Holistic Living von Graft in Berlin

Leben mit Überschuss

Thomas Geuder
14. Juni 2016
Zwischen den Stadtzentren von Berlin und Potsdam haben die Architekten von Graft drei Plus-Energie-Häuser erbaut. (Foto: Tobias Hein)
Projekt: Holistic Living (Berlin-Wannsee, DE) | Architekten: GRAFT Gesellschaft von Architekten mbH (Berlin, DE) | Bauherr: privat | Hersteller: diverse | weitere Projektdaten s. unten

Technologisch ist heutzutage bereits einiges machbar. Energie direkt am Haus zu gewinnen ist – je nach Aufwand – kein Problem mehr. Das freilich ist nicht der einzige Hebel, der beim modernen Hausbau betätigt werden kann und sollte. Es geht auch um die Speicherung der selbst gewonnenen Energie, um auch die effiziente Verteilung und Nutzung und auch ums Sparen von Energie, ohne sich selbstredend kasteien zu müssen. Welche Hebel wie weit eingesetzt werden könnten, stellt sich beim privaten Wohnungsbau umso mehr. So haben Graft Architekten beim Bau dreier Wohnhäuser zwischen Berlin und Potsdam einen Ansatz verfolgt, bei dem intelligente Haustechnik verbunden wird mit der Verwendung von nachhaltigen, gesunden Materialien, einer großzügigen Raumaufteilung und einem Wohngefühl, das auch den Außenraum ins Raumkonzept einbezieht. Das Bonbon dabei: Die Häuser produzieren mehr Energie, als Haus und Bewohner benötigen. Der Überschuss dieser Plus-Energie-Häuser kann dann etwa für Elektromobilität genutzt werden.

Bei der Planung und Konstruktion der «Holistic Living» Häuser sollte großen Wert auf nachhaltiges Bauen und die Verwendung ökologischer Baustoffe gelegt werden. (Foto: Tobias Hein)

Die Planer von Graft nennen ihr Konzept «Holistic Living», ganzheitliches Wohnen also, bei dem möglichst viele Vorteile verschiedener Parameter genutzt werden. So wurden die Baumaterialien über ihren gesamten Lebenszyklus betrachtet, von der Gewinnung und Verarbeitung, über die Nutzung, Pflege und Veränderbarkeit bis hin zum Abriss und der Entsorgung bzw. Wiederverwendung. Die Fassade etwa besitzt eine Holzverkleidung, dahinter befindet sich eine Holzfaserdämmung, außerdem ist eine Cellulosedämmung verarbeitet. Im Innenraum sind der Treppenaufgang und die obere Etage mit Lehmputz verkleidet, die Wände sind einer Öko-Naturharz-Wandfarbe auf Dispersionsbasis gestrichten. Für gutes Raumklima sorgt außerdem ein Parkettboden aus Eichenholz mit einem Hartwachsöl. Durch die deckenhohe Verglasung im Erdgeschoss soll eine möglichst große Transparenz entstehen, wodurch der Übergang zwischen innen und dem privaten Grün zäsurlos wirken soll. Damit wollen die Architekten erreichen, dass Architektur und Garten ein Kontinuum bilden. Das drückt sich auch in der räumlichen Organisation aus: Es gibt keine streng voneinander abgegrenzten Bereiche, sondern sinnvoll angeordnete Abfolgen, die nach Gestalt, Nutzung und Form entwickelt sind und szenographisch aufeinander reagieren können. Ein «Leben im Grünen» ist erklärte das Ziel des Entwurfs.
 

Wichtig war den Architekten bei der Auswahl der Baumaterialien, dass diese über ihren gesamten Lebenszyklus betrachtet nachhaltig sind. (Foto: Tobias Hein)

So soll das Wohnen so selbstverständlich wie möglich sein, ohne sich immer wieder über das Thema Energie Gedanken machen zu müssen. Der notwendige Energiebedarf wird durch effiziente Haustechniksysteme reduziert, regenerative Energie wird durch die Photovoltaik und durch Geothermie erzeugt, die Wärmeverluste werden durch eine kontrollierte Lüftungsanlage reduziert, tägliche Lastspitzen werden ein Energiemangementsystem reduziert. Zusätzlich sind energieeffiziente Haushaltsgeräte und Beleuchtungsmittel eingesetzt sowie wassersparende Armaturen. Für Gartenwasser sorgt eine Grauwasser-Nutzungsanlage, außerdem ist eine Regenwasserzisterne installiert. All das führt dazu, dass (rein rechnerisch zumindest zunächst) das Einfamilienhaus im Ensemble einen Energie-Überschuss von 1/3 und jede Doppelhaushälfte von rund 1/5 erzeugt, der Verbrauch für die Wärmepumpe selbstverständlich einberechnet. Dieser Überschuss könnte dann für ein Elektroauto genutzt werden. Wir sehen auf den Bildern zwar teilweise noch Vehikel mit Verbrennungsmotoren, aber das wird sich in nächster Zeit ganz bestimmt noch ändern.

Die räumliche Gestaltung basiert unter anderem auf einer größtmöglichen Transparenz zwischen innen und außen – ein «Leben im Grünen». (Foto: Tobias Hein)
Natürliche Materialien wie Holz und Lehm sollen für gutes Raumklima sorgen und die Wohngesundheit unterstützen. (Bild: Tobias Hein)
Lageplan (Zeichnung: Graft)
Grundrisse Einfamilienhaus (Zeichnung: Graft)
Grundrisse Doppelhaus (Zeichnung: Graft)
Überschussenergie für Elektromobilität (Quelle: Graft)
Vergleich Energiebedarf und -gewinn, kWh pro Jahr (Quelle: Graft)
Die drei Holzbauten sollen eine großzügige Raumaufteilung mit der Verwendung nachhaltiger gesunder Materialien sowie authentisches Wohngefühl mit hochintelligenter und vernetzter Haustechnik verbinden. (Foto: Tobias Hein)
Die Häuser bieten die Möglichkeit, als Ergänzung des Mietvertrages ein Elektrofahrzeug zu leasen und vorhandene elektrische Überschussenergie für Elektromobilität zu nutzen. (Foto: Tobias Hein)

Projekt
Holistic Living
Berlin-Wannsee, DE

Architekten
GRAFT Gesellschaft von Architekten mbH
Lars Krückeberg, Wolfram Putz, Thomas Willemeit
Berlin, DE

Projektleiter/in: Nils von Minckwitz, Anna Wittwer
Projektteam: Martin Franck, Arvid Wölfel

Bauherr
privat

Hersteller
Fassadendämmplatten: Steico
Cellulosedämmung: Isofloc
Schiebefenster: SOREG-glide
Fenster: Wicona
Lehmputz: Claytec
Farbe: Brillux
Parkett: Hinterseer
Leuchten: Bega, Pastilla, Osram
Heizkörper: Zehnder
Sanitär: Alape, Hansgrohe, Hansa, Ideal Standard, Kanera, Vola
Drücker: fsb
Schalter, Gebäudeautomatisierung: Gira
Fliesen: Mosa
Naturstein: Traco
Trockenbau: Knauf
Grauwasser: ewuaqua
PV-Anlage: Hanwha, Fronius
KFZ-Ladestation: Mennekes
Lüftung, Heizung/Wärmepumpe: Stiebel Eltron

Wohnflächen
Einfamilienhaus 232 m²
Doppelhaus 165 m² (je Hälfte)

Fertigstellung
2015

Fotografie
Tobias Hein