Busbahnhof in Gummersbach

Goldene Kante

Thomas Geuder
5. April 2016
Im Zuge der städtebaulichen Neustrukturierung des 18 ha großen, ehemaligen Steinmüller-Areals ist im Rahmen von Regionale 2010 in Gummersbach der neue Busbahnhof entstanden. (Bild: Lukas Roth)

Projekt: Busbahnhof Gummersbach (Gummersbach, DE) | Architektur: pape+pape architekten (Kassel, DE) | Lichtplanung: Lichtwerke GmbH (Köln, DE) | Bauherr: Entwicklungsgesellschaft Gummersbach (Gummersbach, DE) | Hersteller: Insta Elektro GmbH (Lüdenscheid, DE), Kompetenz: instalight LEDLUX LH und LS | weitere Projektdaten siehe unten

Die Stadt Gummersbach liegt in einer Art geografischer Senke, zwischen den Erhebungen Steinberg, Hepel und Berstig. Diesen Ort allerdings muss sich das Stadtzentrum seit den 1860er-Jahren mit im Zuge der zunehmenden Industrialisierung stark wachsenden L. & C. Steinmüller GmbH teilen, ein schon bald international tätiges Unternehmen des Dampfkessel- und Anlagenbaus / Umwelttechnik. Steinmüller und Gummersbach sind sozusagen untrennbar miteinander verbunden, so war die Insolvenz des Unternehmens im Jahr 2002 nicht nur ein schwerer Verlust für die Stadt, sondern barg auch eine – zumindest städtebauliche – Chance. Denn die Stadt konnte die immerhin 18 ha große Industriebrache vom bisherigen Eigentümer erwerben und dort in der Folge einige öffentliche Bauen planen, die bisher fehlten. Die Trennlinie zwischen Stadt und Industriegelände ist die Bahnlinie mit dem Bahnhof als Knotenpunkt, der somit zum wichtigen Spot in der Stadt wird.

In Querausrichtung bildet das Dach eine komfortable Überdachung, die einen trockenen Einstieg in die Busse gewährleistet. (Bild: Lukas Roth)

Im Zuge der Planungen wurde nun das alte, in die Jahre gekommene Bahnhofsgebäude geschliffen und der Busbahnhof hierher verlagert werden. Für diesen neuen Ort planten pape+pape architekten aus Kassel ein 130 m langes und 10 bis 25 m breites Dach, das durch Form und Material einen würdigen Auftakt für von Süden Ankommende schafft. Es besteht aus einem polygonal gefalteten Korpus – formal entwickelt aus der gebrochenen Struktur der Felsen in der Umgebung – der der leichten Kurve der Bahngleise folgt. Seine Oberfläche bzw. die Untersicht glänzt scheinbar golden, erzeugt durch eine Verkleidung aus Aluminiumbronzeschindeln. Verstärkt wird dieser Effekt noch durch die Farbigkeit und Filigranität des Sockelbauwerks, das komplett aus anthrazit eingefärbtem Sichtbeton besteht und dessen das Dach tragende Stützen schräg angeordnet sind und ungewohnt schmal wirken. Unterbrochen wird die Sockelfigur genau an dem Punkt, an dem das Bauwerk einen Knick macht (übrigens fast am Goldenen Schnitt) durch eine Freitreppe in der Verlängerung der Unterführung. Zusätzlich verbindet eine Rampe parallel hinter dem Sockelbauwerk die Ebene der Unterführung mit dem Straßenniveau. Das Funktionsgebäude neben der Treppe, in dem sich das Servicezentrum mit Mobilitätszentrale, Kiosk, Warteraum und WC-Einrichtungen befindet, liegt zentral zum gesamten Busbahnhof-Gelände.

