Falten gegen die Not – junge Gestalter entwerfen Notunterkunft

Martina Metzner
24. juni 2021
Gerade 60 Minuten sind nötig, um die Notunterkunft zeltHAUS aufzustellen. (Visualisierung: zeltHAUS)

In den Jahren 2015 und 2016 erreichte die Flüchtlingskrise, die zuvorderst durch den schrecklichen Bürgerkrieg in Syrien befeuert wurde, einen Höhepunkt. In dieser Zeit wurde viel und zuweilen extrem emotional über die Unterbringung der Menschen diskutiert, die zu Tausenden nach Europa strömten, und Architekturschaffende entwickelten mit großem Eifer Lösungsansätze zur Linderung der Not. Doch inzwischen ist das Thema aus dem Fokus geraten, die Debatten um die Klimakrise und natürlich um die Bekämpfung der Corona-Pandemie haben es in den Hintergrund gedrängt. Hinzu kommt, dass sich vielerorts die Stimmung inzwischen gedreht hat und von der einstigen Willkommenskultur nur noch wenig übrig ist. Trotzdem aber sind wir immer wieder mit Berichten über die menschenunwürdigen Lebensumstände in Flüchtlingslagern konfrontiert, die dringend zum Handeln auffordern. Gelöst ist die Krise nicht, verbessert hat sich die Situation kaum. Die Idee der jungen Gestalter Fabian Hegner, Marius Mersinger, Michelle Gallinari und Jonas Eiden ist daher, Menschen eine sichere und halbwegs gute Notunterkunft zu bieten, die leicht zu transportieren und schnell aufzubauen ist. Das Team, das Kompetenzen aus Design und Architektur vereint, hatte ein Flüchtlingslager in Idomeni im Norden Griechenlands besucht – danach ist das Projekt betreut durch Claudia Lüling, Professorin an der Frankfurt University of Applied Science (FUAS), entstanden. Mittlerweile hat sich daraus ein Start-up entwickelt; die Macher wollen ihr zeltHAUS nun tatsächlich in Krisengebiete bringen. Dazu stehen sie bereits mit verschiedenen Hilfsorganisationen in Kontakt.

Die Mittelfalten der Einzelmodule geben der Konstruktion die nötige Stabilität. (Visualisierung: zeltHAUS)

Ähnlich einem Bastelbogen wird das zeltHAUS aus PET-Platten zusammengefaltet, die gleichzeitig tragen und dämmen. Jedes Einzelmodul verfügt über eine Mittelfalte, welche die Tragachse bilden. An Traufe und First werden die Platten per integriertem Klettverschluss zusammengeführt. Um die Gesamtstabilität und den Regenschutz zu gewährleisten, muss anschließend noch eine Plane über das zeltHAUS gespannt werden. Zusätzlich wird die Konstruktion fest im Boden verankert. 

Das Material wird aus recycelten PET-Flocken hergestellt, die dafür aufgeschäumt werden. Im Anschluss werden die Platten mit einem Textil-Gelege überzogen, das ebenso aus recyceltem PET besteht. Das von dem belgischen Dämmstoff-Produzenten Armacell hergestellte Monomaterial kann nach der Verwendung wieder recycelt werden. Allerdings ist das bisher noch Theorie: Das Recyclingkonzept steht noch nicht endgültig.

Die Einzelmodule lassen sich beliebig erweitern. (Grafik: zeltHAUS)

Das zeltHAUS-Standardmodul ist 18,8 Quadratmeter groß und 3,5 Meter hoch. Es verfügt über ein Vordach und einen Windfang. Dank dem modularen Aufbau lässt es sich beliebig erweitern. Zusammengeklappt kommt jedes Einzelmodul als Paket auf ein Format von 2,2 mal 2,4 Meter und wiegt 12,5 Kilogramm pro Quadratmeter. Die Notunterkunft lässt sich in nur 60 Minuten aufbauen, was deutlich unter den Werten der meisten Mitbewerber liegt. Der U-Wert wird mit 0,035 W(/mK) angegeben, die Brandschutzklasse mit B1.

Wie alle Produktrezensionen wurde dieser Artikel von German-Architects übernommen.


In Berlin wurde kürzlich das Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung eröffnet. Den Umbau des historischen Deutschlandhauses hat das Büro Marte.Marte Architekten gestaltet.

Andere artikelen in deze categorie