Braucht Österreich eine andere Architekturausbildung?

Manuel Pestalozzi
15. september 2022
Wie soll die Architekturausbildung der Zukunft aussehen? Die Debatte darüber hat Daniel Fügenschuh, Vizepräsident der Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen, mit einem ORF-Interview befeuert. (Foto © TU Wien)

Wir steuern in Europa auf eine schwierige Zukunft zu: Extreme Wetterlagen wie in diesem Sommer könnten sich bald häufen, die politische Lage ist durch den Krieg in der Ukraine instabil geworden, im Winter drohen Probleme bei der Energieversorgung, die Teuerung ist hoch, und vielerorts herrscht Wohnungsnot. Diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Gerade die Klimaerwärmung, die sich mittlerweile kaum mehr ignorieren lässt, stellt auch die Architektur vor große Herausforderungen. Daniel Fügenschuh, der Vizepräsident der Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen, findet, dass dem in der Architekturausbildung nicht ausreichend Rechnung getragen wird. »Wir sehen eine starke Spezialisierung, hauptsächlich in verschiedenen technischen Bereichen«, sagte er kürzlich dem ORF. Gleichzeitig gingen Themen, die in der Ausbildung bisher eine große Rolle gespielt haben, mehr und mehr verloren. Konkret meint Fügenschuh damit die Innenraumgestaltung, den Städtebau und die Stadtplanung.

2019 haben Studierende der Universität Innsbruck die »Disco Volante« gebaut. Der Think Tank »Architekturausbildung« fordert mehr Praxis im Architekturstudium. (Foto © ./studio3)

Deswegen hat die Bundeskammer gemeinsam mit den Universitäten und Fachhochschulen den Think Tank »Architekturausbildung« gegründet. Bereits im vergangenen Herbst fand dieser im Künstlerhaus Wien zu einem ersten Treffen zusammen. Seither wurden Forderungen formuliert. Demnach müssen Architekt*innen eine Vermittlerrolle zwischen den am Bau Beteiligten einnehmen und ganzheitlich denken. Denn nicht immer würden sich zum Beispiel die Anforderungen der Haustechnik mit jenen der Statik decken, gab Fügenschuh gegenüber dem ORF ein plakatives Beispiel.

Gefördert werden müssten in der Ausbildung zukünftig neben Baukonstruktion und Planzeichnen vor allem vernetztes Denken und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, die, das sei an dieser Stelle angemerkt, in unserer Gesellschaft bei den meisten Menschen leider immer kleiner wird. Weil Charakterstärke genauso wenig allein an der Hochschule beigebracht werden kann wie die Fähigkeit, in komplexen Situationen den Überblick zu behalten und den Fokus nicht zu verlieren, fordert der Think Tank mehr Praxis im Architekturstudium. Und dabei sollen Nachwuchsarchitekt*innen intensiver mit dem ressourcenschonenden und zirkulären Bauen, das auch im Lehrplan besser verankert werden soll, in Kontakt kommen. 

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