Bei Dunkelheit wird der Dachkörper als leuchtende Lichtskulptur inszeniert. (Bild: Lukas Roth)

Ein repräsentatives Bauwerk wie der Gummersbacher Busbahnhof sollte auch durch eine besondere Beleuchtung in Szene gesetzt werden. So fokussierten die Planer von Lichtwerke aus Köln bei ihrem Entwurf ganz auf die Architektur, ohne dabei die Normen und Vorgaben zu vernachlässigen, die bei Bauwerken wie Bahnhöfen noch ein bisschen komplizierter sind, da die Sicherheit oberste Priorität hat. Stefan Hofmann, Geschäftsführer bei Lichtwerke, trennt seine Entwurfsidee in eine funktionale und eine emotionale Beleuchtung auf, die beide zusammengebracht werden müssen. Das Bauwerk prägend ist die Beleuchtung des goldenen Dachs, wodurch nicht nur die Architektur hervorgehoben, sondern auch für die notwendige, gleichmäßige Grundbeleuchtung gesorgt wird. Dies geschieht über zwei über die gesamte Länge parallel verlaufende, diffus abstrahlende und wetterfeste LED-Lichtbänder (Instalight Ledlux, Insta) in der Mittelachse über den senkrechten Scheiben, die durch das integrierte Netzteil direkt an 230 V angeschlossen werden konnten. Ihr warmweißes Licht von 2700 K betont die Wirkung der Oberfläche zusätzlich, indirekt entsteht eine Ausleuchtung von rund 100 lx. Ergänzt wird dies durch ebenfalls warmweiße, ins Dach eingelassene Downlights (we-ef), die die Segemente der Bussegmente beleuchten, und zwar mit einem druckvollen Licht, mit spürbar engem Lichtkegel. Der Effekt: Die Lichtbänder schaffen ein strahlendes, fast schon einbettendes Umfeld, in dem die Licht-Hotspots eine gewisse Dramaturgie erzeugen. Außerdem entsteht der Eindruck, dass das Licht an der Unterseite des Dachs vom kräftigen Licht der Spots stammt, denn die Lichtbänder in der Mittelachse sind so hoch angeordnet, dass man nicht sehen kann, woher dieses Licht tatsächlich stammt. «Licht statt Leuchten» nennt das Stefan Hofmann, und so wird der Gummersbacher Busbahnhof zu einem leuchtenden Objekt im neuen Zentrum der Stadt.

Trompe-l’œil: Das ungeübte Auge meint, dass das Licht aus den Spots zurück strahlt und die Unterseite des Dachs beleuchtet, was aber eigentlich von den linearen Lichtstreifen übernommen wird. (Bild: Lukas Roth)
Das 130 Meter lange futuristisch anmutende Dach bildet das lange vermisste architektonische Entree in die Stadt Gummersbach. (Bild: Lukas Roth)
Lageplan (Quelle: pape+pape)
Grundriss (Quelle: pape+pape)
Querschnitt (Quelle: pape+pape)
Details Lichtbänder, Downlights (Quelle: pape+pape und Insta)
Baustellenbild, vom Bahnsteig aus gesehen: Die tragende Konstruktion ist möglichst leicht als Stahlskelett ausgeführt. (Bild: pape+pape)
Aus den eingefärbten Betonfertigteilen entwickeln sich die rückseitig angeordneten gläsernen Windschutzelemente aus dem schräg aufragenden Umfassungsbauwerk. (Bild: Lukas Roth)

Projekt
Busbahnhof Gummersbach
Gummersbach, DE

Architektur
pape+pape architekten
Kassel, DE

Mitarbeit: Thomas Zinn, Janus Kühmstedt

Lichtplanung
Lichtwerke GmbH
Prof. Stefan Hofmann
Köln, DE

Hersteller
Insta Elektro GmbH
Lüdenscheid, DE

Kompetenz
instalight LEDLUX LH und LS

Weitere Hersteller
Downlights: we-ef, Bispingen
Betonfertigteile: Anton Schick, Bad Kissingen
Schindelverkleidung: Böhme Systems, Dresden
Uplights: Insta, Lüdenscheid

Bauherr
Entwicklungsgesellschaft Gummersbach
Gummersbach, DE

Landschaftsarchitektur
greenbox landschaftsarchitekten
Köln, DE

Tragwerksplanung
Reitz und Pristl Ingenieurgesellschaft
Kassel, DE

BGF Dachfläche
ca. 2.000 m²

BGF Servicezentrale
ca. 100 m²

Fertigstellung
2015

Fotografie
Lukas Roth


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