Futuristische Postmoderne

Elias Baumgarten
3. 六月 2019
Blick vom Stephansdom auf das Haas-Haus (Foto: Friedrich Achleitner © Az W)
Wider Trivialität und Funktionalismus

Hans Hollein war einer der wichtigsten Protagonisten der österreichischen Avantgarde von den 1960er- bis in die 1990er-Jahre. Er war als Architekt, Designer, Bildhauer und Objektkünstler aktiv und erfolgreich. Sein Feindbild war die »Alleinherrschaft des trivialen Funktionalismus« in der hiesigen Nachkriegsarchitektur. In Wien schloss er sich in den 1960er-Jahren mit den Künstlern Friedensreich Hundertwasser, Markus Prachensky und Arnulf Rainer zusammen, die ähnlich dachten. Die von Otto Mauer geführte Galerie St. Stephan wurde ihnen zur wichtigen Bühne. Überhaupt avancierte sie rasch zu einem Hotspot der avantgardistischen und Kunst- und Architekturszene des Landes. Für besonders große Aufregung sorgte 1963 die Schau »Architektur«, die Hollein gemeinsam mit Walter Pichler aufs Gleis stellte. Neben Zeichnungen und Skulpturen wurden utopische Stadtarchitekturen gezeigt. Hollein verfasste anlässlich der Ausstellung sein berühmtes Manifest »Absolute Architektur«. Er, der in diesem Jahr 85 geworden wäre, entwickelte futuristisch anmutende pneumatische Konstruktionen (Mobiles Büro, 1969) genauso wie eine opulente, postmoderne Architektursprache. Das vielleicht berühmteste Beispiel für diese ist sein Kerzengeschäft Retti (1966) am Kohlmarkt 8–10, in dem später Schmuck verkauft wurde. Der Bau verhalf ihm zum Durchbruch. Viele weitere Aufträge folgten alsbald. Hollein spurte einerseits die pneumatischen und kapselartigen Objekte anderer Avantgardisten vor – man denke etwa an Coop Himmelb(l)aus legendäre Villa Rosa (1968) – und ging zugleich mit der Verwendung von Zitaten und historischen Fragmenten eigene Wege.

Skizze: Hans Hollein © Archiv Hans Hollein, Az W, MAK
Im Haas-Haus (Foto: Friedrich Achleitner © Az W)
Pionierbau und Türöffner

Mitte der 1980er-Jahre wurde Hollein beauftragt, eine Studie zum Umbau eines Hauses aus der Nachkriegszeit gegenüber dem Stephansdom vorzulegen. Mit dem Umbau wurde es jedoch nichts. Stattdessen entschied man sich – aus Kostengründen, wie man heute weiß – für einen Neubau aus der Feder Holleins. Dieser wurde 1990 fertig. Das Architekturzentrum Wien (Az W) widmet just diesem Bau nun eine Schau. Am 12. Juni 2019 wird sie feierlich eröffnet, ab dem Folgetag ist sie dem Publikum zugänglich. Nachgezeichnet werden soll der Entwurfsprozess. Das Haas-Haus, welches heute wie selbstverständlich zum Stadtbild gehört, erhitzte zu seiner Entstehungszeit die Gemüter aufs Heftigste. 15'000 Unterschriften wurden gegen das Vorhaben gesammelt, dennoch rollten die Bagger an. Die Auswirkungen des Baus waren nachhaltig. Denn kaum fertig, war die Wertschätzung für das Objekt immens. Rasch begann man es liebevoll »Eckhaus der Nation« zu nennen. Hollein hatte beim Entwerfen die damals überaus rigide Wiener Schutzzonenverordnung elegant umschifft, welche die Einpassung von Neubauten in den historischen Bestand regelte. In der Folge passte man das Gesetz an und lockerte es. Noch immer sprechen viele Wiener Architekt*innen deshalb augenzwinkernd vom »Lex Hollein«. Aus heutiger Sicht hat Holleins Bau wesentlich dazu beigetragen, der zeitgenössischer Architektur den Weg in die historischen Quartiere Wiens zu öffnen. Die Ausstellung bleibt bis zum 19. August dieses Jahres geöffnet.

Weitere Informationen zur Schau finden Sie auf der Webseite des Az W.

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