Das extensiv begrünte Flachdach kompensiert den höheren Verbrauch an Grundfläche. Es sorgt nicht nur für eine optimale Wärmedämmung und Schutz vor Überhitzung im Sommer, sondern ist auch eine ideale Bienenweide und ein unberührbares, lebendiges Biotop für zahlreiche Insekten.

Die Schule ist, sieht man von den erdberührenden Bauteilen ab, ein reiner Holzbau. (Foto: Bruno Klomfar)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Holz! Die 100 Meter lange, 40 Meter breite und 4,50 Meter hohe Schule ist bis auf die betonierten erdberührenden Teile als reiner Holzbau ausgeführt. Die Oberflächen aus mehrschichtigen, verleimten Massivholzplatten sind nicht verkleidet, die Holzkonstruktion bleibt in allen Räumen sichtbar. Die Schüler*innen profitieren vom besseren Lernklima und einer angenehmen, warmen Atmosphäre im Haus, die auch Heizkosten spart. 

Grundriss 1. Untergeschoss
Grundriss Erdgeschoss
Schnitt
Name des Bauwerks
Volksschule Unterdorf
 
Standort
Gaißauer Straße 10, 6973 Höchst
 
Nutzung
Volksschule
 
Auftragsart
Wettbewerb
 
Bauherrschaft
Gemeinde Höchst
 
Architektur
Dietrich | Untertrifaller Architekten, Bregenz
Peter Nussbaumer (Projektleiter), Katharina Reiner
 
Fachplaner
Statik Holz: Merz Kley Partner, Dornbirn
Statik Beton: Gehrer, Höchst 
Haustechnik: e-plus, Egg 
Elektro: Hecht, Rankweil 
Bauphysik: Weithas, Hard 
Bauökologie: Spektrum, Dornbirn 
Thermische Gebäudesimulation: teamgmi, Schaan 
Landschaft: Heinrich, Winterthur
 
Bauleitung
gbd, Dornbirn
 
Jahr der Fertigstellung
2017
 
Gesamtkosten
EUR 11 Mio. 
 
Gebäudevolumen
18 470 m3
 
Energiestandard
KGA 940 Punkte, Energiekennwert: 16 kWh/m2a
 
Maßgeblich beteiligte Unternehmer
Baumeister: i+R Gruppe, Lauterach 
Holzbau: Dobler, Röthis 
Heizung & Sanitär: Kienreich, Lauterach 
Lüftung: Kranz Luft-Klima-Technik, Weiler 
Elektro: Aschaber, Kitzbühel
 
Auszeichnung
The Plan Award 2018
Big See Wood Award 2018
Wood, Design & Building Award 2017 (Canadian Wood Council)
Hypo Bauherrenpreis 2020
 
Fotos
Bruno Klomfar

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