Wenn Zugang zum kostbarsten Kapital wird – Peter Mörtenböck forscht weiter zum Städtebau von morgen

Manuel Pestalozzi
10. outubro 2022
Während der Architekturbiennale von Venedig im vorigen Jahr wurde die Ausstellung »We Like. Platform Austria« im österreichischen Pavillon in den Giardini gezeigt. (Foto © AFP, Andrea Ferro Photography)

»Quayside« von Sidewalk Labs, einem Tochterunternehmen der Google-Mutter Alphabet, versprach Straßen, auf denen autonome Autos fahren, beheizbare Gehsteige und Hunderte Sensoren, die Bewegungen und Luftqualität im öffentlichen Raum überwachen. Mit dem kontrovers diskutierten Projekt drängte der große Digitalisierungskonzern in die Baubranche: Gestaltung und Bau des Stadtteils wollte er komplett selbst übernehmen – mit entsprechend großen Gewinnaussichten. Doch schlussendlich wurde nichts aus dem Vorhaben, das noch immer wie eine üble Dystopie wirkt. Das Projekt scheiterte und verschwand 2020 in der Schublade.

Die Macht der Daten

Professor Peter Mörtenböck, zuständig für Visuelle Gestaltung am Institut für Kunst und Gestaltung der TU Wien, stellt eine Verbindung zwischen dem eingestellten Projekt sowie Plattformen und Services her, die Daten über Mobilität und Kaufverhalten sammeln. Denn mithilfe dieser Datenfülle gestalten Technologiekonzerne urbane Räume für die optimale Nutzung ihrer Services um. Ein Phänomen, das sich mit dem Begriff Plattform-Urbanismus (Platform Urbanism) bezeichnen lässt. »Technologiekonzerne besitzen immenses Wissen über städtische Mobilität. Dieses Know-how setzen sie in Kontakt mit Stadtverwaltungen etwa dazu ein, neue Verkehrssysteme zu schaffen«, erklärt Mörtenböck. Er warnt: In den Architekturabteilungen von Alphabet und Amazon würden bereits die datengestützten Stadtteile von morgen entstehen.

Ausstellungsansicht aus dem österreichischen Pavillon (Foto © AFP, Andrea Ferro Photography)

Mit seinem Team untersuchte Peter Mörtenböck, wie Daten, Öffentlichkeit und urbane Räume einander gegenseitig verändern. Unterstützt durch den Wissenschaftsfonds FWF betrieben die Forschenden über einen Zeitraum von fünf Jahren Grundlagenforschung, hielten Konferenzen ab, entwickelten Ausstellungen, verlegten zwei Bücher und etablierten Kooperationen. Mehr als 100 Personen waren in das international ausgelegte Forschungsprojekt insgesamt eingebunden. In London sammelte man zum Beispiel Wissen über Videoüberwachung, und eine Reise nach Tallinn lieferte Erkenntnisse über E-Governance. Mehrmals besuchte das Kernteam das Silicon Valley in den Vereinigten Staaten. Die Forschenden führten Gespräche mit Architekt*innen und Mitarbeitenden von Apple, Meta und Alphabet.

Foto © AFP, Andrea Ferro Photography
Die Ausstellung in Venedig war ein Höhepunkt, doch sie ist nicht das Ende der Forschungsarbeit

Die breite Öffentlichkeit erreichte das Projekt 2021 im Rahmen der Architekturbiennale von Venedig: Mit dem Architekten und Kulturtheoretiker Helge Mooshammer kuratierte Peter Mörtenböck den österreichischen Beitrag zur wichtigsten Architekturausstellung der Welt. Unter dem Titel »We Like. Platform Austria« stellten sie ihre Auseinandersetzung mit Daten, Öffentlichkeit und Raum vor. Videos, Animationen, eine Collage, die Fotos von durch Sensoren veränderten Umwelten zeigte, sowie Patentzeichnungen von Co-Working-Spaces und innerstädtischen Verteilungszentren luden dazu ein, sich mit den Veränderungen der urbanen Umwelten auseinanderzusetzen. 

Zu dieser Ausstellung ist das Buch »Platform Urbanism and Its Discontents« erschienen. Die präsentierten Visionen fließen nun in ein ebenfalls vom FWF finanziertes Folgeprojekt zum Plattform-Urbanismus ein, an dem Mörtenböck und sein Team seit März dieses Jahres arbeiten. Im Mai 2023 gastiert die Ausstellung »We Like. Platform Austria« dann auf der Piazza Maggiore in der historischen Altstadt Bolognas. Peter Mörtenböck hat gemeinsam mit Helge Mooshammer außerdem die interdisziplinäre Forschungsplattform »Centre for Global Architecture« gegründet. Sie unterstützt die Forschung zu neuen Datenöffentlichkeiten, globalem Ressourcenverbrauch und urbaner Spekulation.

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