Mit der Schau »Mehr als gewohnt« fordert das Vorarlberger Architektur Institut mehr Qualität im Wohnbau

Elias Baumgarten
17. februari 2023
Quartier Schillerallee, Hohenems, Architekten Nägele Waibel, 2021 (Foto: © Karin Nussbaumer)

Die Debatte über die Wohnungsfrage wird heute mit starkem Fokus auf die Quantität geführt. Weil es vielerorts an leistbarem Wohnraum mangelt, ist das nur zu verständlich. In Deutschland etwa stellt die Politik gerade kolossale Stückzahlen an neuen Wohnungen in Aussicht, um die Krise zu meistern. Ob solche Versprechen freilich in Zeiten von hohen Bodenpreisen und Baukosten, Wirtschaftskrise und Inflation überhaupt einzulösen sind, scheint mehr als fraglich. Außer Acht gerät derweil leider allzu oft die gestalterische Qualität von Wohnbauten, Zwischen- und Freiräumen – auch in Österreich. Zu wenig wird in der Praxis sich wandelnden Wohnbedürfnissen Rechnung getragen. Der Veränderung der Haushaltstypen, der Tatsache, dass immer mehr Menschen alleine leben, der Ablösung der Kleinfamilie durch andere Modelle des Zusammenlebens, aber auch der Vermischung von Arbeitssphäre und Privatleben wird nicht genug Beachtung geschenkt. Und so wird vielfach an veralteten Grundrisstypologien festgehalten, die nicht zur heutigen Gesellschaft und den Bedürfnissen der Menschen passen. In Österreich dominieren vielerorts nach wie vor der Traum vom Einfamilienhaus, konventionelle Grundrisse im Geschosswohnbau und eine repetitive, verarmte Architektur das Baugeschehen.

Wohnprojekt Hasendorf, einszueins architektur, 2018 (Foto: © Hertha Hurnaus)
Rigaud 55, Chêne-Bourgeries, Schweiz, Bonhôte Zapata Architectes, 2017 (Foto: © Johannes Marburg)
Wie wollen wir wohnen?

Doch es geht auch anders: Das Vorarlberger Architektur Institut (vai) zeigt in seiner aktuellen Ausstellung »Mehr als gewohnt«, die bis zum 1. April dieses Jahres verlängert wurde, zukunftsweisende Wohnanlagen aus Österreich und unseren Nachbarländern. Die Projekte, die jeweils mit einigen Fotos und Plänen sowie einem Erklärungstext präsentiert werden, führen vor, wie Wohnen in verschiedenen Kontexten flächensparend, qualitätsvoll und flexibel organisiert werden kann. Man erfährt, wie sich Offenheit, Gemeinschaft und Privatheit gestalten lassen. Man lernt neue Mobilitätskonzepte kennen, bei denen das Auto in den Hintergrund rückt, erfährt etwas über gemeinschaftliche Wohnformen und neue Finanzierungsansätze, sieht Erschließungs- und Zwischenräume, die zu Begegnungszonen werden. All das inspiriert, man bekommt Lust, Wohnräume vielfältiger zu denken.

Quartier Garmisch-Partenkirchen, Deutschland, Beer Bembé Dellinger, 2011 (Foto: © Stefan Müller-Naumann)
Blick in die Ausstellung (Foto: © Darko Todorovic)
Aus der Geschichte lernen

Ergänzt wird die Schau mit einem Überblick zur Geschichte des Wohnbaus in Vorarlberg. Durch das Bevölkerungswachstum, aber auch durch veränderte Familien- und Haushaltsstrukturen ist der Bedarf an Wohnraum im westlichsten Bundesland stark gestiegen. Nun stößt die Zersiedelung an räumliche, ökonomische und vor allem auch ökologische Grenzen. Zudem zeigt sich, dass auch in Vorarlberg insbesondere die Spekulation mit Boden, der dort als steuerlich attraktive Möglichkeit gesehen wird, Gewinne zu investieren, aber auch mit Wohnraum zum Problem geworden ist. 

Die kleine, ansprechend gestaltete Ausstellung ist ein wertvoller Beitrag zur Debatte. Sie inspiriert und lässt besser verstehen. Ein Besuch im vai lohnt sich sehr.

Foto: © Darko Todorovic

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